Frau Kloos und das Ende der SPD-Glaubwürdigkeit

An diesem Montag wird vorm Oppenheimer Rathaus erneut gegen SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held demonstriert. Ebenfalls an diesem Montagabend findet eine Mitgliederversammlung der lokalen SPD statt. Hier wird eine Frau, wenn sie denn noch erscheinen sollte, das große Wort schwingen wollen, wie üblich. Was sie gerne verschweigt: Sie hat bei der unverantwortlichen Plünderung der Stadtkasse mitgemacht – zum ureigenen Nutzen, weil sie selbst davon profitierte. Damit trägt sie in hervorstechender Weise Mitverantwortung für die inzwischen selbstzerstörerische Stimmungslage in der Oppenheimer SPD.

Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse, lange Jahre Präsident des Deutschen Bundestags, hat einmal einen Artikel zur Glaubwürdigkeit in der Politik veröffentlicht. Darin lesen wir:

Wer das Vertrauen der Menschen gewinnen will, muss vor allem eines sein – glaubwürdig. Und das heißt: Sagen, was man tut, und tun, was man sagt. „Man muss von Politikern erwarten können, dass Wort und Tat übereinstimmen“, so hat es Hans-Jochen Vogel auf den Punkt gebracht.

Kluge Gedanken von zeitloser Gültigkeit. Wir blenden zurück nach Oppenheim – und sehen: Stephanie Kloos, die Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat, die als enge Vertraute von Stadtbürgermeister Marcus Held gilt. Unlängst hat sie auf einer ihrer Facebook-Seiten (sie hat zwei) gepostet:

Die Aufarbeitung des Rechnungshofberichts hat begonnen. Alle Stadtratsfraktionen nehmen sich der verschiedenen Themen an und diskutieren ausgiebig und sachlich. Zahlreiche einstimmige Beschlüsse zeigen, dass wir alle unsere Aufgabe sehr ernst nehmen.

So viel Chuzpe macht sprachlos! Stephanie Kloos will den Rechnungshofbericht aufarbeiten? Und sie behauptet auch noch, sie nehme diese Aufgabe sehr ernst?

War da nicht noch etwas, was sie uns erst einmal erklären sollte? Hat sie verdrängt, was dringend nach Aufarbeitung – konkret: nach Schadensbeseitigung – verlangt?

Stephanie Kloos hat sich von Stadtbürgermeister Marcus Held ein Geschenk im Wert von 22.500 Euro machen lassen! Das Geld stand der Stadt zu: Stephanie Kloos hätte 22.500 Euro zahlen müssen, weil sie für die Ferienwohnungen in ihrem Haus an der Burgstraße keine Parkplätze anlegen wollte.

Aber dann traf sie mit Marcus Held eine schriftliche Vereinbarung. Und musste die sogenannte Stellplatzablöse nicht mehr bezahlen. Marcus Held hatte sie ihr erlassen, einfach so. Das ist umso unbegreiflicher, als beide Kommunalpolitiker genau wissen, wie es um die städtische Finanzsituation bestellt ist. Im Bericht des Landesrechnungshofes (den Frau Kloos jetzt angeblich aufzuarbeiten begonnen hat) war sie schonungslos beschrieben worden:

Aufgrund permanenter Haushaltsdefizite erheblichen Umfangs sowie einer hohen Verschuldung (…) kann die Haushaltslage der Stadt nur als desolat bezeichnet werden. (…) Die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt ist nicht gewährleistet.

Und aus dieser leergeplünderten Stadtkasse hat Frau Kloos 22.500 Euro bekommen (und genommen) – klammheimlich, hinterm Rücken des Stadtrates. Das ist die zweite Ungeheuerlichkeit: Das Geldgeschenk, das ihr der Stadtbürgermeister hat zukommen lassen, wurde ja nicht offen und für alle erkennbar übergeben. Im Bericht des Landesrechnungshofes heißt es dazu: „Eine Zustimmung zu der in die Vereinbarung aufgenommenen Erlassklausel ist nicht erkennbar.“ Die schriftliche Klausel, wonach Frau Kloos die 22.500 Euro erlassen wurden, habe ohne die „erforderliche Legitimation durch den Rat oder einen beauftragten Ausschuss“ stattgefunden.

Marcus Held und Stephanie Kloos haben den rechtswidrigen Deal gemacht wie zwei gemeine Diebe, die sich auf leisen Sohlen anschleichen, sich die Tageseinnahmen in die Tasche stecken und schnell wieder verschwinden wollen. Dumm gelaufen: Sie wurden erwischt!

