Es ist der dritte Tag im Oppenheimer Adventskalender, in dem wir alle Details aus dem Berichtsentwurf des Landesrechnungshofes (LRH) offenlegen und einordnen. Heute müssen wir Ihnen etwas schwerere Kost zumuten: Wir widmen uns der Tourismus GmbH. Mit dieser unternehmerischen Fehl-Konstruktion von Marcus Held haben wir uns auf dieser Webseite schon mehrmals intensiv befasst. Die Experten der Kontrollbehörde in Speyer analysieren und bewerten jetzt den Vorgang der GmbH-Gründung, deren haushaltsrechtliche Dimension, die Leistungsbeziehung zwischen Stadt und GmbH und schlussendlich die (Un-) Wirtschaftlichkeit des Gebildes mit untrüglicher und unbestechlicher Präzision…
Erinnern Sie sich noch an das letzte Flugblatt der SPD Rhein-Selz? Es wurde im September dieses Jahres, kurz vor der Bundestagswahl, an alle Haushalte verteilt: Im Zentrum der Polit-Postille stand der Bericht „Gezielte Stimmungsmache am Beispiel der Tourismus GmbH“.
Unter dieser Überschrift veröffentlichte Stadtbürgermeister Marcus Held einen Wut-Artikel, nachdem wir auf dieser Webseite seine angeblich städtische Tourismus GmbH als Sammelbecken von Parteifreunden mit der Lizenz zum Plündern städtischer Geldquellen enttarnt hatten. Drei kurze Passagen aus der Held-Tirade:
„Es ist unerträglich, wenn von interessierter Seite versucht wird, ständig schlechte und teilweise aggressive Stimmung in Oppenheim und der VG zu verbreiten, und dies auf Basis von bewussten Falschmeldungen und der Verdrehung von Tatsachen.“
„Aus Sicht der SPD handelt es sich bei der bewusst herbeigeführten Kampagne gegen Marcus Held und alle SPD-Verantwortlichen um eine Rufmordkampagne, da fast täglich mit bewussten Unwahrheiten versucht wird, die Bürger unsicher zu machen und aufzuhetzen.“
„An der Stimmungsmache gegen die hervorragend funktionierende Tourismus GmbH in Oppenheim wird nach Auffassung der Verantwortlichen deutlich, wie von interessierter Seite durch den angeblichen Journalisten auf breiter Front Unterstellungen meistens im Konjunktiv formuliert werden, um damit einzelne Personen zu verunglimpfen.“
Und jetzt blättern wir im Entwurf der Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofes, dieser unabhängigen Kontrollbehörde in Speyer, wo Spezialisten sitzen, deren Job es unter anderem ist, die Haushalts- und Wirtschaftsführung in den Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz auf eine wirtschaftliche, sparsame und bestimmungsgemäße Verwaltung und Verwendung öffentlicher Gelder hin zu überprüfen. Die Prüfer schreiben im Indikativ.
Vielleicht sollten wir das bei dieser Gelegenheit noch einmal kurz deutlich machen: Der Rechnungshof nimmt im Staatsgefüge des Landes Rheinland-Pfalz als oberste Landesbehörde auf der Ebene der Landesministerien eine Sonderstellung im sogenannten ministerialfreien Raum ein. Auf der Homepage der Behörde heißt es selbstbewusst, dass man selbstständig und unabhängig von Legislative und Exekutive handeln könne, was bedeute, dass weder die Regierung noch das Parlament dem Rechnungshof Weisungen erteilen könnten.
Also: Wenn diese Behörde etwas sagt, ist das rein sachbezogen. Völlig frei von engen Parteiinteressen. Allein dem Allgemeinwohl dienend.
Es gibt mithin keinen Grund, der Expertise des Landesrechnungshofes mit einem grundsätzlichen Misstrauen zu begegnen.
