Das ist ja mal eine interessante Version: Ein paar Wohnungskäufer im Baugebiet Krämereck-Süd, die ihren Kaufpreis nicht umgehend gezahlt haben, sollen für die drohende Insolvenz der HGO verantwortlich sein. Das jedenfalls schreibt die Lokalzeitung im Internet. Wir halten uns hier lieber an die Fakten: Die private Haus- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft Oppenheim (HGO) steht vor der Pleite. Schon zu Ende dieses Monats soll die Zahlungsunfähigkeit drohen. Der erst vor kurzem eingestellte Geschäftsführer Reiner Wenz hat die Einleitung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Mainz beantragt.
„Danke Marcus Held“, formulierte eine Frau sarkastisch in der Facebook-Gruppe “mein Oppenheim“, als die Schock-Nachricht bekannt wurde. Ein User schrieb, es klingt resignierend: „Der große ,finale’ Knall war doch leider absehbar.“
Die HGO steht vor dem Aus. Als Grund für die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens wurde gestern in der Öffentlichkeit verbreitet: Einige Käufer von Wohnungen in Krämereck-Süd hätten die Kaufpreise nicht überwiesen, andere würden Gelder „trotz weitgehender Fertigstellung der Häuser“ zurückbehalten.
Die Lokalzeitung „AZ Landskrone“ verbreitete diese Darstellung im Internet unter Berufung auf die HGO. Mit Verlaub: Das dürfte, auch wenn’s in der Lokalzeitung steht, großer Unsinn sein! Mag sein, dass die HGO-Verantwortlichen das wirklich so gesagt haben. Dann aber wollten sie nur ablenken von den eigentlichen Problemen, mit denen das Unternehmen in diese Situation hineinmanövriert wurde:
Die HGO, eine Tochtergesellschaft der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GWG, hatte Anfang 2017 auf Betreiben ihres damaligen Geschäftsführers Marcus Held einen sehr teuren Vertrag unterschrieben: Sie wollte von der Stadt Oppenheim – deren Stadtbürgermeister Held war – das Gradinger-Grundstück am Kautzbrunnenweg erwerben. Vorher sollte die Stadt das alte Möbelhaus dort abreißen.
Der Vertrag war eine der letzten Amtshandlungen Helds: Als Kaufpreis wurde vereinbart, dass die HGO bei Übergabe des baureifen Grundstücks sämtliche Kosten übernimmt, die bei der Stadt für Ankauf und Abriss angefallen waren.
Das Möbelhaus ist verschwunden, die Baureife des Grundstücks ist seit längerer Zeit gegeben. Doch die HGO-Verantwortlichen verweigerten die Übernahme und auch jede Zahlung. Das erhärtete den Verdacht, der seit längerer Zeit kursiert: dass das Unternehmen gar nicht mehr in der Lage sei, den Kaufpreis zu stemmen.
In dieser Woche wollte Stadtbürgermeister Walter Jertz Klarheit schaffen und dem Treiben ein Ende bereiten: Er wollte die Rechnung rausschicken. Die HGO kam ihm mit dem Insolvenzantrag zuvor.
Helds Gradinger-Phantopia – eine einzige Lüge
Es ist das vermaledeite Erbe des SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held in Oppenheim: Als Stadtbürgermeister hatte er, gestützt und abgesichert von ihm hörig ergebenen Genossen, die ganze Kommune unter seine Kontrolle gebracht. Er herrschte natürlich auch als Vorstand und Geschäftsführer über die GWG und HGO, und er gebärdete sich dort, als seien auch die Firmen seine privaten Pfründe.
In der Öffentlichkeit verbreitete er erstmals 2015, er werde für die Stadt das Gradinger-Grundstück kaufen und es dann, nach dem Abriss des Möbelhauses, an „seine“ HGO weiterverkaufen. An der Stadt werde kein Cent hängen bleiben, lautete sein Mantra, alle Kosten werde die HGO übernehmen. Über die Zeitung ließ er verbreiten, „seine“ Wohnungsbaugesellschaft müsse dank Landeszuschüssen nur 140.000 Euro aufbringen: Er werde deshalb auf dem Gradinger-Grundstück, so Helds Phantopia, jede Menge Wohnungen zu sozial verträglichen Mietpreisen errichten.
