GWG: Es droht eine Schlammschlacht!

Aus der Traum! Die Oppenheimer Wohnungsbaugenossenschaft GWG und ihre Tochtergesellschaft HGO werden im geplanten Gradinger-Wohnblock definitiv keine Mietwohnungen zu sozialverträglichen Preisen anbieten. Alle Wohnungen sollen verkauft werden, und zwar so teuer wie möglich. Das ist längst beschlossene Sache, wurde bisher allerdings unter der Decke gehalten: Die Wahrheit soll erst am Dienstag auf den Tisch – bei der GWG-Mitgliederversammlung. Dort droht eine üble Schlammschlacht, im Hintergrund steht einmal mehr ein Name: Marcus Held…

In Oppenheimer Geschäften und Büros, in Cafés und Weinstuben wird seit Wochen getuschelt und gemunkelt: Der geschasste Ex-SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held und sein „Kettenhund“ Marc Sittig würden „wie verrückt herumtelefonieren“. Angeblich versuchten sie, GWG-Mitgliedern ihre Stimmrechte abzuschwatzen. Ziel der Undercover-Mission: „Heldianer“ sollen die nächste Mitgliederversammlung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft (GWG) dominieren können und dann die Entlastung des bisherigen GWG-Vorstands durchdrücken – im wahrsten Sinne des Wortes: um jeden Preis.

Wenn das Vorhaben gelingen sollte, wenn der alte Vorstand wirklich vorbehaltlos entlastet würde, hätte Marcus Held ein paar Sorgen weniger. Die Mitglieder der Genossenschaft hätten allerdings ein Riesen-Problem: Ansprüche auf Schadensersatz – die Rede ist von Beträgen in sechsstelliger Höhe – wären gegen den früheren SPD-Stadtbürgermeister und GWG/HGO-Chef kaum noch durchzusetzen.

Die Versammlung der GWG-Mitglieder ist für übermorgen, Dienstag, um 18 Uhr, im Oppenheimer Altenzentrum terminiert. Früher war das ein entspanntes Beisammensitzen unter Federführung von Marcus Held: Schnelles Abstimmen, gegenseitiges Schulterklopfen – alles gut!

Diesmal dürfte es richtig spannend werden. Themen gibt’s genug:

  • Der geplante Neubau des Gradinger-Wohnblocks droht zum Millionen-Desaster für die GWG-Tochter HGO zu werden. Was lief da wirklich schief? Wie teuer wird’s am Ende noch? Und welche Einstandsverpflichtungen treffen die GWG?
  • Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelt gegen den bisherigen GWG/HGO-Chef Marcus Held wegen des Verdachts der Untreue: Er soll Verträge zum Nachteil der HGO abgeschlossen haben. Wird ihn die GWG/HGO wegen erlittener Vermögensschäden auf Schadensersatz verklagen – oder wollen die neuen GWG/HGO-Chefs Marcus Held in alter Verbundenheit schützen?
  • Noch völlig offen: Held hatte als Privatmann klammheimlich und eigennützig ein äußerst lukratives Immobiliengeschäft im Baugebiet Kette-Saar getätigt und damit vermutlich Geschäftschancen „seiner“ GWG/HGO vereitelt. Auch hier müssten jetzt eigentlich Schadenersatzforderungen geprüft werden: Was haben die Verantwortlichen bei GWG/HGO in dieser Sache unternommen, wie gedenken sie vorzugehen?

GWG verschickt Brief im Stile von Marcus Held

Es hat sich inzwischen eine Gruppe oppositioneller GWG-Mitglieder zusammengefunden, die sich die Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat genauer anschaut und kritische Fragen stellen will. Eine ganz neue Erfahrung in Oppenheim! Zu Zeiten von Marcus Held – und das ist noch gar nicht so lange her! – wäre ein solches Vorgehen als unbotmäßiger Akt von Obrigkeitsbrüskierung bewertet worden, als eine Art Majestätsbeleidigung, die umgehend mit persönlicher Diffamierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung geahndet worden wäre.

