Oppenheimer Verträge: So wird die Stadt abgezockt

An diesem Sonntag wird in Oppenheim ein neuer Stadtbürgermeister gewählt. Es ist der Stadt zu wünschen, dass möglichst viele Bürger zur Wahl gehen, mit „Ja“ für den einzigen Kandidaten Walter Jertz stimmen und so ein deutliches Zeichen setzen: Im Oppenheimer Rathaus muss endlich aufgeräumt werden! Dringend! Auch aus diesem Grund: In dem historischen Gemäuer an der Merianstrasse liegen jede Menge Vertragswerke, die Marcus Held unter Verschluss gehalten hat und nur wenige Vertraute seiner Clique einsehen ließ. Einige dieser Dokumente wurden uns jetzt zugetragen, und sie untermauern den Verdacht: Verträge aus der Held-Ära können die Stadt noch verdammt teuer zu stehen kommen – wenn nicht schleunigst mit juristischem Sachverstand eingegriffen wird.

Baumgarten-Vertrag: Freibrief zum Abkassieren?

Vor kurzem bekamen wir ein Paket aus Oppenheim zugeschickt. Darin lag, eingewickelt in hellbraunem Packpapier, ein dunkelgrauer Aktenordner. Und darin waren, grob geschätzt, mehr als 600 DinA-4-Seiten abgeheftet:

Es handelt sich im Wesentlichen um Kopien von Rechnungen, die aus dem Oppenheimer Stadtsäckel bezahlt wurden. Absender in fast allen Fällen: Rudolf Baumgarten mit seiner sogenannten „Planungsgemeinschaft für Umwelt Technik“ (PlangUT) und das Mainzer Bauunternehmen Hebau GmbH.

Die Unterlagen stammen allesamt aus der Verwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz (VG), also aus jener Behörde, aus der vor gut einem Jahr bis heute unbekannte Mitarbeiter jede Menge Papiere vor allem zu Grundstücksgeschäften in Krämereck-Süd herausgetragen hatten. Die Dokumente bündelten sie damals zu einem Dossier und alarmierten Behörden und Journalisten. Daraufhin entstand diese Webseite, der Landesrechnungshof rückte an, und die Staatsanwaltschaft in Mainz leitete ungewöhnlich viele Ermittlungsverfahren gegen Stadtbürgermeister Held sowie VG-Chef Klaus Penzer ein:

Der Oppenheim-Skandal war aufgeplatzt wie ein eitriges Geschwür! Erst vor wenigen Wochen, nach Helds Rücktritt im März dieses Jahres, war der Weg frei für Aufklärung und Aufarbeitung, die allerdings mit Held-Freund Helmut Krethe an der Stadtspitze kaum möglich sind und deshalb zwingend einen neuen Rathauschef verlangen.

Die Weichen sind gestellt, an diesem Sonntag ist Stadtbürgermeister-Wahl – Heilung ist damit absehbar. Aber bittere Pillen muss der „Patient Oppenheim“ wohl noch einige Zeit schlucken:

Mehr als 600 Kopien von Rechnungen von Rudolf Baumgarten und der Hebau GmbH schmuggelten Whistleblower aus der VG-Verwaltung.

Darauf deuten die Unterlagen hin, die jetzt wieder aus der VG-Verwaltung heraustragen wurden. Einzig denkbares Motiv: Behördenmitarbeiter sind offenbar in großer Sorge, dass im Oppenheimer Rathaus unter Führung des Held-Getreuen Helmut Krethe Unterlagen manipuliert werden oder gar verschwinden könnten.

Die nun aufgetauchten Rechnungskopien bedürfen einer intensiven Überprüfung, was naturgemäß dauert. Doch obendrauf lag noch ein kleines „Extra“, das wir schon heute etwas genauer anschauen wollen: Es handelt sich um den Vertrag, den Marcus Held mit Rudolf Baumgarten abgeschlossen hat.