Heute wissen wir: Es war eine einzige Lüge. Auf der Internetseite zum Oppenheim-Skandalwurde das mehrmals thematisiert; am 2. September, also vor einem Jahr, war am Ende einer ausführlichen Dokumentation zu lesen:
Und so kommen wir bei unserer Spurensuche der Wahrheit näher, Schritt für Schritt, was in Oppenheim wirklich nicht einfach ist:
Wohnungen zu sozial verträglichen Preisen werden auf dem Gradinger-Grundstück vermutlich nicht entstehen. Allenfalls in ganz kleiner Zahl. Das viele Reden des SPD-Bundestagsabgeordneten und Stadtbürgermeisters Marcus Held vom sozialen Wohnungsbau, den er für wichtig und drängend halte, entpuppt sich als bloße Polit-Parole.
Immobilienexperten haben das vorhergesehen: Die Wahrheit zum Gradinger-Deal, so lautet ihre Prognose, werde sehr bitter und vermutlich äußerst schmerzhaft sein.
Eines Tages wird die Wahrheit auf den Tisch kommen, ganz bestimmt.
Heute heißt es, das großspurige Projekt würde sich selbst dann nicht rechnen, wenn man alle geplanten Wohnungen eines Tages teuer würde verkaufen können. Denn die Kosten für Grundstückskauf und Abriss des Möbelhauses sind inzwischen auf 1,8 Millionen Euro explodiert – mindestens.
Neue teure Experten und viel Geheimniskrämerei
Die Stadt ist in Vorleistung getreten, die HGO müsste übernehmen. Doch der gewaltige Brocken ist, Fachleute haben das kommen sehen, viel zu groß für das kleine Unternehmen. Im Blog „Rheinhessen-Storys“ wurde bereits vor zwei Wochen aufgedeckt, dass Banken deshalb (wohlgemerkt; deshalb – nicht wegen zurückbehaltener Kaufpreise im Krämereck-Süd) aufgeschreckt sind und in größter Sorge Kredite in sechsstelliger Höhe für diesen Monat fällig gestellt haben sollen. Auch wurde berichtet, dass die GWG/HGO Insolvenz-Spezialisten aus Frankfurt und Hofheim am Taunus engagiert habe.
Sonderlich erfolgreich, so heißt es jetzt, können die Experten nicht gewesen sein. Jedenfalls fanden sie keinen Investor, der das Gradinger-Grundstück für knapp zwei Millionen übernehmen wollte. Ein teurer Erkenntnisgewinn: Die Sanierungsberater sollen deutlich mehr als 100 Beratungsstunden in Rechnung gestellt haben.
In der Folge wurde, vor wenigen Tagen, Reiner Wenz als Geschäftsführer angeheuert. Der Mann genießt als knallharter Sanierer und Firmen-Abwickler einen Ruf wie Donnerhall. Als erste Amtshandlung ließ er alle Mitarbeiter von HGO und GWG eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Schon Held hatte keinen Außenstehenden in seine Geschäfte für und mit der GWG/HGO reinblicken lassen. Die professionalisierte Geheimniskrämerei von Wenz – eigentlich überflüssig, denn zur Verschwiegenheit sind die Mitarbeiter schon von Gesetzes wegen verpflichtet – wird ihre Gründe haben…
Investor-Suche bleibt vermutlich an der Stadt hängen
Was bedeutet die Pleite nun konkret – für die GWG/HGO, für Oppenheim, für Mieter und Käufer von GWG/HGO-Wohnungen?
Das Amtsgericht Mainz wird in den nächsten Tagen einen Insolvenzverwalter bestimmen. Der wird unter anderem schauen, ob noch irgendwo Geld zu holen ist. Das könnte vielleicht ein kleiner Glücksfall für Oppenheim sein: Schadensersatzforderungen gegen Marcus Held würden dann vielleicht endlich konsequent verfolgt. Bei der bisherigen GWG/HGO-Führung aus alten Held-Getreuen vermutete man eher das Gegenteil.
Auf die Erfüllung des Gradinger-Vertrags wird der Insolvenzverwalter vermutlich in Ausübung seines Wahlrechts nach § 103 InsO verzichten. Das bedeutet: Die Stadt, und das ist der große Nachteil dieser Insolvenz, wird dann auf dem Grundstück und damit auf allen Kosten sitzen bleiben. Sie kann dann natürlich selbst einen Investor suchen, was aber schwierig werden dürfte, denn das hat die HGO schon nicht geschafft (was allerdings nicht weiter verwunderlich ist, nachdem Held als Stadtbürgermeister für große und größte Kosten gesorgt hat – Maklercourtage, merkwürdig beeinflusste Vergabe der Abrissarbeiten und schließlich Nachträge über Nachträge…).