Inzwischen hat die Stadt die Wende vollzogen, Marcus Held wurde aus allen (erst einmal: lokalen) Ämtern getrieben, und mit Walter Jertz wurde ein unabhängiger, überparteilicher Bürgermeister gewählt, der demnächst sein Amt antritt.

Nur in der GWG/HGO, da regiert offenbar noch immer der alte Corps-Geist:

Das Unternehmen ist dem Wählerwillen nicht zugänglich, weshalb sich hier etliche Held-Anhänger verschanzen konnten: Sie nutzen die gemeinnützige Genossenschaft wie bisher zur Selbstversorgung mit lukrativen Posten und fetten Pfründen. Zudem dient ihnen das zumeist intransparent agierende Immobilienunternehmen als persönliche Machtbastion, von der aus sie eines Tages, und das auch noch abseits jeder demokratischen Kontrolle, Einfluss nehmen könnten auf Stadtpolitik und Stadtentwicklung.

Der Brief der GWG vom 7. Juni 2018 an alle Mitglieder.

Angesichts des sich formierenden Widerstands müssen die Verantwortlichen in der GWG/HGO befürchten, dass es diesmal eng werden könnte. Sie reagierten prompt: Erst verweigerten sie den Oppositionellen Einblick in die Mitgliederliste, um ihnen Kontaktaufnahme und Schulterschluss mit anderen Mitgliedern zu erschweren. Letztens unterzeichneten sie gemeinsam einen Brief, der in der vergangenen Woche an alle GWG-Mitglieder geschickt wurde:

Ganz im Stil der alten Zeit werden dort wieder Fronten gegen eventuelle Kritiker aufgebaut: „Seit einigen Wochen wird zu Unrecht versucht, unsere GWG in ein schlechtes Licht zu rücken“, heißt es in dem Schreiben. „Wir bitten Sie, lassen Sie sich nicht durch Parolen verunsichern, die in letzter Zeit verbreitet wurden. Lassen Sie uns gemeinsam weiter für ein echtes Juwel in der Stadt Oppenheim zusammenstehen – unsere Wohnungsbaugenossenschaft.“

Woran erinnert uns nur dieses Schreiben und diese Sprache? Genau: Exakt im gleichen Stil formulierte früher Marcus Held, wenn er sich in die Enge getrieben wähnte. Ein Beispiel aus seiner SPD-Postille, die er vor wenigen Monaten veröffentlichte (damals ging’s um die Tourismus GmbH):

„Mehr als nur unsachliche und zum Teil auch geschäftsschädigende sowie persönlich diffamierende Darstellungen, die in den sozialen Medien durch einen angeblich neutralen Journalisten seit Wochen in Oppenheim und Umgebung verbreitet werden…“

Die Vermutung, dass Marcus Held – noch dazu erkrankt – den jüngsten GWG-Brief mitformuliert haben könnte, werden die Unterzeichner sicherlich als abstrus bezeichnen. Aber sagen sie uns denn immer die Wahrheit?

Neuer GWG-Chef: Erst 29, unerfahren, dafür Held-Fan

Schauen wir uns doch mal etwas genauer an, wer heute dort sitzt, wo bislang Marcus Held thronte:

Marco Meidinger, noch keine 30 Jahre alt, ist der neue GWG-Chef und schmückt sich seither mit dem protzigen Titel „Vorstandsvorsitzender“. Die lokale Zeitung berief sich auf eine GWG-Pressemitteilung, als sie Meidingers Qualifikation für dieses verantwortungsvolle Amt mit seiner Ausbildung zum Bankkaufmann benannte. Kritisches Hinterfragen und ein paar Recherchen hätten auch diesmal wieder interessante Details aufgedeckt:

Im Internet stellt sich Marco Meidinger als Persönlicher Referent von Marcus Held vor.

Meidinger hat in seiner kurzen Berufslaufbahn eine mehr als wechselvolle Karriere hinter sich gebracht: Gleich nach einer Lehre bei der lokalen Volksbank, so verbreitete er selbst in sozialen Netzwerken, absolvierte er ein Praktikum bei einem Internet-Anbieter namens EDVnotruf24 (den gibt’s nicht mehr). Danach machte er sich mit einer Firma namens „MM Büroservice“ selbständig, die wohl auch nicht richtig lief. Nächste Stufe der „Karriere“-Leiter: Er wurde stellvertretender Abteilungsleiter des Tourist- und Festspielbüros in Oppenheim. Danach nannte er sich vollmundig „Vertriebsrepräsentant“, als solcher arbeitete für die Eismann Tiefkühl-Heimservice GmbH.