Rudolf Baumgarten: Der Mann ist SPD-Bürgermeister in Uelversheim. Er mischt trotzdem in Oppenheim überall und jederzeit mit, vornehmlich im Hintergrund. Baumgarten gilt als enger Vertrauter von Held, tritt im Namen der Stadt als Planer von Gebäuden, Straßen und Baugebieten auf – und konnte dank Held auch noch als Makler abkassieren (hier). Er ist Miteigentümer der umstrittenen Oppenheim Tourismus GmbH, die seit Jahren mit Einwilligung des einstigen Stadtbürgermeisters städtische Geldquellen ausbeutet (hier). Baumgartens Name taucht auch in dem von Held initiierten Verein „Oppenheim bewegt“ auf, der in völliger Intransparenz mit ziemlich viel Steuergeld jongliert (hier).

Nahezu grotesk mutet Baumgartens Tätigkeit bei der ins Schlingern geratenen Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft GWG Oppenheim an: Als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats müsste er die Tätigkeit des Vorstands kontrollieren. Vorstandsvorsitzender war über viele Jahre und bis vor kurzem sein Kumpel Marcus Held. Die Frage, wie Baumgarten angesichts seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von Held dessen Tätigkeit bei der GWG/HGO wirkungsvoll beaufsichtigen konnte, wurde nie beantwortet.

Die freundschaftliche Nähe zwischen den beiden Genossen führte auch dazu, dass der Privatunternehmer Baumgarten ein Büro im städtischen Rathaus beziehen durfte (wie zwei andere Unternehmen auch), dies auch noch zu Sonderkonditionen, wie der Landesrechnungshof festgestellt hat. Nun ist Held weg, aber Baumgarten sitzt immer noch da. Angeblich hat die Stadt, vertreten durch Helmut Krethe, die Firmenchefs im Rathaus gebeten, eine Mieterhöhung zu akzeptieren. Die Herren sollen, wen wundert’s, abgelehnt haben.

So ist er, der Rudi Baumgarten. Und weil man so gut miteinander konnte, in der Partei, im Rathaus, in Firmen und Vereinen, eben deshalb hat der Marcus dem Rudi auch einen richtig guten Vertrag gegeben. „Dienstleistungsvertrag“ steht oben drüber, es ist ein dürftiges Werk, umfasst gerade mal zweieinhalb Seiten und sieht aus, als habe jemand einen Blanko-Vertrag aus dem Internet geladen und schnell mit ein paar Eintragungen angefüllt. So mutet dieser Vertrag wie ein Freibrief zum Abkassieren an: Elf magere Paragrafen verraten, warum nahezu sämtliche städtische Baumaßnahmen von Baumgarten gesteuert wurden (und wohl auch noch werden):

Paragraf 1 des Vertrages sieht vor, ganz allgemein, dass Baumgarten die Stadt Oppenheim („vertreten durch Herrn Stadtbürgermeister Marcus Held“) planerisch und organisatorisch bei der Instandhaltung und Sanierung städtischer Liegenschaften „unterstützt“. Konkret geht es um „Gebäude/bauliche Anlagen, stadteigene Straßen/Wege/Plätze inkl. Entwässerungsarbeiten“. Es geht also eigentlich um alle städtische Bauarbeiten, die doch eigentlich originär in die Zuständigkeit der Bauverwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz fallen, wofür die Stadt schließlich auch eine Umlage an die Verbandsgemeinde zahlt.

Baumgarten soll, so sieht es Paragraf 2 vor, folgende Leistungen erbringen: „Planung, Bauleitung und Kontrolle, Rechnungsprüfung, Abrechnung“. Man kann durchaus sagen: Mit dieser Vereinbarung war Baumgarten vom Stadtbürgermeister zum obersten städtischen Bauaufseher gemacht worden.

In Paragraf 3 des Vertrages wurde als Vergütung für Baumgarten ein Stundensatz von 55 Euro festgelegt, „zzgl. der Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe und einer Nebenkostenpauschale von 6,5%“. Eine Begrenzung der Stundenzahl ist nicht vorgesehen.

Kontrolle? Ja, die soll’s natürlich geben: Zeit und Ort der Leistungserbringung, so lesen wir in Paragraf 4, „vereinbaren die Vertragsparteien im Einzelnen einvernehmlich“. Laut Paragraf 5 muss Baumgarten „auf Anforderung“ Bericht über seine laufende Arbeit und deren Ergebnisse erstatten. Natürlich an den Stadtbürgermeister, also an Marcus Held, seinen Parteifreund.

