LRH 21: Held schenkt SPD-Chefin 22.500 Euro – aus der Stadtkasse

Ferienwohnung zu vermieten: 55 Quadratmeter groß, Platz für 3 Personen, voll ausgestattete Küche, großzügige Wohnlandschaft, gemütliches Doppelbett (160×200), Preis pro Nacht: 95 Euro.

So wirbt Stephanie Kloos auf der Internetseite FeWo-direkt für ihr „komfortables Ferienappartement“, das sie – zusammen mit einer weiteren Ferienwohnung – im Wohnhaus ihrer Familie an der Burgstraße in Oppenheim eingerichtet hat. Die 50-Jährige ist in dem rheinhessischen Städtchen keine Unbekannte: Sie betreibt – ausgerechnet in dieser Hochburg des rheinhessischen Rebensaftes – einen Handel mit südafrikanischen Weinen. Und sie ist Fraktionsvorsitzende der Mehrheitsfraktion SPD. Sie gilt als Stadtbürgermeister Marcus Held sehr treu ergeben.

Jetzt findet die Beziehung Held-Kloos einen wenig rühmlichen Niederschlag im Bericht des Landesrechnungshofes: Es geht um die Ferienwohnungen von Frau Kloos („Loft 1“ und „Loft 2“), und vor allem geht es um sehr viel Geld, das der SPD-Stadtbürgermeister seiner folgsamen Genossin in diesem Zusammenhang geschenkt hat – aus der Stadtkasse, einfach so. Keiner weiß, warum er das getan hat.

Bei der Errichtung ihrer Ferienwohnungen hätte Frau Kloos drei Stellplätze anlegen müssen, was sie nicht wollte oder konnte. Deshalb bot sie an, als Ablöse 7.500 Euro je gefordertem Stellplatz an die Stadt zu zahlen, zusammen 22.500 Euro.

Es gibt in Oppenheim einen Grundsatzbeschluss des Stadtrates, dass die Eröffnung von Gastronomiebetrieben in der Altstadt nicht durch zu hohe Stellplatzanforderungen gefährdet werden soll. Seither können sich Gastronomen von der Verpflichtung, Parkplätze nachzuweisen, freikaufen.

Am 8. Dezember des letzten Jahres kam der Antrag von Frau Kloos im Stadtrat auf den Tisch, und die Lokalpolitiker stimmten zu: Eine Ferienwohnung sei zwar kein Gastronomiebetrieb, so lautete die Begründung, aber sie diene schließlich auch dem Tourismus und fördere zudem die lokale Wirtschaft, weshalb der Grundsatzbeschluss auch für solche Objekte gelten solle.

Hinterm Rücken des Stadtrates ging Marcus Held dann noch einen Schritt weiter: Er erließ seiner Fraktionsvorsitzenden die Zahlung der 22.500 Euro. Er tat das eigenmächtig. Offenbar wussten davon nur er und Frau Kloos (und vielleicht noch deren Familie).

Im Bericht des Rechnungshofes heißt es dazu: Der Stadtrat habe lediglich der Ablösung der Stellplatzverpflichtung durch Zahlung eines Geldbetrages zugestimmt. Davon, dass Frau Kloos die ganze Zahlung erlassen werden solle, sei nicht die Rede gewesen. „Eine Zustimmung zu der in die Vereinbarung aufgenommenen Erlassklausel ist nicht erkennbar.“

Jetzt stellen sich natürlich einige Fragen. Warum beschenkt der Stadtbürgermeister seine SPD-Fraktionsvorsitzende so großzügig aus der Stadtkasse – und das auch noch klammheimlich, ohne dass es der zuständige Stadtrat überhaupt erfährt?

Findet sich in dieser Geld-Geschichte vielleicht auch der tiefere Grund dafür, dass Frau Kloos wenige Monate später – es war Mitte dieses Jahres – dem Stadtbürgermeister in auffällig bemühter Weise zu Hilfe eilte? Wir erinnern uns: Damals hatten immer neue Enthüllungen zum Oppenheim-Skandal die Stadt überrollt. In dieser Situation rief die als SPD-Aktivistin bekannte Frau Kloos zu einer Selfie-Demo für Marcus Held auf: Oppenheimer sollten sich selbst fotografieren, sie wolle dann aus den Fotos ein großes Poster machen mit der Botschaft: Marcus, wir stehen alle hinter dir!

