Volltreffer! Marcus Held und seine Clique haben offenbar versucht, Steuergelder in fünfstelliger Höhe abzukassieren – ohne jede Gegenleistung. Erst unser beharrliches Nachfragen hat die Kreisbehörde in Ingelheim aufgeweckt und einen Kontrollbesuch machen lassen. Und wir sehen: Der Schwindel sollte wohl schnell vertuscht werden. Die alten Strukturen sind in Oppenheim wohl noch immer am wirken.
Marcus Held ist ohne Zweifel eine ausgeprägte Begabung zu bescheinigen: Er weiß, wie man schnell zu viel Geld kommen kann.
Da war der unerhört lukrative Immobilien-Deal im Baugebiet Kette-Saar, wo er ein altes Geschäftshaus kaufte und wenig später fast zum doppelten Preis wieder verhökerte – mit satten 400.000 Euro Gewinn. Dass er seine Privatschatulle auf Kosten einer caritativen Organisation füllte: Was stört’s einen Marcus Held?
Ungefähr zur gleichen Zeit sackte er auch bei einem weiteren Immobiliengeschäft in der Vorstadt (alle Details hier) einen weiteren netten Gewinn ein: Wohnhaus kaufen und kein Jahr später weiterverkaufen – macht mal eben 17.500 Euro in die eigene Tasche. Dass die Dame, der er das Haus abgeluchst hatte, nicht voll geschäftsfähig gewesen sein soll: Interessiert einen Marcus Held offensichtlich nicht. Er war da schließlich amtierender Stadtbürgermeister! Und auch Bundestagsabgeordneter (ist er heute noch)! Da darf man das doch, oder?
Der Mann weiß halt, wie’s geht. Nicht umsonst, Held sei dank, soll der SPD-Ortsverein Oppenheim einer der finanziell potentesten im Lande sein: So heißt es allüberall, Genaueres weiß man nicht, die Partei gibt sich zugeknöpft und will sich nicht in die Bücher schauen lassen, was man angesichts der vielen Gerüchte auch irgendwie verstehen kann…
Eine weitere recht clevere Idee zum Geldeinnehmen hatte Held schon vor einigen Jahren, sie entstand vermutlich aus der Frage: Kann man eigentlich auch Steuergelder einsacken, ohne dass es einer merkt?
Die Antwort erwies sich als verblüffend einfach: Die bekannte Held-Bande – Appelmann, Baumgarten, Conrad, Sittig & Co. – traf sich und gründete einen Verein. Fürwahr eine ehrenwerte Gesellschaft, nach außen hin gerierten sich die Herrschaften als großzügige Wohltäter, die nur das Allgemeinwohl im Auge haben:
Man wolle „Oppenheim als Ganzes“ voranbringen, tat man kund, man werde sich um gewerbliche wie kulturelle, soziale und infrastrukturelle Themen in der Stadt kümmern – also irgendwie um alles (was den schönen Nebeneffekt hatte, dass es ganz nach dem Geschmack des Stadtbürgermeisters war: So hatte er in der Stadt wirklich alles unter Kontrolle).
Marc Sittig führt jetzt die Geschäfte von "Oppenheim bewegt"
“Oppenheim bewegt“ ist im Vereinsregister des Amtsgerichts Mainz eingetragen (VR 40406). Dort fand sich bis vor wenigen Wochen der Hinweis, dass Markus Appelmann Vorsitzender sei. Der beteuert, er sei Ende 2016 zurückgetreten. Den Namen seines Nachfolgers wollte er nicht nennen.
Im Vereinsregister findet sich heute nur der Name des zweiten Vorsitzenden: Marc Sittig. Den kennen wir zur Genüge: Held-Intimus, Mitglied der alten SPD-Ratsfraktion, die auf zwei Köpfe geschrumpft ist.
In der SPD ist der Mann längst untendurch. Trotzdem wurde er vorige Tage in den Aufsichtsrat der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft GWG gewählt. Das untermauert den Verdacht, dass Held im Hintergrund die Fäden zog. Sittig gilt als einer seiner letzten Getreuen.