Fürwahr ein toller Job! Zumal ohne jedes Risiko für den Auftragnehmer: Auf einen Paragrafen, der Baumgarten zu irgendeiner Haftung verpflichtet hätte (oder zumindest zum Abschluss entsprechender Versicherungen), hat Marcus Held großzügig verzichtet.

Um kurz aufzuzeigen, wie dank eines solchen Vertrags abgerechnet werden konnte, schauen wir uns eine beliebige Rechnung aus dem Aktenordner an:

Am 10. August 2016 schickte Baumgarten eine Rechnung ans Rathaus, sie betraf den „Leistungszeitraum Januar 2016“, als wohl ein Straßeneinlauf in der Mainzer Straße zu reparieren gewesen war. Baumgarten rechnete ab: 1 Stunde Ortsbesichtigung; 1,5 Stunden Angebotseinholung; 2 Stunden Bauleitung; 1 Stunden Bauleitung-Abnahme; 0,5 Stunden Rechnungsprüfung. Macht unterm Strich 418,23 Euro.

An jenem 10. August 2016 schickte Baumgarten, ausweislich der vorliegenden Unterlagen, mindestens drei weitere solcher Rechnungen ins Rathaus. Die ausgeführten Arbeiten lagen allesamt mehrere Monate zurück: Wer wollte da noch die Richtigkeit prüfen können?

Im Oppenheimer Rathaus hatte man damit keine Probleme: Mit Datum vom 11. August 2016 – das ging echt fix! – bestätigte Marcus Held samt Stempel und Unterschrift „die Richtigkeit der Lieferung-Leistung“ auf allen Baumgarten-Rechnungen und schickte die Papiere weiter an die Verwaltung der Verbandsgemeinde, wo man für die Überweisung zuständig ist.

Während Marcus Held alle Baumgarten-Rechnungen schwungvoll abzeichnete (unten im Bild), bestätigten VG-Mitarbeiter nur noch die rechnerische Richtigkeit – eine Art stiller Protest.

Im Rondo waren einige Mitarbeiter aber offensichtlich skeptisch geworden: Früher stempelten sie solche Rechnungen als „Fachtechnisch richtig“ ab und setzten ihre Unterschrift darunter – das Geld konnte überwiesen werden. Zuletzt schrieb der zuständige Sachbearbeiter nur noch handschriftlich „Rechnerisch richtig“ darunter und zeichnete ab. Das dürfte als klares Signal zu werten sein: Verantwortung für diese Art unkontrollierbarer Rechnungen aus dem Oppenheimer Rathaus wollte in der VG-Verwaltung keiner mehr übernehmen, zumindest nicht in den unteren Etagen.

VG-Chef Klaus Penzer sei nie eingeschritten, heißt es heute in der VG-Verwaltung. Er wollte angeblich keinen Ärger mit seinem Parteifreund Marcus Held. Aber das ist ein anderes Thema…

Der Vertrag zwischen Held und Baumgarten wurde ausweislich der vorliegenden Unterlagen am 10. Dezember 2010 unterschrieben und trat zum 1. Januar 2011 in Kraft. Aber auch hier gilt: Was heißt das schon in Oppenheim? Die Whistleblower in der Verwaltung der Verbandsgemeinde, die das Dokument nach draußen geschmuggelt haben, merken an:

Der Vertrag sei der VG-Verwaltung erst nach Helds Rücktritt und nur auf ausdrückliche Anforderung vorgelegt worden. Die Whistleblower: „Für die Richtigkeit des Ausstellungsdatums können wir keine Garantie übernehmen.“ Soll wohl heißen: Was im Oppenheimer Rathaus derzeit abgeht – wer weiß das schon…

Parkplatz-Vertrag: Millionen-Schaden für die Stadt?

Oppenheimer Straßenrecht: Wer ohne Parkschein sein Auto parkt, den schleppt die Verkehrswacht ab.