Schon heißt es in Polit-Kreisen: Wenn ein Investor ein tragfähiges Konzept mitbringe, könne man sich durchaus vorstellen, eine Geschossfläche mehr zu genehmigen. Dafür aber müsste der Bebauungsplan geändert werden, das ist nicht unumstritten bei der engen Nachbarschaft in der Vorstadt, und es ist keinesfalls rechtlich gesichert, dass eine solche Bebauungsplanänderung überhaupt im Einklang mit dem Landesrecht bewerkstelligt werden könnte.
Auf alle Fälle wird die Stadt erst einmal weiter Geld für das verkorkste Gradinger-Projekt ausgeben müssen: Das Grundstück muss gesichert, Grundwasser muss weiterhin abgepumpt werden… Wenn am Mittwoch dieser Woche der Stadtrat tagt, soll das Thema auf den Tisch: Die Verwaltung will die bereits stehenden Bauzäune und Pumpen kaufen, hat angeblich einen vernünftigen Preis ausgehandelt.
Jene Oppenheimer, die in Krämereck-Süd Wohnungen der HGO gekauft haben, müssen natürlich bangen: Ist der Bauträger pleite, ist auch die Gewährleistung am Ende. Angeblich gibt es etliche schwerwiegende Baumängel, vor allem mit Fenstern soll es Probleme geben. Auf diesen Schäden blieben die Wohnungseigentümer im Insolvenzfall sitzen. Andererseits: Einige haben ja offenbar noch nicht den vollen Kaufpreis bezahlt. Angesichts offenkundiger Mängel wird sich HGO schwertun, das Geld von ihnen einfordern.
Insolvenz soll die GWG retten – wirklich wahr?
So sind, abgesehen vom Gradinger-Projekt und den Millionen-Kosten für die Stadt, die unmittelbaren Folgen einer HGO-Pleite für die Menschen in Oppenheim – zunächst einmal. Die Zeitung zitiert den städtischen Beigeordneten Helmut Krethe, der nach Helds Sturz im März dieses Jahres als dessen Vertrauter in den GWG-Vorstand aufgenommen wurde: Man sei in die Insolvenz gegangen, um Schaden von der Muttergesellschaft abzuwenden. „Wir wollen die GWG retten, keiner von uns will die Genossenschaft gefährden.”
Können wir das glauben? Durch die Stadt schleicht die Angst, dass sich der neue Geschäftsführer Wenz als nächstes die GWG vorknöpfen werde – zumal es dort Einstandsverpflichtungen (Bürgschaften) für die HGO zu geben scheint. Wenz sitzt bereits, neben den lokalen Held-Vertrauten Marco Meidinger und Helmut Krethe, im Vorstand der Genossenschaft.
Der Mann ist Sanierer. In einem Verdi-Blog heißt es über Wenz: „Während seiner Amtszeit fällt er weniger durch konstruktive Bemühungen zur Sanierung des Standorts auf, als vielmehr durch eigenmächtige Aktionen, deren Sinnhaftigkeit oft verborgen bleibt.“ Von „wenig filigranem Führungsstil“ ist die Rede, den der Mann schon mal “durch eine Kettensäge” ersetze. Und weiter: „Reiner Wenz lässt sich die Rolle des gedungenen Abwicklers vermutlich fürstlich entlohnen, bevor er weiterzieht, um der nächsten Firma als Interimsmanager ,beizustehen’. Die Belegschaft sollte dann in jedem Fall schon mal auf das Schlimmste gefasst sein.“
Was hat der Mann mit der GWG vor? Was droht den Hunderten Mietern, die in GWG-Wohnungen leben, oft für wirklich geringe Mieten?
Wenz hat sich zu seiner Arbeit und zu seinen Plänen noch nicht öffentlich zu Wort gemeldet – bis auf den heutigen Tag, als er die Zeitung schreiben ließ: „Eine Aufarbeitung der finanziellen Situation der HGO in den letzten Wochen hat ergeben, dass aufgrund von nicht gezahlten Kaufpreiszahlungen und Einbehaltung trotz weitgehender Fertigstellung der Häuser im Krämereck Süd keine weitere Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gewährleistet ist und eine dadurch drohende Zahlungsunfähigkeit zu Ende September entstehen würde.“
So macht man Stimmung in der Bevölkerung! Einfach mal behaupten, ein paar Wohnungskäufer seien verantwortlich die die HGO-Pleite – die Zeitung verbreitet’s ganz bestimmt.
Das sind, wir kennen das, Fake News made in Oppenheim: Nicht Marcus Held, auch nicht die Getreuen des geschassten SPD-Stadtbürgermeisters an der Spitze des Unternehmens sollen für den Niedergang der HGO verantwortlich sein.