Seinen aktuellen Beruf gibt der pausbäckige 29-Jährige in diversen Internet-Netzwerken noch immer mit „Persönlicher Referent bei Marcus Held, MdB“ an. Seit 2013 sei er das, schreibt er dazu. Dem SPD-Bundespolitiker zeigte er sich in all den Jahren stets engstens verbunden: Meidinger saß im so genannten Held-Kompetenzteam, er leitete das Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten, er saß neben ihm im SPD-Vorstand Rhein-Selz…

Viel gehört hat man von Meidinger in all den Jahren nicht. Seit der Aufdeckung des Oppenheim-Skandals auf dieser Webseite machte er nur ein einziges Mal von sich reden: Held hatte sich Anfang dieses Jahres krankgemeldet, und SPD-Mann Torsten Kram beantragte in einer Parteiversammlung, dass die SPD-Stadtratsfraktion Schadensersatzansprüche gegen den Politiker prüfen solle. Das wurde mehrheitlich abgelehnt, woraufhin Marco Meidinger einen neuen Antrag stellte: Man möge dem erkrankten Held gute Genesung wünschen. Dieser Antrag wurde angenommen.

Die Frage muss erlaubt sein: Was – außer einer unterwürfig anmutenden Held-Anhänglichkeit – befähigt und berechtigt den unerfahrenen 29-Jährigen zum Vorstandsvorsitz eines Immobilien-Unternehmens, das sich in großen, vielleicht sogar existenziellen Schwierigkeiten befindet? In seiner Vita sind jedenfalls keinerlei Hinweise auf eine besondere Befähigung zu finden, und auch Bekannte und Freunde schütteln ratlos den Kopf: null Ahnung!

Kann so ein Jungspund wirklich Macher und Krisenmanager eines Wohnungsbaukonzerns mit mehr als 250 Wohnungen sein? Oder ist er vielleicht nur eine Marionette?

Krethe ist da – mit üblen Taschenspielertrick

An Meidingers Seite steht seit wenigen Wochen ein Mann, der erst vor kurzem und auch ganz überraschend in Oppenheim auftauchte: Gerald Kümmerle löste als Vorstandsmitglied den schon recht betagten Franz Kram ab, der sein Amt nach dem Held-Rücktritt abgab.

Kümmerle war auch zuvor schon im Immobiliensektor tätig, er arbeitete zuletzt für einen Konzern, dem 85.000 Wohnungen in Deutschland gehören. Dass dieses Unternehmen in einschlägigen Internetportalen nicht gerade bestens abschneidet (ein Kommentator: „Vermietung des Grauens“), ist sicherlich nicht Kümmerle anzulasten. Der sollte aber den GWG-Mitgliedern wenigstens diese Fragen beantworten: Warum gibt ein Mann seinen Job im großen Berlin bei einem weltweit agierenden Konzern auf – für die Problem-Baustelle HGO im kleinen Oppenheim? Wer hat ihn gelockt – und mit welchen Versprechungen?

Das ungleiche Gespann Meidinger/Kümmerle sorgte zuletzt mit einer äußerst dubiosen  Personal-Entscheidung für Aufsehen: Es holte im Verbund mit dem Aufsichtsrat Helmut Krethe als drittes Mitglied in den Vorstand.

Ausgerechnet Krethe! Der zweite Beigeordnete im Rathaus, der vor wenigen Jahren vom engagierten CDU-Vorsitzenden (und als solcher sogar ausgespäht über den Schufa-Account der GWG) zum innigen Held-Fan mutiert war, hat in der Vergangenheit wiederholt mit allerlei juristischen Verlautbarungen für schwere Irritationen gesorgt: Tourismus GmbH, Beteiligungsberichte, privatisierte Parkplätze und einiges mehr – es bleibt erstaunlich, wie der spätberufene Jurist es immer wieder schafft, mit seinen vorgeblich fachkundigen Expertisen regelmäßig total krass daneben zu liegen.