Vor einem Monat hatten wir auf dieser Webseite den Vertrag der Stadt Oppenheim mit der Verkehrswacht Parkplatz GmbH veröffentlicht: 35 Jahre lang darf das Düsseldorfer Unternehmen in Oppenheim bei den Autofahrern abkassieren. Inzwischen haben sich Fachleute das Werk etwas genauer angeschaut:

Alles deutet darauf hin, so sagten sie in einer ersten schnellen Stellungnahme, dass der Deal des früheren SPD-Stadtbürgermeisters mit dem Düsseldorfer Parkplatz-Unternehmen für die Stadt überhaupt nicht gut sei. Sie sprechen von einer „massiven und unangemessenen Benachteiligung der Stadt“. Die Stadt habe „ohne erkennbare Gründe“ auf Einnahmen verzichtet. Die Verluste für die Stadt könnten sich im Laufe der Jahre vermutlich auf einen siebenstelligen Betrag summieren.

Alle befragten Experten raten dringend zu einer zeitnahen intensiven juristischen Überprüfung.

Das Parkplatz-Thema aber ist in Oppenheim noch viel diffiziler: Wie wir schon einmal berichtet haben, gibt es hinreichende Gründe für den Verdacht, dass bei der Ausgabe von Bewohner-Parkausweisen – freundlich ausgedrückt – gemauschelt wurde. Man hört es allenthalben: Etliche Altstadtbewohner sollen, obwohl sie über einen eigenen Stell- und/oder Garagenplatz verfügen, einen Bewohnerparkausweis bekommen haben. Tickets für kostenloses Parken in der engen Altstadt wurden angeblich an Unterstützer und Freunde der lokalen SPD ausgegeben, selbst wenn kein Anspruch darauf bestand. Voraussetzung für eine derart bevorzugte Behandlung war lediglich der Besitz des richtigen Parteibuchs.

Die „Verleihung“ von Parkplatz-Ausweisen als integraler Bestandteil der von Held gepflegten Günstlingswirtschaft: Nicht allen wird’s gefallen, wenn auch hier aufgeräumt wird. Aber was wäre die Alternative?

Tourismus GmbH: Der peinliche Fehler der Juristen

Sie trafen sich vor gut einer Woche und überließen es hinterher dem amtierenden Stadtchef Helmut Krethe, die Nachricht bekannt zu geben: Die Gesellschafter der Tourismus GmbH hatten demnach ihr Unternehmen auflösen wollen. Allerdings habe ein einziger Gesellschafter, der über ein Prozent (= 1000 Euro) der 100.000-Euro-Einlage verfüge, dies abgelehnt. Deshalb sei eine Auflösung nicht möglich gewesen.

(Die Namen der Gesellschafter haben wir auf dieser Webseite bereits vor Monaten aufgedeckt: Sie finden sie hier).

Die Eigentümer der Tourismus GmbH, so schrieb jetzt die Lokalzeitung unter Berufung auf Helmut Krethe, seien bisher davon ausgegangen, dass man die GmbH mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Gesellschafter auflösen könne. Doch dann habe man „im Vorfeld zwei sich widersprechende Paragrafen in der GmbH-Satzung gefunden“. Das „juristische Dilemma“ habe man „durch Anwendung der strengeren Einstimmigkeitsklausel“ gelöst.

Mal ganz ehrlich: Wer hat das verstanden?

Wir wollten es etwas genauer wissen und haben uns deshalb die Gesellschaftsunterlagen besorgt. Damals, bei der Gründung, hatte sich die Stadt der Unterstützung der angeblich renommierten Mainzer Anwaltskanzlei Rohwedder & Partner bedient. Marcus Held schrieb vor einem halben Jahr in seiner SPD-Stadtpostille:

„Bereits 2011 wurde über die Frage der Einbeziehung Privater in das Thema Tourismus in Oppenheim gesprochen. Wir haben uns sodann der Anwaltskanzlei Rohwedder & Partner in Mainz bedient, die den Vorgang ergebnisoffen mit uns diskutiert und die Erstellung des Vertragsentwurfs vorgenommen hat.“

Und in eben diesem Vertragswerk, für dessen Erstellung sich die Mainzer Juristen sicherlich angemessen haben honorieren lassen, ist ein ganz dicker Fehler enthalten:

In Paragraf 16 („Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung“) heißt es unter Punkt 5:

„Folgende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen einer Mehrheit von 75% des abstimmenden Kapitals: a) Änderungen des Gesellschaftsvertrags b) Auflösung der Gesellschaft c) Begründung, Änderung oder Beendigung stiller Gesellschaften.“

Das ist unmissverständlich: Eine Auflösung der Gesellschaft ist möglich, wenn 75 Prozent der Gesellschafter zustimmen.