Deshalb ermittelt jetzt die Staatsanwaltsanwaltschaft Mainz – gegen Marcus Held. In der Mitteilung der Strafverfolgungsbehörde liest sich das so:

Untreue, indem er am 09. Dezember 2016 mit einem stellplatzpflichtigen Bauherrn eine Vereinbarung über die Ablösung von drei Stellplätzen gemäß § 47 Absatz 4 Satz 3 Landesbauordnung in Höhe von insgesamt 22.500 Euro und zugleich über den Erlass dieser Forderung mit der Begründung getroffen haben soll, der Bauherr beabsichtige in dem fraglichen Objekt eine touristisch relevante Nutzung.

Marcus Held wird sich also vielleicht eines Tages vor Gericht verantworten müssen – und wenn’s nach Recht und Gesetz zugeht, wird er auch den Schaden wiedergutmachen müssen: Der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht festgestellt, dass „die Kompetenzüberschreitung des Bürgermeisters an der Außenwirksamkeit der Verzichtsklausel nichts ändert“, was auf gut deutsch heißt: Geschenkt ist geschenkt – die Stadt kann von Frau Kloos das Geld nachträglich nicht mehr einfordern.

Die Frau ist also fein raus. Der Stadt sei „ein Schaden von 22.500 Euro entstanden“, schreiben die Prüfer der Kontrollbehörde. Und weiter:

Schadensansprüche gegen den Stadtbürgermeister sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten geltend zu machen.

Die „Allgemeine Zeitung Landskrone“, die ihren Lesern bis heute das dubiose Geschäft des SPD-Stadtbürgermeisters mit seiner SPD-Fraktionsvorsitzenden vorenthält, hatte vor einigen Tagen bei Stephanie Kloos eine Stellungnahme zu den neuen Ermittlungsverfahren gegen Held einholen wollen. Die Frau wollte sich dazu gegenüber der Presse nicht äußern, sie wird mit der Begründung zitiert: „Mein Fokus liegt jetzt auf der Aufarbeitung des Rechnungshofberichts in den städtischen Gremien.“

In diesem Satz findet sich das ganze Dilemma der verfahrenen Oppenheimer Kommunalpolitik wieder: Stephanie Kloos, die Vorsitzende der SPD-Mehrheitsfraktion, sagt, ihr Fokus liege jetzt auf der Aufarbeitung des Rechnungshofberichts – der ihre eigenen unsauberen Geldgeschäfte mit Marcus Held aufgedeckt hat. Hier wird, um es mit einer bekannten Redewendung zu umschreiben, wahrhaftig der Bock zum Gärtner gemacht.

Wenn Frau Kloos die Aufarbeitung des Rechnungshofberichts ernst meinen würde, dann müsste sie als erstes dafür sorgen, dass der Stadtbürgermeister den Schaden ersetzt, von dem sie selbst unmittelbar profitiert hat. Stephanie Kloos müsste von Held die 22.500 Euro einfordern, die er aus der Stadtkasse genommen hat und die er ihr geschenkt hat. Und die sie, im vollen Wissen um die desolate Finanzlage der Stadt, angenommen hat.

Lesen wir noch ein wenig weiter im Artikel von Wolfgang Thierse, der schrieb, als denke er dabei an dieses Oppenheim: 

Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind kostbare, gleichwohl flüchtige Ressourcen im politischen Wettbewerb. Sie müssen mühselig erarbeitet werden, gehen aber leicht verloren. Dass der Verlust politscher Glaubwürdigkeit in Desinteresse oder gar Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, Parteien und der Demokratie insgesamt umschlagen kann, ist vielerorts zu beobachten. Bürger, die enttäuscht sind von der Parteiendemokratie, deren Vertrauen in die repräsentative Demokratie geschwunden ist, gehen auf die Straße, setzen Volksentscheide durch, geben ihren Zorn in Umfragen kund, wählen eine inhaltlich noch gänzlich unbestimmte Partei. Andere ziehen sich völlig zurück.

Bei der SPD-Mitgliederversammlung an diesem Montag dürfte es, wenn denn die sozialdemokratischen Grundwerte in Oppenheim noch Gültigkeit besitzen, interessant werden: Werden die Genossinnen und Genossen sich weiterhin instrumentalisieren lassen als Helferhelfer einer Führungsriege, die das Parteibuch wie einen Tresorschlüssel zur eigenen Bereicherung nutzt? Oder werden sie Wege versuchen zu finden, heraus aus dem Elendstal, in das Marcus Held und Stephanie Kloos die Stadt und die lokale Partei geführt haben?

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