Mit diesem Wissen schlagen wir jetzt im Berichtsentwurf der Behörde das Kapitel „Oppenheim Tourismus GmbH“ auf. Mit knapp sechs Seiten Umfang ist es eines der umfangreicheren und damit wohl auch schwergewichtigeren Themen. Was wir dort zu lesen bekommen, ist erneut ein abschreckendes Beispiel für Cliquenwirtschaft, Missmanagement und nicht zuletzt Plünderung der Stadtkasse. Am Ende des Kapitels kommen die Experten aus Speyer denn auch zu der klaren Empfehlung, „die Auflösung der Gesellschaft zu prüfen“.
Auflagen wurden nicht beachtet
Die dafür angeführten Gründe sind allein sachlich-wirtschaftlicher Art. Dass Held bei der Gründung der kleinen Firma übergeordnete Behörden übergangen und deren eindeutige Hinweise vorsätzlich missachtet hatte, wie die Rechnungsprüfer jetzt feststellen mussten, dürfte bei der Auflösungs-Empfehlung keine weitere Rolle gespielt haben:
Die Tourismus GmbH gibt es seit Ende 2012, sie wurde maßgeblich auf Betreiben des Stadtbürgermeisters gegründet. Die Stadt selbst ist nur mit 49 Prozent beteiligt, bei den anderen Gesellschaftern (die wir hier vorgestellt hatten) handelt es sich überwiegend um ausgesuchte Held-Parteifreunde und einige Unternehmer, die von ihm regelmäßig Aufträge bekommen.
Bereits im Juni 2012 – damals waren erste Pläne zur Gründung der GmbH bekannt geworden – hatte die Kommunalaufsicht in einem Bescheid der Stadt Oppenheim die Auflage erteilt, kommunale Kontrollrechte abzusichern: Wenn sich eine Kommune als Minderheitsgesellschafter an einem Unternehmen beteilige, dann sollte sie zur Wahrung der städtischen Belange darauf hinwirken, dass sie selbst und die Aufsichtsbehörden die Bücher des Unternehmens prüfen könnten. Entsprechende Befugnisse wären bei der Tourismus GmbH nicht zuletzt deshalb angebracht gewesen, schreibt jetzt der Rechnungshof, „da eine bisher kommunal wahrgenommene Aufgabe unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel privatisiert wurde“.
Aber was stört’s einen SPD-Bundestagsabgeordneten und Stadtbürgermeister vom Format Marcus Held, wenn die kleine Kommunalaufsicht ihm Auflagen erteilt? Diese Behörde untersteht dem vom SPD-Landesvorsitzenden Roger Lewentz geführten Mainzer Innenministeriums und ist in der Kreisverwaltung Mainz-Bingen angesiedelt, die damals von SPD-Landrat Claus Schick geführt wurde. Es hat sich herumgesprochen, dass sich die Kommunalaufsicht selbst bei gravierendem Fehlverhalten von Marcus Held immer erst weggedreht und dann auch noch beide Augen ganz fest zugedrückt hat.
Parteifreunde eben, laufauf landab. Wer könnte es da wagen, sich gegen den großen SPD-Politiker Marcus Held zu erheben, ohne seine eigene Karriere leichtfertig aufs Spiel zu setzen? Genüsslich merkt Held – unter Namensnennung des seinerzeit zuständigen (und in Oppenheim wohnhaften) Beamten der Kommunalaufsicht – zum Entwurf der Prüfmitteilungen an, die Kommunalaufsicht habe dem Widerspruch der Stadt Oppenheim gegen die Auflage zur Verankerung haushaltsrechtlicher Kontroll- und Prüfungsbefugnisse im Gesellschaftsvertrag abgeholfen. Will sagen: Die aus Sicht des Rechnungshofs gebotene Auflage war kurzerhand perdu. So einfach ging das.
Die Rechnungsprüfer können angesichts dieses Versagens der Kommunalaufsicht heute nur noch diagnostizieren: Die Stadt Oppenheim habe ihrer Pflicht, der überörtlichen Kontrollbehörde Prüfungsbefugnisse einzuräumen, „entgegen einer ausdrücklichen Auflage der Kommunalaufsicht weder bei der Gründung der Gesellschaft noch danach genügt“, wie es im Berichtsentwurf aus Speyer heißt.