Held wiederum versucht seit Monaten, der Frau einen lukrativen Posten zuzuschanzen: Warum nur? Erst schlug er vor, sie zur ersten Beigeordneten in der Verwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz zu machen. Dann versuchte er, sie als erste Beigeordnete in der Kreisverwaltung Mainz-Bingen durchzusetzen. In beiden Fällen handelt es sich um gut bezahlte Jobs, bei denen Verwaltungserfahrung eigentlich eine ganz normale Voraussetzung für einen Bewerber sein sollte. Frau Kloos aber hat null Ahnung von Behördenarbeit. Es ist nur allzu nachvollziehbar, dass seither immer wieder gerätselt wird, warum Held diese Frau derart auffällig zu protegieren versucht.

Angesichts dieser Vorgänge verwundert es nicht, dass in den letzten Monaten immer wieder die Vermutung geäußert wurde, die beiden SPD-Parteifreunde müssten „gemeinsam Leichen im Keller“ haben: Anders sei ihr verhaltensauffälliges Miteinander nicht zu erklären. Jetzt scheint sich der Verdacht zu erhärten:

Dank der Großzügigkeit des Stadtbürgermeisters konnte Frau Kloos 22.500 Euro einsparen. Ihr persönlich mag das gefallen. Aber der Stadt, für die sie doch als SPD-Fraktionsvorsitzende vorgeblich eine gehörige Portion Mitverantwortung übernommen haben will, fehlt seither das Geld. Der Stadt Oppenheim, so schreiben die Rechnungsprüfer, ist durch den Deal von Stadtbürgermeister Held mit Frau Kloos ein Schaden von 22.500 Euro entstanden.

Und wer kommt jetzt für diesen Schaden auf? Vermutlich nicht Frau Kloos, jedenfalls muss sie das nicht. Zwar habe der Bürgermeister seine Kompetenzen überschritten, aber das ändere nichts an der Wirksamkeit der Verzichtsregelung im Außenverhältnis, so die Rechnungsprüfer. Insofern müsse Frau Kloos auch heute nicht mehr bezahlen: Von ihr könne die Stadt das Geld jedenfalls nicht  verlangen.

Marcus Held soll für den städtischen Verlust haften! Dessen Verteidigung fällt recht schwach aus: Der entsprechende Beschluss in der Ratssitzung vom 8. Dezember 2016 sei offenkundig nicht richtig protokolliert worden, behauptet er in seiner Stellungnahme an den Landesrechnungshof.

Eine solche Aussage macht allerdings auf die Prüfer aus Speyer keinen sonderlich großen Eindruck; sie bleiben dabei: „Schadensersatzansprüche gegen den Stadtbürgermeister sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten geltend zu machen.“ Zumal auch in der dem Stadtrat vorgelegten Beschlussvorlage – anders als in einem vorangegangenen Parallelfall (dazu sogleich) – mit keinem Sterbenswort der Erlass des Ablösebetrags erwähnt wurde.

Über 200.000 Euro Schaden für die Stadt: Held soll haften

Wir sind mittendrin in einer Geschichte des Landesrechnungshofs, in der nicht nur verwaltungstechnische Fehler – und schon gar nicht bloße Schlampereien – des Stadtbürgermeisters beschrieben werden. Hier geht es erneut um echte finanzielle Schäden, die Marcus Held wissent- und willentlich zu Lasten der klammen Stadtkasse herbeigeführt hat. Am Beispiel seines teuren Geschenks für Stephanie Kloos wird zugleich deutlich, wie die lokale Politik dieses Stadtbürgermeisters funktioniert:

Wer Marcus Held treu ergeben ist, wird von ihm großzügig entlohnt – kostet ihn schließlich nichts, das Geld muss ja der Steuerzahler aufbringen, und der weiß von alledem nichts. Es sollte wohl auch niemals jemand vom rechtswidrigen Geschäft mit Frau Kloos erfahren, so muss das Kalkül des Marcus Held gewesen sein, wenn nicht – so seine Darstellung – diese „Kriminellen“ das Dossier geschrieben hätten, das den unsäglichen Oppenheim-Skandal erst öffentlich hat werden und die Rechnungsprüfer hat anrücken lassen…

Das Thema „Stellplatzablöse & städtische Geldgeschenke“ aber ist mit dem Beispiel Stephanie Kloos noch nicht zu Ende. Es gibt noch mindestens zwei weitere Fälle, und auch sie können für Held noch richtig teuer werden:

2009 verpflichtete sich ein Bauherr schriftlich zur Zahlung von 67.500 Euro. Er musste aber nie einen Cent bezahlen. Zitat aus dem Bericht des Rechnungshofes:

„Mit nicht datiertem handschriftlichem Altenvermerk auf einem Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung vom 12. Mai 2009 wies der Stadtbürgermeister die Verbandsgemeindeverwaltung an, die Forderung auf dem Vertrag nicht fällig zu stellen. Eine Zahlung des Bauherrn unterblieb.“