Unlängst, bei der Proklamation seines neuen 450-Euro-Jobs bei der GWG, stolperte er schon wieder: Via Lokalzeitung teilte er mit, dass man über Schadensersatzforderungen gegen Held noch nicht entschieden habe. Krethes überraschende Begründung: HGO und GWG unterlägen der „gesetzlichen Prüfungspflicht durch einen genossenschaftlichen Prüfverband, der die Geschäfte der Wohnungsbauunternehmen unabhängig zu untersuchen hat“. Erst wenn der Prüfbericht vorliege, würden GWG und HGO über das weitere Vorgehen entscheiden.

Juristische Experten lasen das und vermuten angesichts der hektisch anberaumten Mitgliederversammlung Taschenspielertricks der übelsten Sorte:

In der Tat, die Pflichtprüfung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 Genossenschaftsgesetz umfasst neben der Vermögenslage auch die Geschäftsführung der Genossenschaft. Freilich: „Ansprüche aber können nicht nur, sondern sie müssen – vor allem vor dem Hintergrund eines drohenden Verjährungseintritts – unverzüglich geltend gemacht werden, wenn sie, wie hier, indiziert sind“, sagt ein Fachmann, „da braucht man keine Prüfung abzuwarten“.

Gänzlich schockierend für Fachleute aber ist folgendes: Während der nicht vorliegende Prüfungsbericht einerseits als Alibi dafür herhalten soll, dass über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht entschieden werden könne, wird gleichzeitig – trotz fehlenden Prüfungsberichts – die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagen! Dazu muss man wissen:

Es fehlt damit nicht nur an einer für die Entlastungsentscheidung maßgebenden Grundlage. Nein! Die begehrte Entlastung würde die Chancen der Genossenschaft auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen praktisch vollständig vereiteln!

Der Experte macht darauf aufmerksam: Bei der Entlastung von Vorstand/Geschäftsführung sollte allergrößte Zurückhaltung geboten sein! Die Entlastung sei entweder zu verweigern – oder aber die Entscheidung darüber sei solange auszusetzen, bis der Prüfungsbericht vorliege: Ansonsten würde Marcus Held für all seine Untaten „ein Persilschein ausgestellt“.

Held soll, geht’s nach den Vorstellungen der neuen Verantwortlichen, entlastet werden, und das wohl auch noch möglichst schnell: Für diesen Plan spricht auch die ungewöhnliche Hast bei der Terminierung der Mitgliederversammlung. Nicht einmal die Amtseinführung des neuen Stadtbürgermeisters Walter Jertz wartete man ab, obwohl der als Vertreter der Stadt sicher gerne gekommen wäre (und vermutlich auch ein paar interessierte Fragen gestellt hätte). „Mutmaßlich wollen Krethe und Konsorten hier mit der schnellen Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat Fakten schaffen“, sagt ein Beobachter.

Beim Thema HGO zeigt sich die GWG wortkarg

Dass die GWG/HGO in unruhiges, vielleicht sogar gefährliches Fahrwasser geraten sind, ist natürlich zu allererst ein Versagen von Marcus Held, der als GWG-Vorstand und HGO-Geschäftsführer alle Macht und Entscheidungen an sich gerissen hatte. Es lässt aber darüber hinaus auch Rückschlüsse auf die Qualität des Aufsichtsrates zu:

In dem Gremium, das die operative Arbeit des Vorstands kontrollieren und überwachen müsste, finden wir die Namen von Klaus Waldschmidt (Vorsitzender), Rudolf Baumgarten, Andrea Bunk und Markus Krämer. Diese Herrschaften sind uns allesamt bestens bekannt durch diverse SPD-Aktivitäten, eine schier unverbrüchliche Treue zum früheren SPD-Bürgermeister – sowie ein festes, bisweilen auch lukratives berufliches Eingebundensein in das System Held. Richtig verblüffend ist es also nicht, dass sie Held bei der GWG/HGO ungehindert walten und schalten ließen, wie es ihm gefiel.

