Hansjürgen Bodderas liebt, viele Oppenheimer wissen das, den pastoralen Auftritt. Der studierte Theologe erzählt gerne allüberall, dass er als „Prädikant“ in der evangelischen Kirche im Einsatz sei, also als eine Art Hilfsprediger mit der Lizenz zum Feiern von Gottesdiensten und, dank Belegung eines Zusatz-Kurses, auch zur Leitung von Hochzeiten und Beerdigungen. Über Facebook verbreitet er zudem regelmäßig biblische Sprüche, die er bevorzugt mit selbst erdachten Erläuterungen ausschmückt.
„Herr du erforschst mich und du kennst mich“, verkündete er unlängst seiner Internet-Gemeinde, und dann ergänzte er den Vers aus Psalm 139 um die zentrovertierte Erkenntnis: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass Gott mich besser kennt und erforscht hat, als ich das selbst je getan habe.“
Worte des Hansjürgen Bodderas, denen wir nach seinem jüngsten Auftritt unbedingt Glauben schenken wollen:
Der sich im weltweiten Internet als lutherischer Digital-Missionar gebärdende 62-Jährige hat sich im überschaubaren Kosmos seiner Stadt Oppenheim längst feudal eingerichtet – als (gut bezahlter) Stadtbürgermeister-Stellvertreter sowie als (sehr gut bezahlter) Tourismus-GmbH-Geschäftsführer. Sein Mandat als SPD-Stadtrat hingegen, für das er nur mit mageren 25 Euro pro Sitzung entlohnt wird, gab er jetzt ab, was für Insider der aktuellen Oppenheimer Polit-Szene nicht sonderlich überraschend kam:
Ein Leser dieser Webseite hatte in einem Kommentar darauf hingewiesen, dass der SPD-Mann von Rechts wegen gar nicht Mitglied des Stadtparlaments sein dürfe. Als Geschäftsführer der Tourismus GmbH könne er nicht einem Gremium angehören, das seine GmbH zu kontrollieren habe: Das hätten Gerichte anderorts längst klargestellt.
Es vergingen nur wenige Tage nach diesem Kommentar: Da entschied Bodderas, sein Ratsmandat aufzugeben. Die örtliche Presse wurde nicht informiert, wir haben vor einer Woche exklusiv auf dieser Webseite darüber berichtet.
Alles wäre gut und ein demissionierter Ratsherr Bodderas ein zu vernachlässigender Teil der Oppenheimer Polit-Geschichte, wenn sich der Hilfsprediger nicht in einer öffentlichen Erklärung an seine Facebook-Gemeinde gewandt hätte. Nur wenige Stunden vor der Ratssitzung am Donnerstagabend, wo seine Mandatsniederlegung offiziell verkündet wurde, tat er in dem Internet-Netzwerk in gewohnt salbungsvoller Manier kund:
„Ich werde heute mein Stadtratsmandat niederlegen. Ich tue das, weil ich in nächster Zeit verschiedene Untersuchungen habe und mir eine Operation bevorsteht, die allerdings auch akut werden könnte und dann schnell erledigt werden müsste. Deswegen habe ich das Amt als Stadtrat abgegeben, damit meine Stimme, auch wenn ich nicht da sein sollte, nicht verloren geht…“
Erster Gedanke: Armer Bodderas! Eine OP droht! Gesundheit geht immer vor, also eine gute Entscheidung: Tritt kürzer, Mann!
Doch dann hörte man ein Munkeln in SPD-Reihen, das Leiden sei gar nicht so gravierend, und es drängte sich ein zweiter Gedanke mit Macht vor: Wird hier vielleicht ein medizinischer Eingriff instrumentalisiert, um unliebsame Fragesteller von vornherein mundtot zu machen? Wird auch hier – wie bei Marcus Held gelernt – eine Opferrolle inszeniert, die gegen jegliche Kritik immunisiert?
Kurzum: Warum hat Bodderas uns nicht einfach gesagt, dass Job und Mandat nicht zueinander passten und er deshalb sein Mandat abgegeben habe?
Die Bodderas-Begründung, seine Stimme solle nicht verloren gehen, entlarvt sich schon bei flüchtiger Betrachtung als nur billig und vorgeschoben: Seine SPD-Fraktion verfügt im Stadtrat über zwölf Mandate, hinzu kommt die Stimme von SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held, und dann kann man sich auch noch stets auf die Unterstützung des parteilosen Beigeordneten Helmut Krethe verlassen. Die Opposition aus CDU und AL dagegen verfügt zusammen über gerade mal neun Mandate.
Womit klar ist: Eine zeitweilige Abwesenheit des SPD-Mannes wegen eines operativen Eingriffs hätte keinerlei Einfluss auf irgendwelche Abstimmungsergebnisse. Zumal in diesem Jahr nur noch eine einzige Sitzung im Dezember ansteht.
Wenn Bodderas wegen einer eventuell anstehenden Operation ernsthaft um seine Schaffenskraft bangen würde, dann wäre ein Rücktritt nicht als Ratsherr, sondern als Erster Beigeordneter angebracht und konsequent gewesen.
Aber daran denkt der gute Mann offenbar nicht. Das war auch nicht anders zu erwarten, sagen Oppenheimer, die ihn kennen, schließlich bringe ihm der Beigeordneten-Job knapp 10.000 Euro im Jahr ein, was ein durchaus nettes Zubrot zum 70.000-Euro-Gehalt sei, das er als Geschäftsführer der Tourismus GmbH kassiere.
Es dürfte jedoch nicht allein der schnöde Mammon sein, der einen Bodderas am Rathaus-Posten festhalten lässt: Als Erster Beigeordneter ist er der erste Stellvertreter des Stadtbürgermeisters, er gilt als dessen Intimus, der widerspruchslos akzeptiert, was der Herr befiehlt. Marcus Held wird in diesen für ihn so schweren Zeiten kein Interesse daran haben, sich einen neuen Adlatus fürs Rathaus suchen zu müssen. Schon allein aus diesem Grund, heißt es in SPD-Kreisen, müsse Bodderas weiter im Amt bleiben – angeblich auf Geheiß des Stadtbürgermeisters, trotz einer vielleicht anstehenden Operation.
Von alledem hat Hansjürgen Bodderas in seiner Facebook-Botschaft leider nichts erzählt. Selbst die „Allgemeine Zeitung Landskrone“, bekanntlich stets bemüht, mit der Stadtspitze im Konsens zu bleiben, plagen inzwischen große Zweifel an der Wahrhaftigkeit des selbsternannten Gutmenschen, dessen spirituales Gewese sich nun des Vorwurfs der Scheinheiligkeit erwehren muss:
„Warum gibt der Erste Beigeordnete Bodderas gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, sein Stadtratsmandat ab?“, fragt die Lokalredakteurin ganz unverblümt. „Sind es wirklich nur gesundheitliche Gründe – oder könnte es daran liegen, dass die Rechnungsprüfer auch bei der stadtnahen Tourismus GmbH, deren Geschäftsführer Bodderas (Stichwort: Ämterhäufung) ist, genau hinschauen?“
Es wird wieder höchste Zeit für ein Bibelwort! Wir lesen im 1. Brief des Johannes, 1,6: „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.“
Auf erklärende Worte des Laienpredigers Bodderas sind wir gespannt!