GWG: Held wird zahlen – oder der Vorstand muss bluten

An diesem Wochenende nur gute Nachrichten – wir feiern nämlich Geburtstag: Vor genau einem Jahr wurde die Webseite www.der-oppenheim-skandal.de ins Internet gestellt! Seither verfolgen hier Tausende die journalistische Dokumentation der Marcus-Held-Affären: Mehr als 350.000 Besuche mit über 1,2 Millionen Seitenaufrufen wurden in den vergangenen zwölf Monaten gezählt, Leser schrieben fast 4000 Kommentare… (Die Hitliste der meistgelesenen Berichte finden Sie hier). Zum Geburtstags-Wochenende haben wir gleich zwei exklusive Geschichten für Sie vorbereitet – und Überraschung: Sie sind für Oppenheim richtig positiv:

  • Lesen Sie heute: Juristen sind überzeugt – Held wird trotz Entlastung durch GWG-Mitglieder Schadensersatz zahlen müssen!
  • Morgen lesen Sie: Nach Bericht auf dieser Webseite – Kreisbehörde aufgewacht, Held-Clique beim Einsacken von Steuergeldern erwischt!

Juristen: So kommt die GWG/HGO doch noch an ihr Geld!

Es war DAS Thema der Woche: die Mitgliederversammlung der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft GWG am Dienstagabend. Früher, als Marcus Held noch Regie führte, war das ein Routine-Termin. Ein paar Zahlen, ein bisschen abstimmen, alle einig – fertig.

Jetzt sorgte der Termin tagelang für größte Aufregung im Städtchen. Kurzer Rückblick:

Vergangenen Sonntag hatten wir auf dieser Webseite aufgedeckt, dass Marcus Held trotz angeblicher Erkrankung recht munter in Oppenheim unterwegs sei. Zuletzt hatte er heimlich Stimmzettel für die GWG-Mitgliederversammlung einzusammeln versucht: Er wolle seine Entlastung als ehemaliger GWG-Chef durchsetzen, hieß es, um drohende Schadensersatzforderungen zu verhindern.

Am Dienstag übernahm die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ sämtliche Informationen unseres Berichts: „Viel Redebedarf“ wurde in der Überschrift prophezeit; die Ankündigung einer „hochexplosiven Veranstaltung“ war dem Blatt sogar eine Meldung auf der Titelseite wert.

Am Dienstagabend dann also GWG-Versammlung im Altenzentrum. Die Anhänger des ehemaligen Stadtbürgermeisters (unter ihnen auch Held-Ehefrau und -Mutter, beide ausgestattet mit mehreren Stimmen) setzten sich am Ende durch, was nach der Stimmen-Sammelaktion aber nicht mehr ganz unerwartet kam: Der frühere GWG-Vorstand und -Aufsichtsrat wurden entlastet – zwar knapp, aber eben mit der Mehrheit der Stimmen.

Befreiungsschlag gelungen, jubilierte das Held-Lager: Mit der Entlastung seien mögliche Schadensersatzforderungen in sechsstelliger Höhe gegen den früheren Alleinherrscher  abgewendet.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete erfuhr daheim von der Entscheidung, er dürfte aufgeatmet haben.

Die Kritiker der aktuellen GWG-Verantwortlichen wirkten regelrecht geschockt. Auf Facebook ließen einige ihren Frust raus. Die unlängst neugegründete Wählergemeinschaft FWG Oppenheim reagierte ganz fix und schrieb anderntags auf ihrer Webseite,  es klang ein wenig frustriert, dass „die alten Seilschaften des zurück getretenen Bürgermeisters noch bestens funktionieren und Entscheidungen in seinem Sinne beeinflusst werden können“.

Der Lokalredakteur schrieb zwei Tage später,  es sei alles ein „Trauerspiel“. Angesichts der offenen Fragen rund um die Tochterfirma HGO und das Gradinger-Projekt sei Helds Entlastung „geradezu unfassbar“:

Man kann den Mitgliedern der GWG nur wünschen, dass sie diese Entscheidung nicht irgendwann bitter bereuen werden.“

Doch gemach! Noch ist Oppenheim nicht verloren, auch nicht die Baugenossenschaft und auch nicht ihre seit dem Gradinger-Deal arg Not leidende Tochtergesellschaft HGO! Die GWG-Mitglieder können guten Mutes sein, dass sie trotz alledem zu ihrem Geld kommen!

Und es könnte sogar noch besser kommen: Es steht zu erwarten, dass ausgerechnet die heute amtierenden GWG-Verantwortlichen gegen den ehemaligen GWG/HGO-Chef Marcus Held vorgehen müssen! Sie haben zwar durch ihr bisheriges Verhalten kein sonderlich großes Interesse daran erkennen lassen. Aber sie werden sich vermutlich noch besinnen und reagieren – schon aus Gründen des Eigenschutzes: Denn wenn sie nicht tätig werden, müssen sie damit rechnen, dass sie eines Tages selbst zur Verantwortung gezogen, sprich: zur Kasse gebeten werden.