Der 43-Jährige fiel zuletzt dadurch auf, dass er – wie früher Marcus Held – in brutaler Weise gegen Andersdenkende hetzt, unter anderem auf Facebook. Letztens haben wir den SPD-Kreisvorsitzenden Salvatore Barbaro gefragt, wie er ein solches Verhalten bewerte: Ob es für ihn akzeptabel sei, wollten wir wissen, wenn sich SPD-Frontleute wie Sittig als Spalter der Stadt betätigten.
Die Antwort von Barbaro (der an diesem Freitag sein Amt niederlegte, um eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung der Kreis-SPD zu ermöglichen) war in ihrer kalten Kürze vernichtend: „Herrn Sittig erreiche ich mit meinem Appel ganz offensichtlich nicht. Allerdings wundert es mich auch nicht.“
„Oppenheim bewegt“ nannten sie ihren Verein, wir haben darüber schon einmal geschrieben: „Oppenheim bewegt – vor allem ganz viel Geld“. Denn in Wahrheit hatte der Verein, das dürfen wir aus seinen raren Veröffentlichungen sicher ableiten, nur die Ehrenamtsförderung des Kreises Mainz-Bingen im Visier: Dabei handelt es sich um einen randvoll gefüllten Geldtopf, aus dem der ziemlich reiche Landkreis ausgewählte Vereins-Projekte unterstützt. Man wolle damit, so ist auf einer Internetseite nachzulesen, jenen Bürgern Dank sagen, „die sich mit viel Engagement, Kraft und vor allem Zeit für das Gemeinwohl engagieren“.
Das ist grundsätzlich natürlich eine gute Sache, wenn sie denn ordentlich funktionieren würde. Aber daran müssen heute große Zweifel bestehen: Offenbar können sich Vereine, wenn sie denn nur abgebrüht genug vorgehen, viel Geld aus der Ehrenamtsförderung einverleiben, ohne eine entsprechende Gegenleistung erbracht haben zu müssen. Die Verwendung der Gelder wird nämlich so gut wie nicht kontrolliert: Das könne die Kommunalaufsicht gar nicht leisten, verlautbart aus der Kreisbehörde: zu viele Projekte, zu wenig Personal.
Ein paar Mal haben Marcus Held und seine Bande tief in den Topf gelangt. Eine Verpflichtung zur Transparenz, wie viel Geld von den gewährten Zuschüssen wirklich wofür ausgegeben wurde, zählt leider nicht zu den Förderbedingungen der Ehrenamtsförderung und findet sich auch nicht in der Vereinssatzung.
Und so konnte „Oppenheim bewegt“ schließlich eine ganz dreiste Abzocke landen: Mit der Begründung, man werde einen Versammlungsraum in der alten Güterhalle am Oppenheimer Bahnhof einrichten, beantragte man 20.000 Euro. Das war im März 2016.
Überzeugungskraft liegt im Detail. Der Verein legte eine äußerst präzise Berechnung der angeblichen Umbaukosten vor: Man rechne mit 39.919,70 Euro, so hieß es in dem Antrag, der vom Stadtrat an den Kreis weitergeleitet und dort abgesegnet wurde.
Seither hat kein Mensch in Oppenheim jemals wieder nach dem 40.000-Euro- Versammlungsraum gefragt. Auch für die tatsächliche Verwendung der Gelder, die der Verein vom Kreis (Landrat damals: Held-Freund Claus Schick, SPD) zugesagt bekommen hatte, interessierte sich kein Mensch mehr. Hatte der Verein das viele Geld bereits einkassiert? Und wenn ja: Was hatte er damit gemacht?
Der perfekte Deal: Fünfstellig abkassieren – und keinen stört’s!
Wir haben uns erlaubt, dem nachzugehen. Und haben es am Ende tatsächlich geschafft, die Kreisverwaltung (Landrätin heute: Dorothea Schäfer, CDU) aufzuwecken: Die Behörde hat auf unser beharrliches Nachfragen reagiert.