Und noch einen weiteren formalen Verstoß haben die Beamten aus Speyer ausgemacht: Der Landesrechnungshof muss nach der Haushaltsordnung des Landes Rheinland-Pfalz „unverzüglich“ unterrichtet werden, „wenn unmittelbare Beteiligungen einer Kommune an einem Unternehmen begründet werden sollen“. Auch auf diese Unterrichtungspflicht, schreibt der Landesrechnungshof jetzt, sei Marcus Held von der Kommunalaufsicht am 22. Juni 2012 schriftlich hingewiesen worden.
Und jetzt raten Sie mal, was Marcus Held damals gemacht hat? Hat er wenigstens diesen Hinweis der Kommunalaufsicht beachtet? Hat er auf das Schreiben der Behörde reagiert?
Sie werden die Antwort erahnen: Für Marcus Held, so hat’s den Eindruck, gelten behördliche Vorschriften nicht – jedenfalls scheint er das zu glauben.
Der Rechnungshof schreibt dazu nur: „Künftig ist den Unterrichtungspflichten gegenüber dem Rechnungshof nachzukommen.“
Den Satz sollte wir kurz wirken lassen: Oppenheims Stadtbürgermeister soll also seinen Pflichten nachkommen.
Es dürfte nicht viele Politiker geben, denen ein Rechnungshof in dieser Deutlichkeit vorhalten muss: Einer behördlichen Pflicht nachzukommen ist nicht in das Belieben eines Einzelnen gestellt, selbst dann nicht, wenn er der Stadtbürgermeister von Oppenheim ist. Wir leben nicht in der Autokratie, auch nicht in Oppenheim.
Ohne Qualifikation zu mehr Gehalt
Diese rein formalen, haushaltsrechtlich veranlassten Kritikpunkte im Berichtsentwurf des Rechnungshofes sind jedoch eher verwaltungstechnischer Kleinkram – gegen das, was die Fachleute aus Speyer unter dem Stichwort „Wirtschaftlichkeit“ bei der Tourismus GmbH vorgefunden haben:
Vor Gründung der GmbH waren die touristischen Aktivitäten der Stadt recht überschaubar und wohl auch angemessen geregelt für ein Städtchen von der Größe Oppenheims: Im Rathaus saß der Angestellte Hansjürgen Bodderas und leitete die Bereiche Tourismusentwicklung/Eventmanagement. Er bekam dafür zuletzt 50.700 Euro/Jahr. Unterstützt wurde er von drei Mitarbeitern im Tourismusbüro der Stadt; der Gesamtaufwand für das städtische Tourismus-Personal schlug mit 176.000 Euro zu Buche.
Zugleich erwirtschaftete die Stadt vor allem mit den Eintrittsgeldern aus den Führungen durchs städtische Kellerlabyrinth ganz ordentliche Einnahmen, so dass im Tourismus-Bereich, wie die Rechnungsprüfer ermittelten, unterm Strich zum Beispiel im Jahr 2012 nur ein kleines Minus von 10.500 Euro anfiel. Nicht weiter dramatisch, alles ganz ordentlich.
Dann kam die GmbH – und alles wurde anders. Und für die Stadt viel schlechter:
- Die GmbH behielt die Eintrittsgelder aus der Kellerführungen ein, Verträge wurden dazu nicht abgeschlossen: In den Jahren 2015 und 2016 kassierte die GmbH auf diese Weise 232.000 und 237.000 Euro, die ansonsten der Stadtkasse zugeflossen wären, einfach so.
- Bodderas wurde gut (und besser) dotierter Geschäftsführer der GmbH.
- Die drei Mitarbeiter des städtischen Tourismusbüros blieben auf der Gehaltsliste der Stadt.