Wir haben zwei Experten gefragt, die sich mit der komplizierten juristischen Materie auskennen. Beide sind bestens über die Oppenheimer Zustände im Bilde, beide haben sich nochmals eingelesen und zusätzliche Informationen eingeholt. Ihr Urteil fällt, völlig unabhängig voneinander, übereinstimmend aus:

Trotz der Entlastung in der GWG-Versammlung kann Marcus Held zur Rechenschaft gezogen werden. Der SPD-Politiker wird den angerichteten Schaden wieder gut machen müssen – dafür wird der amtierende GWG-Vorstand sorgen müssen.

War Information der GWG-Mitglieder ausreichend?

Unser erste Gesprächspartner hat Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) herausgesucht. Das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland hat zur Frage nach der Haftung eines Vorstands nach seiner Entlastung wegweisende Sätze gesprochen. Zitat aus einem der Urteile (BGH II ZR 54/03):

„Die Entlastung des Vorstandes einer Genossenschaft (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GenG) enthält keinen Verzicht auf Schadensersatzansprüche, welche die Generalversammlung aufgrund der ihr erteilten Informationen nicht zu überblicken vermag.“

In diesem Urteil heißt es weiter, dass aus einer Entlastung kein Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hergeleitet werden könne, wenn „die Ansprüche gegen den Beklagten aufgrund der oberflächlichen Unterrichtung der Genossenschaftsmitglieder nicht oder in wesentlichen Punkten nur unvollständig erkennbar waren“.

In einem anderen BGH-Urteil (BGH II ZR 308/99) heißt es ebenso unmissverständlich:

„Auch bei der Genossenschaft beschränkt sich die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 48 Abs. 1 GenG) auf (Bereicherungs- und Schadensersatz-)Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten.“

Und weiter:

Das gilt insbesondere für solche Ansprüche, die erst nach eingehendem Vergleich und rechtlicher Auswertung verschiedener Unterlagen ersichtlich sind, die in der Verbandsversammlung bei Abfassung des Entlastungsbeschlusses nicht oder nicht vollständig vorliegen. Eine unbillige Benachteiligung des zu entlastenden Organs ist darin schon deshalb nicht zu erblicken, weil es bereits zum pflichtgemäßen Inhalt des jährlichen Rechenschaftsberichts gehört, die Verbandsmitglieder über alles zu unterrichten, was nach Verkehrsanschauung und vernünftigem Ermessen zur sachgemäßen Beurteilung der Entlastungsfrage durch die Mitgliederversammlung erforderlich ist.“

Unser erster Experte kommt deshalb zu der Schlussfolgerung:

„Insbesondere die laufenden Ermittlungen der Mainzer Staatsanwaltschaft und der fehlende Prüfbericht für 2017 lassen die Entlastung von GWG-Vorstand und -Aufsichtsrat m.E. nicht vollumfänglich wirksam werden, da bisher nicht bekannt ist, was bei Staatsanwalt und Prüfern letztlich herauskommt. Für seine Verfehlungen wird Marcus Held wohl trotz Entlastung zur Rechenschaft gezogen werden können.“

Über Held-Geschäfte bei der HGO wurde nicht entschieden

Das sieht der zweite juristische Fachmann, den wir befragt haben, genauso:

„Die Rechtswirkung eines Anspruchsverzichts infolge Entlastung erstreckt sich nur auf solche Tatbestände, die für die Mitgliederversammlung aufgrund der Rechenschaftsberichte von Vorstand und Aufsichtsrat sowie des Prüfungsberichts erkennbar waren.“

Die Rechenschaftsberichte während der Mitgliederversammlung könnten sich, ausweislich des vorliegenden Jahresabschlusses, nur auf inhaltsleere Allgemeinplätze beschränkt haben. Und der Prüfbericht habe bekanntlich noch gar nicht vorgelegen. Der Jurist:

 „Held wird sich trotz des von ihm gesteuerten günstigen Abstimmungsergebnisses also nicht auf die – juristisch nicht unumstrittene – Präklusionswirkung berufen können, wonach mit der erteilten Entlastung auch der Verzicht auf Schadensersatzansprüche der GWG gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verbunden sei.

Hinzu kommt im speziellen Fall: Am Dienstag habe die Mitgliederversammlung mit dem Entlastungsbeschluss allein das Handeln des GWG-Vorstandes und des GWG-Aufsichtsrates gebilligt.

Nicht entschieden wurde über die Geschäftstätigkeit bei der Tochtergesellschaft HGO.“

Genau dort aber lägen die wesentlichen Anknüpfungspunkte für eine Haftung von Held: Als Stadtbürgermeister hatte er dafür gesorgt, dass die GWG-Tochter HGO – deren Geschäftsführung er ebenfalls an sich gezogen hatte – die Gradinger-Abrisskosten ohne jede Einschränkung übernehmen muss (was schon den Staatsanwalt auf den Plan rief). Außerdem hatte er als HGO-Geschäftsführer sein eigenes Unternehmen umgangen, als er bei einem privaten Immobiliengeschäft im Baugebiet Kette-Saar innerhalb kürzester Zeit einen Gewinn von rund 400.000 Euro einsackte (mehr hier).

