Parkplatz-Verträge: Unternehmen darf 35 Jahre lang kassieren

70 Cent kostet eine Stunde Parken in Oppenheim. Die Verkehrswacht Parkplatz GmbH als Betreiber der städtischen Altstadt-Parkplätze möchte den Preis auf einen Euro erhöhen. Wer meint, das sei zu teuer, sollte mal die Verträge lesen, die SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held mit dem Düsseldorfer  Unternehmen abgeschlossen hat! Wir nennen hier alle wichtigen Details aus den vertraulichen Behördenpapieren. Und vermuten: Das wird noch richtig teuer – und vermutlich auch ein Fall für Juristen!

Das Thema stand vor einigen Tagen im Hauptausschuss auf der Tagesordnung, und es sorgte erwartungsgemäß für Aufregung: Die Verkehrswacht Parkplatz GmbH will die Parkgebühren in Oppenheims Altstadt von 70 Cent auf einen Euro pro Stunde erhöhen. Da muckten die Ratsmitglieder dann doch auf: 70 Cent sei schon recht viel, befanden sie, und einer Erhöhung werde man nur zustimmen, wenn die Verkehrswacht GmbH die kostenlose „Brötchentaste“ einführe…

Auf welche Grundlage wird hier eigentlich diskutiert? Was darf die Stadt, was muss sie – und welche Rechte (und Pflichten) hat das Unternehmen? Ein Blick in Dokumente, die von Oppenheims Rathaus-Führung unter Verschluss gehalten werden, gibt Aufschluss:

Zwei Verträge wurden am 22. September 2006 von SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held und den Herren Bernd Stils und Bernd Beckers als Vertreter der Verkehrswacht Parkplatz GmbH aus Düsseldorf unterzeichnet. Unterm Strich sah der Deal so aus: Das nordrhein-westfälische Unternehmen (nicht zu verwechseln mit dem gemeinnützigen Verein „Deutsche Verkehrswacht“!) bekam von der Stadt ein Grundstück zum Schnäppchenpreis zur Verfügung gestellt und verpflichtete sich, dort einen Parkplatz anzulegen. Im Gegenzug darf darf die Firma seitdem auf vielen Oppenheimer Plätzen und Straßen die Parkgebühren kassieren – insgesamt mindestens 35 Jahre lang.

5135 Quadratmeter in bester Lage für nur 1 Euro im Jahr

Der erste Vertrag ist ein Erbbaurechtsvertrag und umfasst 18 Seiten. Mit diesem Dokument, das beim Notar Dr. Martin Held unterzeichnet wurde, überließ die Stadt der Verkehrswacht GmbH ein 5.135 Quadratmeter großes Grundstück nahe dem Amtsgerichtsplatz (offizielle Bezeichnung beim Grundbuchamt Mainz: Blatt 4414 Flur 20 Nr. 6/2, Landwirtschaftsfläche, Sackträger): Es handelt sich um den heutigen „Zentralparkplatz Kellerlabyrinth“.

Die Dauer des Erbbaurechts wurde auf 35 Jahre, die Höhe des Erbbauzinses auf einen Euro pro Jahr festgelegt. Penibel wurde in dem Vertrag ausgeführt: „Der Erbbauzins ist in voller Höhe fällig und zahlbar jeweils zum 01. Januar eines jeden Jahres auf das Konto des Grundstückseigentümers, welches noch anzugeben ist.“

Das Düsseldorfer Unternehmen verpflichtete sich in diesem Vertrag, auf dem Grundstück „bis spätestens 31.05.2007“ einen Parkplatz anzulegen und „während der Dauer des Vertrages zu unterhalten“.

Sollte die Stadt – auch das ist genau geregelt – vorzeitig aus diesem Erbbaurechtsvertrag aussteigen und das Grundstück zurückhaben wollen („Heimfall“), wird’s in jedem Fall teuer:

Die Stadt müsste in diesem Fall für die „Bauwerke“ – also für die Parkplätze und Technikanlagen – eine Entschädigung an die Verkehrswacht GmbH zahlen, und zwar in Höhe von zwei Drittel des aktuellen Verkehrswertes, den der Gutachterausschuss für Grundstückswerte ermitteln müsste.