Wieder hatte Held die zuständigen Gremien umgangen, wieder hatte er seine Kompetenzen überschritten und zugleich gegen das Haushaltsrecht verstoßen: Wieder hatte er – so schreiben die Rechnungsprüfer – „formell und materiell rechtswidrig“ gehandelt. Vertraglich sei die Forderung heute verjährt: Damit sei der Stadt ein Schaden in Höhe von 67.500 Euro entstanden, und auch das ist für die Rechnungsprüfer ein klarer Fall: „Schadensersatzansprüche gegen den Bürgermeister sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten geltend zu machen.“

Im dritten Fall schloss Marcus Held am 7. April 2016 mit einer Unternehmerin eine Vereinbarung: Die hat inzwischen zusammen mit ihrem Vater, einem großen Mainzer Bauunternehmer, das Alte Amtsgericht zu einem Veranstaltungshaus mit integrierten Gästezimmern umgebaut. Sie hätte 25 Stellplätze anlegen müssen, kann aber nur zehn nachweisen. Marcus Held berechnete der Unternehmerin als Ablöse 112.500 Euro – und erließ ihr das Geld umgehend.

In diesem Fall war in der Beschlussvorlage, die dem Stadtrat vorgelegt wurde, ein Erlass der Stellplatzablöse genannt, und der Stadtrat akzeptierte mehrheitlich: Die SPD-Fraktion unter Führung von Stephanie Kloos stimmte geschlossen dafür, auf 112.500 Euro zu verzichten.

Gleichwohl wollen die Rechnungsprüfer diesen Deal nicht akzeptieren: Denn die Gestaltung der Ablösevereinbarung, die der Stadtrat beschlossen hatte, sei so gewählt gewesen, dass sich daraus gar keine Zahlungsverpflichtung für den Bauherrn habe erkennen lasse. Wenn aber keine Zahlungspflicht vorhanden sei, so schreiben die Prüfer aus Speyer, dann könne auch nichts erlassen werden. Der entsprechende Ratsbeschluss über den Erlass dieser Stellplatzabgabe ging also per se ins Leere. Er hätte obendrein auch gegen zwingendes Haushaltsrecht verstoßen, wäre also rechtswidrig gewesen.

Unterm Strich hat Oppenheims Stadtbürgermeister allein in den drei hier geschilderten, durch den Rechnungshof nur stichprobenhaft erfassten Fällen – ob es weitere gibt, lassen die Prüfer bewusst offen – auf 205.000 Euro verzichtet, angeblich zur Wirtschaftsförderung, was allerdings „im Hinblick auf die defizitäre städtische Haushaltslage nicht vertretbar“ sei. Überhaupt verstoße „Wirtschaftsförderung in Form des Erlasses von Stellplatzablösebeträgen gegen haushaltsrechtliche Vorschriften“, so die Rechnungsprüfer.

Stadtbürgermeister Held behauptet wiederum in einer Stellungnahme an den Rechnungshof, die Frage der Stellplatzablöse werde seit mehr als zwei Jahrzehnten einheitlich gehandhabt. Die Prüfer weisen das ganz cool zurück: „Auch jahrelange Rechtsverstöße wären nicht geeignet, die Qualität eines das geschriebene Landesrecht derogierenden örtlichen Gewohnheitsrechts zu erlangen“, schreiben sie, erstens. Und dann gebe es, zweitens, Unterlagen, mit denen Held seine heutige Darstellung selbst konterkariere: So habe er selbst in einem Schreiben vom 9. Juni 2006 an die damalige Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim folgenden Satz formuliert: „Ein genereller Verzicht auf den Stellplatzablösebetrag kann unsererseits nicht ausgesprochen werden.“

Quintessenz für die Prüfer aus Speyer: „Schadensersatzansprüche gegen den Stadtbürgermeister sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten geltend zu machen.“ Und wenn künftig Ablösevereinbarungen abgeschlossen werden sollten, dürften keine Erlassklauseln darin stehen: Alle Einnahmequellen der Stadt seien „vollständig auszuschöpfen“. Natürlich.

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Anmerkung: In einer ersten Fassung dieses Textes hieß es, Marcus Held habe unlängst seinen 40. Geburtstag im Alten Amtsgericht gefeiert. Die Eigentümerin und Betreiberin der Eventlocation, Andrea Weisrock, macht darauf aufmerksam, dass im Alten Amtsgerichts „garantiert nichts dergleichen“ stattgefunden habe. Wir haben den entsprechenden Satz nach dem Hinweis von Frau Weisrock gestrichen und entschuldigen uns aufrichtig für den Fehler!

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