Der Jurist betont noch einmal:

„In diesen Fällen stehen Schadensersatzansprüche der HGO im Raum, nicht der GWG.“

Nun obliegt die Entlastung der HGO-Geschäftsführung deren Gesellschafterin, und das ist in diesem Fall die GWG, deren Stimmrechte wiederum durch den Vorstand ausgeübt werden. Im Vorstand sitzen bekanntlich mit Marco Meidinger und Helmut Krethe zwei treu ergebene Held-Verbündete; der dritte – Gerald Kümmerle – ist erst unlängst neu hinzugekommen, seine Beziehungen zu Held sind noch unklar.

Ein erster Blick auf diese Besetzungsliste lässt natürlich befürchten, dass der Held-treue GWG-Vorstand mit einer schnellen Entlastung des bisherigen HGO-Chefs das Thema Schadensersatzansprüche ein für allemal ad acta legen möchte. Doch der Jurist will das nicht glauben:

Der Vorstand der GWG habe „sehr deutliche Hinweise auf Helds rechtswidriges und schadenstiftendes Gebaren als Geschäftsführer der HGO“ – zum Beispiel über die Staatsanwaltschaft Mainz, die wegen der Überwälzung der Abrisskosten von der Stadt auf die HGO Ermittlungen eingeleitet habe.

Wörtlich sagt den Rechtsexperte:

„Würde der Vorstand der GWG in Kenntnis dieser Umstände Held in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer der HGO Entlastung erteilen und damit anerkennen, dass Ersatzansprüche der HGO gegenüber Held nicht bestehen, läge darin eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der HGO im Sinne von § 826 BGB.“

Und das würde im Zweifelsfall schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen:

  • Der Vorstand würde wegen des Anspruchsverzichts unmittelbar gegenüber der HGO haftbar.
  • Die Gläubiger der HGO könnten sich im Insolvenzfall unmittelbar an die GWG als Gesellschafterin der HGO halten (sog. Durchgriffshaftung, der beschränkte Haftungsschirm der GmbH wurde durchstoßen – „piercing the corporate veil“).
  • Wegen der verursachten Durchgriffshaftung wäre der Vorstand auch gegenüber der GWG schadensersatzpflichtig.“

Fazit: Das GWG-Trio Meidinger, Krethe und Kümmerle muss höllisch aufpassen, dass es nicht in den Strudel des untergehenden Held hineingerät. Die drei werden sich für ihr Unternehmen – und nicht für den geschassten SPD-Politiker – einsetzen müssen. Sonst rutschen auch sie ab, und das könnte teuer für sie werden, sehr teuer. Wenn sie Held nicht zur Kasse bitten, werden sie selbst bluten müssen!

Die Entlastung in der GWG-Versammlung, so schrieb uns ein Leser, ihm gönnen wir heute auch das Schlusswort, sei „vielleicht als eine Art symbolischer Akt zu betrachten. Vergleichbar mit dem trotziger Kinder, denen man etwas weggenommen hat.“ Hoffentlich, schreibt er weiter, sei es „das letzte Aufbäumen der Heldianer vor der Klageerhebung vor Gericht: Es ist ja bald ein Jahr her, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft begonnen haben…“

3 Kommentare zu „GWG: Held wird zahlen – oder der Vorstand muss bluten“

  1. Herr Ruhmöller,

    hören Sie auf mit Ihren diffamierenden und agitatorischen Postulaten!
    Niemand kann wissen, was die Staatsanwaltschaft und die Genossenschaft noch herausfinden werden.

    Und endlich hätte wieder Ruhe einkehren können in Oppenheim, wenn Sie, ja Sie, wenn Sie einfach mal die Klappe halten würden.
    Bürgermeister mal weg, die Karawane zieht weiter.

    Dazu beitragen sehr wohlgelobte sachverständige Vorstände und Aufsichtsräte.
    Ich finde es auch gut, dass eventuell entstehende Schadensersatzforderungen auf mehrere Verantwortungsträger verteilt werden.

    Rudelhaftung. Gibt es das schon beispielhaft in der Kommunalpolitik?
    Oppenheim könnte eventuell dafür in die (Rechts-)geschichte eingehen.

    Satire aus.

  2. Das Genossenschaftsgesetz – GenG weist auch dem Abschlußprüfer möglicherweise eine Garantenstellung mit nachfolgender Vorschrift zu:

    § 150 Verletzung der Berichtspflicht
    (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Prüfer oder als Gehilfe eines Prüfers über das Ergebnis der Prüfung falsch berichtet oder erhebliche Umstände im Bericht verschweigt. …

  3. Nicht zu vernachlässigen sind auch Strafvorschriften nach
    § 147 Genossenschaftsgesetz
    Falsche Angaben oder unrichtige Darstellung
    … (2) Ebenso wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Liquidator
    1. die Verhältnisse der Genossenschaft in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, die Mitglieder oder die Haftsummen, in Vorträgen oder Auskünften in der Generalversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert, …

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