Bodderas war von Anfang an GmbH-Geschäftsführer, was ihm keine wesentlich neuen Aufgaben abverlangte, aber trotzdem ein sattes Gehaltsplus einbrachte: Er verdient seither 72.180 Euro im Jahr – also rund 20.000 Euro mehr als zuvor. Natürlich fragten die Rechnungsprüfer, was einen solchen Gehaltssprung rechtfertige:
- Die spezielle berufliche Qualifikation als Tourismusmanager jedenfalls kann es ihrer Meinung nach nicht sein: Der Mann habe, so führen sie in ihrem Berichtsentwurf aus, Theologie, Philosophie und Judaistik studiert, allerdings ohne Abschluss, er sei danach zehn Jahre lang in der Gastronomie tätig gewesen, war dann Mitarbeiter der Wasserversorgung Rheinhessen in Bodenheim, bis er im Jahr 2001 als Angestellter im Rathaus Oppenheim eine längerfristige berufliche Perspektive gefunden habe (seinerzeit aufgrund „altersbedingter tarifvertraglicher Befreiung von der Ausbildungs- und Prüfungspflicht).
- Auch „Geschäftsumfang, Geschäftstätigkeit und Leitungsspanne“ der Tourismus GmbH, einer Kleinstkalitalgesellschaft, rechtfertigten die Bezüge ihres Geschäftsführers nicht, der personelle Leitungsverantwortung lediglich für einen einzigen Teilzeitmitarbeiter trage.
So listen die Rechnungsprüfer Punkt für Punkt auf, was sie am Top-Gehalt von Hansjürgen Bodderaus stört: Dem Mann fehle die spezifische berufliche Qualifikation, er leite mit der Tourismus GmbH nur eine Kleinstgesellschaft, die keinerlei Marktrisiken ausgesetzt sei und deren Geschäftstätigkeit zum überwiegenden Teil in Untergrundführungen bestehe, ohne dass damit nennenswerte personelle Leitungsverantwortung verbunden wäre.
Klarer Fall für die Experten des Landesrechnungshofes: „Die Stadt soll auf eine angemessene Reduzierung des Geschäftsführergehalts zum nächstmöglichen Zeitpunkt hinwirken.“
Defizit der Stadt erhöhte sich erheblich
Nun würde am Bodderas-Gehalt kaum jemand etwas aussetzen, wenn der Tourismus in Oppenheim mit Gründung der GmbH aufgeblüht wäre – oder zumindest kleinste Anzeichen einer positiven Entwicklung erkennbar würden und die Stadt ihre eigenen Leistungen in diesem Zusammenhang angemessen vergütet erhielte. Davon ist jedoch nichts bekannt, ganz im Gegenteil. Die Rechnung der Kontrollbehörde in Speyer sieht richtig bitter für die Stadt aus:
2012 betrug das Tourismus-Defizit, wie gesagt, etwas mehr als 10.000 Euro. Sicherlich, das Bodderas-Gehalt wurde bei der Stadt eingespart, auch das einer Teilzeitkraft. Aber dafür fielen auch die Einnahmen aus den Kellerführungen komplett weg (und zwar ohne Kompensation der Kellernutzung und bei fortbestehenden Investitionen der Stadt in das Kellerlabyrinth), und im Rathaus verblieben zudem drei Tourismus-Planstellen. „Da der Aufwand der Stadt gegenüber der GmbH nicht verrechnet wurde, erhöhte sich das Defizit der Stadt im Tourismusbereich erheblich und betrug im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 jährlich 89.000 Euro“, schreiben die Rechnungsprüfer in ihrem Bericht.
Die GmbH schickt der Stadt zudem alljährlich eine Rechnung, weil Geschäftsführer Bodderas ja auch noch die Oppenheimer Festspiele leitet. 15 Prozent vom Geschäftsführergehalt – 13.192 Euro zzgl. Mehrwertsteuer – muss die Stadt dafür an die GmbH überweisen.