Zur Klarheit sei noch einmal betont: Dieser Erbbaurechtsvertrag betrifft ausschließlich den „Zentralparkplatz Kellerlabyrinth“. Daneben wurde an jenem 22. September 2006 noch ein zweiter Vertrag abgeschlossen, und zwar ein Pachtvertrag zwischen Stadt und Verkehrswacht GmbH, der rund 200 Parkplätze in der Innenstadt betrifft.

Die erste Seite des Erbbaurechtsvertrags mit dem Düsseldorfer Unternehmen Verkehrswacht GmbH.
Die Vertragspartner, die den für Oppenheim so teuren Vertrag abschlossen.

Parkgebühr können jährlich um 10 Prozent steigen

Dieser zweite Vertrag trägt die schlichte Überschrift „Pachtvertrag“: Damit überließ Stadtbürgermeister Held dem Düsseldorfer Unternehmen die städtischen Parkplätze in der Oppenheimer Innenstadt zur Bewirtschaftung: Dort darf die Verkehrswacht GmbH seither die gesamten Parkgebühren kassieren und einbehalten – und muss im Gegenzug nicht einen einzigen Cent an die Stadt zahlen: Die Investitionskosten für den Bau eines Parkplatzes, so heißt es im Vertrag freundlich-mitfühlend, stellten bereits eine hohe finanzielle Belastung für das Unternehmen dar.

Schauen wir uns den Vertrag etwas genauer an. Er enthält elf Paragrafen, einige sind reine Formsache, die können wir hier vernachlässigen. Andere Passagen sind dafür umso aufschlussreicher.

Paragraf 1 des Vertrages nennt die „Parksache“, für die das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen fortan zuständig sein sollte:

  • Amtsgerichtsplatz (Gaustraße): 16 Stellplätze.
  • Altstadtparkplatz (Friedrich-Ebert-Straße): 26 Parkplätze.
  • Parkplatz Spitalgasse: 41 Stellplätze
  • Parkplatz am Postplatz: 31 Stellplätze
  • Mainzer-/Wormser Straße: 42 Stellplätze
  • Friedrich-Ebert-Straße: 25 Stellplätze

In Paragraf 2 („Betrieb der Privatsache“) wird angegeben, wie das Unternehmen in Oppenheim Geld verdienen kann. Die wichtigsten Passagen dokumentieren wir im Wortlaut:

  • § 2, Absatz 4 regelt die Höhe des Parktarifs, und zwar wie folgt: „Das Geschäft mit Kurzparkern wird abgewickelt auf der Grundlage eines Mietvertrages mit Ausgabe von Parkscheinen zu Einstellbedingungen und Einstellpreisen, die der Pächter in Absprache mit dem Verpächter jährlich neu festsetzt. Angestrebt wird eine Erhöhung von bis zu 10% des zuletzt gültigen Tarifs, die jeweils zum 01.04. eines jeden Jahres, insofern sich keine deutlichen Umsatzrückgänge in umliegenden Einzelhandel bemerkbar machen, wirksam wird. Zurzeit ist ein Kurzparkertarif in Höhe von 0,50 €/Stunde festgelegt. Der Pächter führt zudem eine Nachtpauschale von 1,50 € für die gesamte Zeit von 17:00 bis 09:00 Uhr ein.“
  • § 2, Abs. 5 lautet: „Die Abgabe von Stellplätzen an Dauerparker erfolgt auf der Grundlage der vom Pächter üblicherweise verwendeten Normverträge zu Preisen, die vom Pächter festgelegt werden. Ein Dauermietvertrag liegt als Muster diesem Vertrag als Anlage 2 bei. Den Mietinteressenten wird auf den hierfür ausgewiesenen Parkplätzen ein Stellplatz für zurzeit 30 €/mtl./brutto angeboten.“
  • Auch § 2, Abs. 7 ist gut für das Unternehmen: „Die Nutzung der Pachtsachen als Werbeflächen bleibt alleine dem Pächter vorbehalten. Das Nutzungsrecht für eine Werbung auf Parkscheinen steht ebenfalls dem Pächter zu.“