Und jetzt sollen diese Herrschaften  den GWG/HGO-Karren aus dem morastigen Dreck ziehen? Wie soll das funktionieren? Vor allem die HGO steckt ganz tief drin: Ihr Engagement im Fall Gradinger hat die aktuellen Krise ausgelöst. Wenn sich am Dienstag die GWG-Mitglieder zusammenfinden, sollen sie gleichwohl über die HGO offenbar möglichst wenig erfahren. Im GWG-Geschäftsbericht 2017 heißt es kurz und knapp:

„Das Geschäftsjahr 2017 war für die HGO, die im Jahr 2011 gegründete Tochtergesellschaft der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft eG, erneut ein sehr arbeitsintensives Jahr. Des weiteren war die HGO auch im Geschäftsjahr als Hausverwalter für sieben Wohnobjekte in Oppenheim tätig.“

So wortkarg gibt sich nur, wer mit der ganzen Wahrheit nicht herausrücken will. Dabei hat sich längst herumgesprochen: Die HGO steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten. Das Unternehmen (Leitung damals: Marcus Held) hatte sich gegenüber der Stadt (Leitung damals: Marcus Held) verpflichtet, das Gradinger-Grundstück zu kaufen – und zwar zu einem Preis, der sich aus zwei Teilen zusammensetzt: Einmal 580.000 Euro – diese Summe (einschließlich Courtage für Makler Erich Menger) zahlte die Stadt dem alten Gradinger für sein heruntergekommenes Möbelhaus im Kautzbrunnenweg. Dazu sollte die HGO die Abrisskosten übernehmen, die laut einer früheren Aussage von Held nur rund 300.000 Euro betragen sollten, vom beauftragten Unternehmen dann mit 590.000 Euro taxiert wurden – und inzwischen auf über eine Million Euro angewachsen sind (wobei die Endabrechnung noch nicht vorliegt).

Wir haben die ganze Gradinger-Geschichte wiederholt ausführlich dokumentiert (hier zum Beispiel, hier und auch hier). 44 Wohnungen hatte der frühere Stadtbürgermeister noch vor wenigen Jahren versprochen, der größte Teil sollte sozialverträglich vermietet werden. Bereits im letzten Jahr hatten wir geschrieben: Helds Reden vom sozialen Wohnungsbau sei nur Polit-Getöse; wahrscheinlicher sei, dass ein Großteil der geplanten Wohnungen verkauft werde – was Held wohl erst nach der Bundestagswahl eingestehen werde.

Held hat’s nie eingestanden, im Gegenteil: Er ging Kritiker und Zweifler, wie gewohnt, frontal an. Noch in seinem letzten SPD-Stadtmagazin, das vor gut sechs Monaten erschien, schrieb er:

Damit (mit dem Gradinger-Neubau) entsteht am Ende für die Vorstadt ein weiterer neuer Blickpunkt, der die Attraktivität des Umfeldes deutlich steigern wird. Außerdem passiert dies, ohne dass der Stadt Oppenheim auch nur ein einziger Euro Kosten entsteht. Es wäre wirklich fair und angemessen, wenn dies einmal von den politischen Gegnern zur Kenntnis genommen und anerkannt würde.

Keine drei Monate später verschwand der SPD-Stadtbürgermeister in der Versenkung – und jetzt lesen wir im neuen GWG-Geschäftsbericht:

„Die jetzige Geschäftsführung hat sich aber dazu entschlossen, alle Wohneinheiten dem Markt zur Verfügung zustellen und nicht wie bisher geplant die unteren beiden Stockwerke der Muttergesellschaft zur Bildung von Mietwohnungen zu übergeben. Diese Projektvariante sehen wir als beste Version zu einer Realisierung an.“

Heißt: Helds vollmundige Reden von sozialem Wohnungsbau sind zerplatzt wie Seifenblasen. Preisgünstige Mietwohnungen in Oppenheims Vorstadt? Ja, damit hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held jahrelang die Menschen geködert. Und nein, es wird diese Wohnungen nie und nimmer geben: Wenn die HGO eines Tages das Mehrfamilienhaus mit 32 (statt ursprünglich geplanter 44) Wohnungen gebaut haben sollte, wird sie sämtliche Wohnungen verkaufen. Verkaufen müssen: Ansonsten ist eine Kostendeckung offenbar völlig aussichtslos, und die HGO müsste hohe Verluste hinnehmen.