Nein, in Oppenheim schiebt man die Pleite den Wohnungskäufer in die Schuhe…
Auf Facebook: 'mein Oppenheim' diskutiert über die HGO-Pleite
Auf der Facebook-Seite „mein Oppenheim“ darüber diskutiert: Kann das Zahlungsverhalten von Wohnungskäufern in Krämereck-Süd wirklich ursächlich für die Pleite der HGO sein? Wir zitieren aus drei Beiträgen:
Gert Frisch, der unlängst die Parkplätz-Verträge von Marcus Held auseinander genommen hatte, schreibt:
Soso, nicht gezahlte Kaufpreiszahlungen und Einbehaltungen sind also Auslöser der Zahlungsunfähigkeit. Könnte vielleicht auch die Unfähigkeit der Führungsriege Auslöser gewesen sein?
Die Geschäftsführung der HGO (wer war das doch gleich?) einschließlich des Aufsichtsrat(los) mussten auf den bekannten und zum Teil wohl auch berüchtigten Insolvenzler Wenz warten, der dann den Insolvenzantrag stellen musste. Es ist unglaublich mit welcher dreisten Unfähigkeit diese Leute ein Unternehmen an die Wand fahren, Bin mal gespannt welche Unternehmen und Handwerksbetriebe da vielleicht noch mit in den Abgrund gerissen werden. (…)
Sofern im Krämereck nach der Makler- und Bauträgerverordnung abgerechnet wurde, kann es sich bei nicht gezahlten Kaufpreisen lediglich um die Schlussrate handeln (i.d.R. fünf Prozent des Kaufpreises), die nach vollständiger Fertigstellung fällig wird. Da Bauträger üblicherweise rd. 15 Prozent Marge kalkulieren, schmälert eine etwaig nicht gezahlte Schlussrate zunächst einmal nur den Bauträgergewinn, führt aber normalerweise nicht zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, sofern ansonsten vernünftig gewirtschaftet wird.
Dieses vernünftige Wirtschaften setzt das Vorhandensein kompetenter Führungspersönlichkeiten voraus. Das war leider bei der HGO nicht der Fall. Vielleicht sollte die Staatsanwaltschaft mal prüfen ob hier nicht künstlich eine Zahlungsunfähigkeit vorgeschoben wird, was schlussendlich auch zu Lasten der ausführenden Handwerksbetriebe geht, die auf Ihren offenen Rechnungen sitzen bleiben.
Ich frage mich ernsthaft, was Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer der GWG/HGO beruflich machen. Kaufleute sind sie jedenfalls nicht und ehrbare schon gar nicht.
Udo Eller stellt interessante Fragen:
Dieser Insolvenzantrag wundert mich nicht wirklich. Das Ergebnis war absehbar. Das “nicht gezahlte Kaufpreiszahlungen” und “Einbehaltung trotz weitgehender Fertigstellung der Häuser im Krämereck Süd” dafür verantwortlich sein sollen… das wundert mich dann schon. In beiden Fällen wird es gute Begründungen geben, warum das so ist. Teilweise sind diese ja auch schon bekannt. In den nächsten Tagen & Wochen wird das mit Sicherheit noch thematisiert.
Es gibt eine andere Frage, die bisher noch nicht beleuchtet wurde: WO SIND DIE HGO-GEWINNE HINGEFLOSSEN?
Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat die HGO vor den Baumaßnahmen im Krämereck-Süd sechs Wohnobjekte gebaut (1x Jakob-Steffen-Plaz, 3x In den Weingärten und 2x An der Schneiderei) und verkauft. Das wird doch nicht für lau abgewickelt worden sein! Beim Gradinger-Gelände sind für die HGO noch keine Kosten angefallen (zumindest nicht in dem Ausmaß) und beim Krämereck-Süd müssten zumindest die Kosten wieder drin sein. Die Außenstände können doch nicht so hoch sein, das die GmbH in Insolvenz geht.
Also, nochmal die Frage: WO SIND DIE GEWINNE?
Michael Steinau schreibt:
Wie erbärmlich: das Grundstück eines Ehrenbürgers wird mit Maklerhilfe eines anderen Ehrenbürgers nicht an die HGO verkauft, sondern an die Stadt – wahrscheinlich wg. Landesfinanzmittelhilfe für den Abriss. Die HGO kann es trotz aller Umplanungen nicht stemmen und scheint wohl kein Geld zu bekommen… und die Stadt hockt jetzt auf dem Traumgrundstück.