Paragraf 3 regelt „Mietdauer, Kündigung, Übergabe“. Hier wurde unter anderem festgeschrieben, wie lange das Düsseldorfer Unternehmen die Parkgebühren kassieren darf.

  • § 3, Abs. 1 legt den Zeitpunkt der Übergabe der Parkplätze auf den 01.01.2007, spätestens jedoch 01.05.2007 fest. Mit anderen Worten: Seit Anfang 2007 darf das Düsseldorfer Unternehmen in Oppenheim Parkgebühren kassieren.
  • § 3, Abs. 3 lautet: „Das Pachtverhältnis hat zunächst eine feste Laufzeit von 15 Jahren ab dem Tag der Übergabe. Dem Pächter wird eine viermalige Option für die Verlängerung des Pachtverhältnisses über die Festlaufzeit hinaus von 5 Jahren eingeräumt.“ Der Passus bedeutet, dass die Verkehrswacht GmbH bis mindestens Ende 2022 in Oppenheim die Parkgebühren kassieren kann. Wenn das Unternehmen will, geht das noch viele Jahre weiter – bis 2042.
  • § 3, Abs. 4 räumt der Stadt zwar ein außerordentliches Kündigungsrecht ein – aber nur für den Fall, dass der Pächter seinen Verpflichtungen trotz Abmahnung nicht nachkommt, dass die Verkehrswacht GmbH  insolvent wird oder die Nutzung der Pachtobjekte drei Monate länger ruht.

Paragraf 4 („Pachtzins und Betriebskosten“) stellt die Verkehrswacht GmbH nicht nur von Zahlungen an die Stadt frei – im Gegenteil: Die Stadt muss sogar noch zusätzliche Dienste auf den Parkplätzen erbringen:

  • § 4, Abs. 1 legt fest, dass für die Verkehrswacht GmbH keine Verpflichtung zur Pachtzahlung bestehen, „da die Investitionskosten für die Parkabfertigungsanlage und der Bau eines Parkplatzes ,am Sackträger‘ für den Pächter bereits eine hohe finanzielle Belastung bedeutet“.
  • In § 4, Abs. 3 verpflichtet sich der Verpächter – also die Stadt – dazu, „weiterhin die regelmäßige Reinigung sowie die Grünpflege der Parkplätze durch den Bauhof der Stadt Oppenheim durchführen zu lassen“. Auch muss die Stadt den Winterdienst auf den Parkplätzen sowie deren Zuwegungen „auf eigene Kosten durchführen“.

Die weiteren Paragrafen dieses Vertrages regeln u.a. den Zustand der Parkplätze bei Übergabe, die Durchführung von Instandsetzungs- und anderen baulichen Arbeiten, die Haftung und Verkehrssicherungspflicht usw.

Fazit: Grundsätzlich sieht der Vertrag, so hatte es Stadtbürgermeister Marcus Held namens der Stadt unterzeichnet, eine jährliche Erhöhung der Parkgebühren vor – und zwar um bis zu zehn Prozent. Zwar heißt es „in Absprache mit dem Verpächter“. Aber ob die Stadt einer Gebührenerhöhung ohne einen sachlich überzeugenden Grund ihre Zustimmung verweigern kann, dürfte fraglich sein. Rechtlich sei der Vertrag nicht eindeutig formuliert, sagt denn auch ein Jurist, das Werk sei „äußerst streitanfällig“. Die Parkgebühren in Oppenheim können also noch ein richtig spannendes Thema werden – und wohl auch ein sehr teures.

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