Sieben Seiten weiter aber heißt es unter Paragraf 26 („Liquidation“) gleich im ersten Satz:

„Der Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft muss einstimmig gefasst werden.“

Und das soll ein „juristisches Dilemma“ sein? Es handelt sich wohl eher um einen mega-peinlichen Patzer, der den vermeintlichen Rohwedder-Experten unterlaufen war. Er wurde auch vom Oppenheimer Notar Dr. Henning Münch nicht bemerkt, als in dessen Kanzlei der Vertrag am 16. Oktober 2012 unterzeichnet wurde. Schlampige Arbeit allenthalben: Auch dem Volljuristen Marcus Held und dem heutigen Tourismus-Beigeordneten Helmut Krethe, der sich so gerne seiner juristischen Studien rühmt, ist der krasse Fauxpas offenbar nie aufgefallen.

Wir haben einen erfahrenen Rechtsexperten dazu befragt, wie ein so dummer Fehler in einem derart wichtigen Vertragswerk passieren könne und zu bewerten sei. Seine Bewertung:

„Der Fehler basiert vermutlich auf Flickschusterei: Aus verschiedenen (in punkto Mehrheitserfordernis widersprüchlichen) Textvorlagen wurde ein Vertrag zusammengebaut, der nicht konsistent ist. Das kann passieren, ist aber ein recht markanter Fehler. Übrigens nicht nur des Anwalts, der den Entwurf verantwortet, sondern auch des Notars, der die GmbH-Gründung beurkundet hat. Allerdings ist die Haftung des Notars gegenüber der Haftung des Anwalts subsidiär.

So die Auflösung der GmbH wegen der widersprüchlichen gesellschaftsvertraglichen Regelungen blockiert ist und diese Blockade einen kausalen wirtschaftlichen Schaden (etwa bei der Stadt Oppenheim) verursacht, stehen Schadensersatzansprüche im Raum.“

Laut Helmut Krethe sei der Fehler „im Vorfeld“ festgestellt worden, also bereits vor der Gesellschafter-Versammlung. Wenn das wahr sein sollte, dann hätte die GmbH durchaus längst aufgelöst werden können, wie der juristische Fachmann weiß:

„Eine adäquate, vorausschauende Planung hätte darin bestanden, einen Notar zur Gesellschafterversammlung zu laden, um im Wege eines notariell zu beurkundenden Gesellschafterbeschlusses entweder die Korrektur des Gesellschaftsvertrags zu beschließen oder – noch zielführendender – im Wege eines sog. satzungsdurchbrechenden Beschlusses sofort die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen:

Das GmbH-Recht kennt als Rechtsinstitut den sog. satzungsdurchbrechenden Beschluss. Hier wird ohne langwierige (erst noch durch Handelsregistereintragung zu vollziehende) Änderung des Gesellschaftsvertrags einzelfallbezogen unter Beachtung der für eine Gesellschaftsvertragsänderung geltenden Regularien (Einberufung, qualifizierte Mehrheit, notarielle Beurkundung) eine gesellschaftsvertragliche Regelung durch die Gesellschafterversammlung bewusst durchbrochen.

Die Gesellschafterversammlung hätte sich also mit der für eine Gesellschaftsvertragsänderung statuierten Mehrheit von „75% des abstimmenden Kapitals“ (§ 16 Abs. 5 lit. a Gesellschaftsvertag) über das 100-Prozent-Mehrheitserfordernis des § 24 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag hinwegsetzen können. Dies mit der Folge, dass mit 75% der abgegebenen Stimmen unmittelbar die Auflösung hätte beschlossen werden können.“

Warum gingen die Gesellschafter, diese Frage steht heute im Raum, nicht diesen einfachen, den direkten Weg? Warum hat Helmut Krethe, der als amtierender Rathauschef auch Vorsitzender des Aufsichtsrates ist, die GmbH in eine Verlängerung geschickt? Jetzt soll erst am 5. Juni zunächst die Satzungsänderung vorbereitet werden – und dann im Herbst, also erst in einigen Monaten, die GmbH-Auflösung beschlossen werden. Warum diese Zeitverzögerung?