Hier die Chronologie der Aufdeckung eines versuchten Abzockmanövers der Held-Clique:
Am 1. Februar dieses Jahres fragten wir schriftlich bei der Kreisbehörde nach, ob wirklich Geld ausgezahlt worden sei für einen Versammlungsraum, von dem uns kein Mensch in Oppenheim sagen könne (oder wolle), wo er sich befinde.
Acht Tage brauchte man in Ingelheim für eine sehr knappe Antwort: Es handele sich „um ein laufendes Verfahren“. Der Verein habe 10.000 Euro „nach Beginn des Projektes ausgezahlt“ bekommen. Das sei allerdings nie kontrolliert worden, was aber nun nachgeholt werde: „Sollte das Projekt nicht beendet werden, wird die restliche Fördersumme nicht ausgezahlt und der ausgezahlte Betrag zurückgefordert.“
Einschub zur Erklärung: Tatsächlich heißt es in den Statuten der Kreisverwaltung, dass die Zuschüsse zur Ehrenamtsförderung nur ausgezahlt werden dürfen, wenn das Projekt begonnen wurde. Inwieweit in Oppenheim tatsächlich im Jahr 2016 mit der Einrichtung des Versammlungsraumes begonnen wurde, lassen wir hier mal offen: Das wurde nie kontrolliert.
Aber der Verein, das wussten wir nach der Antwort der Kreisverwaltung, hatte im Jahr 2016 die erste Hälfte des Zuschusses – 10.000 Euro – eingesteckt. Was hatte er mit dem Geld getan? Warum hatte er nicht auch die zweite Hälfte des zugesagten Zuschusses abgerufen? Noch einmal: Gab es den Versammlungsraum überhaupt? Am Güterbahnhof war nichts zu sehen…
Ende Februar haben wir noch einmal beim Kreis nachgefragt, nun lautete die Antwort:
„Nach der Sichtung von Unterlagen, die aus Sicht des Vereins den Baufortschritt dokumentieren sollen, gibt es bei der Kommunalaufsicht noch Klärungsbedarf.“
Wir haben darüber berichtet. Wir haben auch geschrieben, dass die Angelegenheit vielleicht noch ein weiterer Fall für den Staatsanwalt werden könne: wenn ein Verein Steuergelder unter falscher Angaben vereinnahmt…
Und da hat die Held-Bande plötzlich ganz schnell reagiert! Es kam Bewegung in die Sache: Anfang März berichteten Leser, dass in der alten Güterhalle gewerkelt werde. Handwerker seien vor Ort, laut den Handwerkern solle ein Büroraum eingerichtet werden, seltsamer Weise ohne Toiletten…
Anfang Juni schließlich teilte dann auch die Kreisverwaltung mit: Im März (!) habe man bei einem Vor-Ort-Termin festgestellt, „dass die Arbeiten am Umbau laufen“.
Umbau im März – seither sind mehr als drei Monate vergangen: Hat wer den Versammlungsraum inzwischen gesehen? Gar nutzen können? Wir wissen es nicht: Die Fenster in der alten Güterhalle sind blickdicht verschlossen: Sieht eher so aus, als solle keiner sehen, wie’s drinnen aussieht…
Der Kreis beteuert, ohne ins Details zu gehen: „Den Versammlungsraum in der alten Güterhalle am Bahnhof gibt es wirklich. Und er soll allen Oppenheimer Vereinen zur Verfügung stehen.“
Da sind wir aber mal gespannt, wann das geschieht! Die zweite 10.000-Euro-Rate von dem beantragten 20.000-Euro-Zuschuss wurde übrigens noch nicht abgerufen. Bei der Kreisverwaltung heißt es: Über die Höhe der tatsächlichen Investition könne man derzeit keine Aussage machen. „Der Verwendungsnachweis und die Rechnungen werden noch eingereicht.“