Es ist eine Einbahnstraße: Die mehrheitlich privat gehaltene GmbH lässt sich ihre Leistungen von der Stadt bezahlen. Im Gegenzug hätte sie natürlich für den Einsatz der drei städtischen Tourismus-Mitarbeiter im Rathaus bezahlen müssen, bzw. die Stadt hätte an Geschäftsführer Bodderas eine entsprechende Rechnung schicken müssen. Darauf hatte die Kommunalaufsicht Stadtbürgermeister Marcus Held bereits im Jahr 2012 hingewiesen: Der Einsatz städtischer Beschäftigter für die GmbH müsse selbstverständlich berechnet werden.
Und was antwortete Marcus Held damals darauf? „Wir haben bei der Gründung darauf verzichtet, einen festen jährlichen Zuschuss von der Stadt an die GmbH zu vereinbaren. Stattdessen haben wir vereinbart, dass die Stellen (…) bei der Stadt bleiben und diese zur Verfügung Stellung sozusagen den Zuschuss darstellen.“
Eine solche erdachte – nirgendwo schriftlich fixierte – Regelung ist abseits aller Vorschriften. Das ist Verwaltung nach Gutsherrenart. Nicht kontrollierbar. Völlig intransparent. Dem Missbrauch sind Tür und Tor geöffnet. Er mündet nicht zuletzt in ständig steigende Kassenkredite der Stadt.
Aber das scheint Alltag zu sein im Rathaus Oppenheim.
Angebliche Vorteile existieren nicht
Die Gesamtbetrachtung der Rechnungsprüfer fällt am Ende vernichtend aus:
Als Begründung für die Notwendigkeit einer GmbH-Gründung hatte Marcus Held seinerzeit ein paar Vorteile genannt, die jedoch, so konstatieren die Experten der Kontrollbehörde, „weitestgehend nicht eingetreten“ seien:
- Für die Gesellschafter gebe es zwar keine vertragliche Pflicht, Verluste auszugleichen. Die Haftungsbegrenzung in Höhe des eingezahlten Stammkapitals (also der Haftungsschirm der GmbH) werde zur Vermeidung einer Insolvenz aber beständig von der Stadt durch eine verdeckte Subventionierung wirtschaftlich unterlaufen. Im Klartext: Die Stadt zahlt durch den Verzicht auf Leistungsvergütungen im Verhältnis zur GmbH ständig drauf – jenseits ihrer Einlage als Gesellschafterin.
- Der angebliche Vorteil einer größeren Flexibilität bei der Vergütung des Personals sei „mangels Personal im Wesentlichen dem Geschäftsführer zugute gekommen“. Eine Flexibilität nicht etwa zu Gunsten, sondern zu Lasten des Gemeinwesens.
- Der angebliche Vorteil, dass eine GmbH Kredite ohne die Bindungen des kommunalen Haushaltsrechts aufnehmen könne, sei völlig bedeutungslos: „Investitionserfordernisse, die einen nennenswerten Fremdkapitalbedarf auslösen könnten, sind angesichts der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht erkennbar. Investitionen in das Kellerlabyrinth wurden z.B. von der Stadt getragen.“
- Und schließlich hatte Held Privatpersonen als Gesellschafter in die GmbH aufgenommen, weil dadurch angeblich die Identifikation mit der Stadt verstärkt werde. Doch mehr als 20 Prozent der GmbH gehören dem geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Hebau aus Mainz-Hechtsheim, die von Marcus Held regelmäßig mit Straßenbauaufträgen versorgt wird, sowie dem Unternehmer Rudolf Baumgarten, einem engen Parteifreund Helds aus Uelversheim, den er mit einer Vielzahl von Jobs aus der Stadtkasse bezahlt. Die Rechnungsprüfer resümieren: „Insofern dürfte es sich bei der Kapitalbeteiligung zumindest nicht um einen Akt bürgerlicher Identifikation handeln.“
Verquast formulierte Stellungnahme
Und bevor sie eine Prüfung zur Auflösung der Gesellschaft empfehlen, merken die Prüfer an – jetzt ist der Sarkasmus in ihren Worten nicht zu überhören: „Der demnach allenfalls verbleibende,Vorteil, dass die Wahrnehmung von Tourismusaufgaben durch eine GmbH mit kommunaler Minderheitsbeteiligung nicht der überörtlichen Prüfung unterliegt, ist nicht geeignet, den mit Gründung und Betrieb der GmbH verbundenen Mehraufwand der Stadt wirtschaftlich zu rechtfertigen.“
Ein Satz wie ein Dolchstoß. Mit ihrem coolen Knowhow haben die Rechnungsprüfer das krüppelige Oppenheimer Tourismus-Konstrukt auseinandergenommen. Und eigentlich auch erledigt. Marcus Held gab dazu eine mehr als dreiseitige Stellungnahme ab. Die wirkt streckenweise sehr bemüht, ist auch sprachlich eine Herausforderung. Um einige seiner Einwürfe zu nennen:
- Die Berechnungen der Kontrollbehörde zum Defizit seien „nicht ordnungsgemäß“.