Das gewählte Verfahren – erst Änderung des Gesellschaftsvertrages, dann Auflösung – lasse jeden Pragmatismus und Beschleunigungswillen vermissen, urteilt der Rechts-Experte kühl. Kritische Stadtrats-Mitglieder argwöhnen Schlimmeres: Die Gesellschafter würden vermutlich mehr an ihr eigenes Wohl denken als an das der Stadt; sie wollten sich womöglich noch schnell über „ihr“ Unternehmen selbst bedienen.

Die Tourismus GmbH verdient ihr Geld bekanntlich auf denkbar einfache Weise: Sie generiert ihre Haupteinnahmen aus den Führungen durch den städtischen Untergrund – sie behält einfach die Eintrittsgelder ein. Auf einen Nutzungsüberlassungsvertrag zwischen der Stadt und der GmbH hatte man seinerzeit verzichtet: „Privatfirma beutet städtische Geldquellen aus“ hatten wir deshalb im letzten Jahr geschrieben; später forderte der Landesrechnungshof die Stadt auf: „Leistungen zwischen Stadt und Tourismus GmbH sind sachgerecht zu verrechnen.“

Seither wird über einen Nutzungsvertrag zumindest schon einmal nachgedacht: Die GmbH will zehn Cent pro Besucher an die Stadtkasse abführen – aber offenbar nur für dieses Jahr. „Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung haben empfohlen bzw. beschlossen, in diesem Jahr die Nutzungsentschädigung zu bezahlen“, teilte Geschäftsführer Hansjürgen Bodderas auf Anfrage mit. Und weiter: „Ich werde mit dem neuen Bürgermeister – und der sicher mit dem Stadtrat – abklären, in welchen monatlichen Abständen oder zum Jahresende das zu zahlen sein wird.“

Zehn Cent pro Besucher für die Stadt – das wären geschätzt rund 3.500 Euro im Jahr, bestenfalls. Und das nicht einmal rückwirkend? Das klingt nicht nur lächerlich, das ist es auch – vor allem angesichts der Kosten, die der Stadt bei der Unterhaltung der Keller entstehen. Einen realistischeren Ansatz hatte die Alternative Liste (AL) einmal genannt: 30.000 Euro solle die Stadt über einen Nutzungsvertrag von der Tourismus GmbH verlangen – pro Jahr. Einen entsprechenden Antrag hatte AL-Chef Raimund Darmstadt bereits im Dezember 2016 in den Stadtrat eingebracht. Der aber wurde, wie das damals üblich war, kurzerhand abgeschmettert: SPD und CDU, seinerzeit in einer Koalition vereint, lehnten ab.

Würde die Stadt auf eine angemessene Entschädigung – auch rückwirkend – von der Tourismus GmbH bestehen, könnte das bedeuten, dass bei einer Auflösung der GmbH die Gesellschafter ihr eingezahltes Kapital nicht zurückerhielten.

Begnügt sich die Stadt hingegen mit einer Mini-Entschädigung von zehn Cent und verzichtet auf alle weiteren Ansprüche, dann bliebe vermutlich ein erkleckliches Sümmchen in der GmbH-Kasse. „Dann werden sich die Gesellschafter nicht nur ihre Einlage zurückholen, sondern sich vielleicht auch noch eine nette Dividende gönnen“, mutmaßt ein Ratsmitglied.

Wir haben daraufhin Hansjürgen Bodderas gefragt, der dank eines 70.000-Euro-Gehalts als einziger Gewinner der GmbH-Gründung gilt : Wurden bisher von der Tourismus GmbH Dividenden ausgeschüttet bzw. soll das vielleicht noch geschehen?

Den ersten Teil der Frage hat der Geschäftsführer beantwortet: „Den Gesellschaftern wurden bis dato keinerlei Dividenden ausgezahlt.“

Den zweiten Teil  übersah er geflissentlich: Auf die Frage nach künftigen Dividenden gab Bodderas keine Antwort.

Vielleicht gibt’s dafür Gründe?

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