Und dabei ist noch gar nicht sicher, ob der Verkauf selbst aller Wohnungen die exorbitanten Ausgaben der HGO überhaupt wieder einspielt. Zeitweilig hatte ein Mainzer Maklerbüro (Peter Ammann, seinerzeit stellvertretender Oppenheimer SPD-Vorsitzender und guter Held-Freund, arbeitet dort) die Wohnungen im Internet angeboten – für sagenhafte 3500 Euro pro Quadratmeter. Angesichts des Bauplatzes direkt neben einer viel befahrenen und zunehmend von Güterverkehr frequentierten Bahnstrecke war das ein horrender Preis, der von Fachleuten als völlig überzogen eingeschätzt wurde. Nachdem wir darüber berichtet hatten, nahm Ammann sein Angebot schleunigst aus dem Internet…

GWG-Geschäftsbericht: Viele Sprüche, wenig Substanz

Blättern wir noch ein wenig im 21-seitigen Geschäftsbericht 2017: Wir lesen, dass die GWG derzeit über 257 Wohnungen, 30 Garagen und 105 Parkplätzen verfügt. Dass im letzten Jahr 172.639 Euro in die Modernisierung gesteckt wurden, was rein rechnerisch rund 670 Euro pro Wohnung macht und im Geschäftsbericht so kommentiert wird:

„Durch diese umfassenden Maßnahmen erfahren die Immobilien der GWG weitere Wertsteigerungen in ihrer Bausubstanz.“

An anderer Stelle heißt es:

„Durch die stetigen Investitionen und Verbesserungen des Wohnungsbestandes erfahren die Immobilien unserer Genossenschaft nachhaltigen Wertzuwachs verbunden mit einem Ertragszuwachs bei Neuvermietung.“

Naja, Papier ist bekanntlich geduldig, das sind wohl eher die üblichen Sprüche. Bei genauerem Hinsehen stellen sich dann doch einige Fragen:

  • Wie können Investitionen von 670 Euro je Wohneinheit einen „nachhaltigen Wertzuwachs“ tragen?
  • Wie kann man von „Ertragszuwachs“ reden, wenn an anderer Stelle die durchschnittliche Nettokaltmiete für GWG-Wohnungen mit nur sechs Euro pro Quadratmeter angegeben wird?
  • Der Jahresgewinn ging deutlich zurück – von 118.537 (in 2016) auf nur noch 35.363 Euro (in 2017). Ein Teil der Erklärung findet sich in der Rubrik „Löhne und Gehälter“, die um fast 50.000 Euro (auf 364.474 Euro) angestiegen sind. 2017 war Kümmerle, der seinen Job bestimmt nicht für 450 Euro macht, noch gar nicht an Bord: Wer hat denn da plötzlich abkassiert?
  • Unter „Ausleihungen an verbundenen Unternehmen“ (damit kann nur die HGO gemeint sein) werden 359.500 Euro genannt. Wofür braucht die HGO plötzlich so viel Geld von der Muttergesellschaft? Kein Wort dazu in Lagebericht und Anhang: Vielsagendes Nichtssagen!
  • Warum weist der Geschäftsbericht 25.455,38 Euro als Prüfungskosten aus, wenn der Geschäftsbericht doch gar keinen Hinweis auf das Ergebnis einer Prüfung enthält und keinem Mitglied ein Prüfungsbericht zu Verfügung steht?
  • Gerade angesichts des fehlenden Hinweises auf den Prüfungsbericht stellt sich die Frage: Warum sollen die GWG-Mitglieder jetzt hoppla-hopp für eine Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats votieren? Wäre es nicht geboten, mit der Entscheidung über die Entlastung zu warten, bis der Prüfbericht für das Geschäftsjahr 2017 vorliegt?

