Das große Polit-Orchester: Jetzt alle gegen Marcus Held

Es brennt in der SPD von Rheinland-Pfalz! Allüberall herrscht schwerst aufgeregte Verärgerung – nur Marcus Held muckt sich plötzlich nicht mehr. Der Mann ist abgetaucht, krank angeblich. Er krallt sich geradezu an seinen Posten als SPD-Stadtbürgermeister von Oppenheim und natürlich an sein Bundestagsmandat: So pulverisiert er auf diese Weise jedes Bemühen, mit den notwendigen Aufräumarbeiten im Oppenheim-Skandal endlich beginnen zu können. Doch glaubt man den Beobachtern der rheinhessischen Politszene, steht das Ende der Affären-Ära Held unmittelbar bevor: Der innerparteiliche Druck auf den Mann hat massiv zugenommen.

Am Montag war bekannt geworden, dass Held bei Immobiliendeals in seiner Stadt schwer abgesahnt hat. Unter anderem kaufte er für 367.000 Euro eine leerstehende Gewerbeimmobilie, sorgte sodann mit einer Änderung des Bebauungsplanes dafür, dass dort künftig Wohnungen gebaut werden können – und verkaufte nach nur wenigen Monaten Grundstück und Gebäude an das gemeinnützige Diakoniewerk Zoar: für 747.500 Euro.

Seitdem tobt ein Tsunami durch Rheinhessen. Zuerst meldete sich der Unterbezirksvorstand Alzey-Worms (hier) – das war noch am Montag.

SPD-Kreisverband: Rückzug ist die einzig akzeptable Antwor

Am heutigen Dienstag folgte die SPD Mainz-Bingen. Monatelang hatte der Kreisverband (Vorsitzender: Salvatore Barbaro) geschwiegen. Ein vernichtender Bericht des Landesrechnungshofs? Gleich mehrere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren? All das interessierte die Genossen nicht im geringsten. Erst gestern merkten sie auf und formulierten ganz und gar nicht mehr verklausuliert, sondern in unmissverständlicher Deutlichkeit: Marcus Held solle zurücktreten. Die Pressemitteilung des Kreisverbandes im Wortlaut:

Mit Entsetzen verfolgt der SPD-Kreisverband die jüngsten Entwicklungen in und um Oppenheim. Die jüngste AZ-Berichterstattung hat uns verärgert und fügt sich gemeinsam mit einigen Feststellungen des Landesrechnungshofes sowie den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu einem Bild, das mit sozialdemokratischen Grundsätzen und unserem Verständnis von Kommunalpolitik nicht vereinbar ist.

Das Vertrauen in die Ausübung der politischen Ämter von Marcus Held ist in weiten Teilen der Bevölkerung und der SPD schwer beschädigt. Wir erwarten, dass sich Marcus Held seiner politischen Verantwortung mit der gebotenen Konsequenz stellt. Ein Rückzug von allen Ämtern ist die einzig akzeptable und verantwortungsgerechte Antwort auf den massiven Vertrauensverlust.

SPD-General ist irritiert und schwurbelt herum

Daraufhin konnte sich auch die SPD auf Landesebene nicht mehr länger in Schweigen hüllen. Auch sie war monatelang weggeduckt, wollte nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Auch gestern konnte man sich zu keiner klaren Stellungnahme durchringen: Generalsekretär Daniel Stich schwurbelte davon, dass man doch eigentlich alles zur Aufklärung getan habe, dass man Helds Krankschreibung respektiere, dass man allerdings irritiert sei von den neuen Vorwürfen. (Hier muss angemerkt werden, dass es seit langem weitaus schwerere Vorwürfe gegen Held gab und gibt – die offenbar die Landes-SPD nicht weiter interessiert, zumindest nicht irritiert haben).

Wir dokumentieren auch den Daniel-Stich-Pressetext im Wortlaut:

Die SPD Rheinland-Pfalz hat stets alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft, um zur Aufklärung der Vorwürfe gegen Marcus Held beizutragen. Eine Prüfung der Spendeneingänge der SPD Oppenheim durch die Revision des Parteivorstandes hat keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten geliefert. Dennoch wurde der Prüfbericht der zuständigen Staatsanwaltschaft übergeben. In allen Punkten, in denen die Staatsanwaltschaft ermittelt, gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Das gebietet ein rechtsstaatliches Vorgehen. Auch die Krankschreibung von Marcus Held respektiere ich selbstverständlich.

Die neuen Vorwürfe auf Grundlage der aktuellen Berichterstattung haben uns alle irritiert. Sie machen die ohnehin nicht einfache Situation für alle Beteiligten, gerade vor Ort in Oppenheim, noch schwieriger. Ich habe Verständnis für die Positionierung der rheinhessischen Gliederungen.

Marcus Held muss sich spätestens jetzt die Frage stellen, was er persönlich dazu beitragen kann, alle Sachverhalte schnell und restlos aufzuklären. Es liegt in seiner Verantwortung, weiteren politischen Schaden von der SPD abzuwenden. Auch die Frage, ob in Anbetracht der Situation das Ausüben seiner Ämter weiter möglich ist, muss er sich stellen.