Hunderttausende könnte sich die GWG von Held holen

Es gibt also noch viele Fragen, die das neue Führungsduo/-trio beantworten müsste. Und dann natürlich auch die Frage, wie die Sache mit Marcus Held weitergehen soll: Soll er geradestehen für das, was er bei der GWG/HGO alles angerichtet hat? Muss er den Schaden, der in die Hunderttausende geht, wiedergutmachen? Oder will die GWG/HGO-Führung darauf verzichten – durch eine schnelle Entlastung, aus alter Verbundenheit mit Held, aber zum Schaden der Genossenschaft, ihrer Tochtergesellschaft HGO und zum Nachteil der vielen Mitglieder?

Es hat sich, Stand heute, schon so einiges angesammelt, was man bei Held einfordern könnte und müsste:

Als SPD-Stadtbürgermeister kaufte Held das Gradinger-Grundstück und verkündete stets, alle Kosten würde beim Weiterverkauf von der GWG/HGO (Chef: Marcus Held) übernommen. Als die Abrisskosten des alten Möbellagers unerwartet explodierten, enthüllten wir auf dieser Webseite, dass die Stadt auf einen Teil der Kosten sitzenbleiben werde: Die Verträge, die Held abgeschlossen hatte und streng unter Verschluss hielt, wiesen gravierende Lücken auf.

In einer Geheimaktion justierte Held bei der Kostentragung nach, was wir allerdings ebenfalls erfuhren und aufdeckten. Das rief später die Staatsanwaltschaft Mainz auf den Plan: Held hatte zu Lasten der HGO die unlimitierte Übernahme zusätzlicher Kosten beim Gradinger-Objekt einfach akzeptiert­ – eindeutig ein Verstoß gegen seine Treuepflichten als Geschäftsführer nach dem GmbH-Gesetz. Der GWG/HGO ist dadurch ein Vermögensnachteil von bislang mindestens 200.000 Euro entstanden. Die Staatsanwaltschaft zu dieser Vermögensbeschädigung: Verdacht der Untreue. Zivilrechtliche Folge: Schadensersatz!

Später kaufte Held im Gewerbegebiet Kette-Saar eine leerstehende Gewerbeimmobilie, ließ im Bebauungsplan ein Mischgebiet ausweisen – und verkaufte Grundstück und Gebäude nur wenige Monate später an das Hilfswerk Zoar mit einem Gewinn von rund 400.000 Euro (hier).

Als Privatmann durfte Held dieses Geschäft machen. Als Politiker war die blitzschnelle Geldvermehrung zumindest anrüchig, noch dazu zu Lasten einer gemeinnützigen Einrichtung. Als dem Wettbewerbsverbot unterliegender Geschäftsführer der HGO aber hat Marcus Held – so sieht es ein Jurist – seiner eigenen Gesellschaft „Schaden in Form einer verhinderten Vermögensvermehrung“ zugefügt. Die Staatsanwaltschaft hat den Fall geprüft und sieht vorerst keinen strafrechtlichen Ansatz. Aber: Zivilrechtlich müsste die HGO auch in diesem Fall gegen Held vorgehen, weil er pflichtwidrig seine privaten Interessen denen der HGO vorangestellt hat, indem er gegen das Wettbewerbsverbot verstieß, dem er als Geschäftsführer unterlag.

Wenn der Vorstand – Meidinger, Kümmerle und Krethe – auf eine Schadensersatzklage verzichten, müsste der GWG-Aufsichtsrat eingreifen. Reagiert auch der nicht, könnten GWG-Mitglieder ihren Aufsichtsrat verklagen…

Dann wird’s ebenso brisant wie pikant: Die Stadt ist Anteilseigner der GWG, ihr ist ein Schaden in Form eines anteiligen geringeren Bilanzgewinns entstanden. Der neue Stadtbürgermeister Walter Jertz, der versprochen hat, im Rathaus aufzuräumen, müsste eingreifen – und unter anderem gegen den GWG-Aufsichtsrat vorgehen.

Oppenheimer Verhältnisse. Es bleibt spannend in dieser Stadt!

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