Landesmutter Dreyer: Ich bin mehr als irritiert

Malu Dreyer, die SPD-Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, legte noch eine Schippe drauf: Hatte ihr General Stich sich „irritiert“ gezeigt, sagte die Landesmutter laut Lokalzeitung, sie sei „,mehr als irritiert“. Ansonsten sagte sie laut Zeitung exakt dasselbe wie Stich.

Torsten Kram: Held hat sich selbst erledigt

Es folgte – und damit kehren wir zurück in die Niederungen der Lokalpolitik – eine wie immer glasklare Stellungnahme von Torsten Kram. Der SPD-Mann war mal Beigeordneter von Oppenheim, hatte sich lange Zeit wegen Marcus Helds Politikstil zurückgezogen und sich erst unlängst mit donnernden Forderungen zurückgemeldet: Die ganze SPD-Clique um Held müsste verschwinden, sonst sei ein echter Neuanfang nicht möglich.

Jetzt meldete sich Kram erneut zu Wort – seine Mitteilung im Wortlaut:

Damit hat sich Herr Held selbst erledigt. Wer unter dem Deckmantel des Allgemeinwohls private Geschäfte zum eigenen Vorteil tätigt, hat an der Spitze einer Stadt, einer sozialdemokratischen Partei und als Volksvertreter ausgedient. Daher wiederhole ich erneut: Sofortiger Rücktritt von allen Ämtern und Mandaten. 

Sein Verhalten und sein Politikstil sind ein Schlag ins Gesicht all derer, die uneigennützig das Allgemeinwohl über das Privatinteresse stellen. Jetzt muss auch der oder die Letzte seiner bisherigen Anhänger verstanden haben, dass Herr Held für die Zukunft untragbar ist. 

Was die Stadt Oppenheim braucht ist eine überparteilich anerkannte Persönlichkeit, die das Vertrauen der Menschen in die Stadtpolitik wieder herstellt. Es gibt bereits erste Kontakte zwischen Parteien, Gruppen und Personen, die dieses gemeinsame Ziel verfolgen. Dazu trage ich bei!

CDU-Baldauf: Der Mann ist nicht mehr tragbar

Auch die Landes-CDU, die sich in der politischen Auseinandersetzung mit dem Oppenheim-Skandal nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, sah an diesem Dienstag die Chance, sich mal wieder in Erinnerung zu bringen. Wir zitieren die Pressemitteilung vom stellvertretenden Landesvorsitzenden Christian Baldauf im Wortlaut (leicht gekürzt):

Nach den aktuell bekannt gewordenen Spekulationsgeschäften von Herrn Held können die Spitzen der rheinland-pfälzischen SPD, also Frau Dreyer und Herr Lewentz, nicht länger abtauchen. Sie müssen endlich dem Maßstab gerecht werden, den Sie immer wieder an andere anlegen. Es geht hier um die Frage der politischen Hygiene innerhalb der SPD. Es reicht nicht, stets Empfehlungen für andere bereit zu halten, aber selbst nichts zu tun, um Verfehlungen in den eigenen Reihen aufzuklären und zu sanktionieren. Frau Dreyer und Herr Lewentz müssen Herrn Held zum Rücktritt auffordern. Er ist nicht mehr tragbar. (…)

Selbst größte Skandale wie beim Hahn oder dem Nürburgring führen nicht zu Rücktritten. Genossen schützen Genossen. Die Konsequenz ist, dass sich immer mehr Bürger abwenden. Das Verhalten der SPD-Führung schadet der Politik insgesamt und stärkt im Ergebnis nur die AfD.

Die grüne Bitz: Wir sind entsetzt!

Schließlich noch ein Beitrag von Christina Bitz, sie ist die Vorsitzende der Grünen in Rhein-Selz. Ihre Pressemitteilung ist kurz und knapp und aussagestark:

Wir sind entsetzt, dass Herr Held sein Wissen als Bürgermeister missbraucht haben soll, um sich persönlich zu bereichern. Er ist nicht länger politisch haltbar und muss zurücktreten. Darüber hinaus fordern die Grünen die schnellstmögliche und lückenlose sowie transparente Aufklärung der zahlreichen Anschuldigungen gegen den Stadtbürgermeister.

Günther tobt: Geheimnisverrat in der CDU!

Einer der wenigen, die den gestrigen Tag verfluchten, war Helds neuer Ex-Freund Thomas Günther. Der CDU-Stadtbürgermeister von Nierstein hatte am Montagabend im Ältestenrat der Verbandsgemeinde den Rücktritt von Held gefordert – und damit selbst seine engsten Parteifreunde zum Lachen gebracht: „Wir sind doch gar nicht zuständig“, wieherten sie hinter seinem Rücken.

Das aber bekam Günther natürlich nicht mit. Was ihn wurmte (und wenn den Mann was wurmt, dann zeigt er das gewöhnlich ziemlich lautstark): Die Mail mit der Information über seine Rücktrittsforderung, die er am Montag um 22.22 Uhr an die Mitglieder seiner VG-Fraktion verschickt hatte, wurde wenig später exklusiv auf dieser Webseite veröffentlicht.

Gestern tobte Günther: Geheimnisverrat! Wer hat da getan? Da zuckten alle nur die Schulter: Weiß auch nicht…

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