- Die Tourismus-Mitarbeiter im Rathaus würden zwar unter Tourismusförderung geführt, dabei gehe es jedoch nicht – so wörtlich – „um die Aufgaben der Tourismus GmbH, sondern um die nach wie vor bei der Stadt liegenden Aufgaben der Durchführung von Festen und Veranstaltungen“.
- Geschäftsführer Bodderas habe schon immer „über 5.000 Euro verdient“, das höhere Einkommen sei „daher vernachlässigbar“, zumal er Überstunden nicht mehr in Rechnung stelle. Sein „Marktwert“ könne sich zudem „aus vielfältigen anderen Umständen ergeben, die im Rahmen eines Studiums überhaupt keinen Niederschlag finden“.
Den zentralen Satz der Held-Stellungnahme zitieren wir gerne im Wortlaut, er klingt verquast wie ein Großteil seiner Stellungnahme:
„Wir sind von hier der Auffassung, dass man insoweit der GmbH schlicht noch ,etwas Zeit lassen sollte’. So sind es nach unserem Dafürhalten auch keine abstrakten und strukturellen Missstände, die der Landesrechnungshof angreift (insoweit wird vielmehr der diesseitigen Analyse ausdrücklich zugestimmt), sondern die (kurzfristigen) tatsächlichen Gegebenheiten. Diese können sich aber stets ändern (und Änderungen sind bereits in Aussicht genommen).“
Ganz aktuell: Ausschuss plant Nutzungsvertrag
Prolog: Wir hatten vor längerer Zeit auf dieser Webseite darauf hingewiesen, dass es nicht angehen könne, dass eine mehrheitlich privat geführte GmbH seit Jahren die Eintrittsgelder aus den Kellerführungen einbehält, ohne dass dies vertraglich geregelt worden sei: Eigentlich müsse die GmbH Nutzungsentgelte zahlen – übrigens auch rückwirkend.
An diesem Montag (04. Dezember) findet um 19 Uhr im Rathaus eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für „Altstadtsanierung, Tourismus und Wirtschaftsförderung“. Eingeladen hat Helmut Krethe, der (bezahlte) Tourismus-Beigeordnete. Noch im Juli dieses Jahres hatte er dem Autor dieser Webseite auf eine Anfrage wie folgt schriftlich geantwortet:
„Ein gesonderter Stadtratsbeschluss, mit dem explizit erklärt wird, dass die Eintrittsgelder für die Führungen von der GmbH vereinnahmt werden dürfen, gibt es nicht und dieser ist rechtlich auch nicht erforderlich.“
Im Tourismus-Ausschuss lautet jetzt das erste Thema: „Evtl. Nutzungsvertrag mit der Oppenheim Tourismus GmbH“. Es ist Krethes zweiter Versuch, die rechtswidrige Vereinnahmung der Eintrittsgelder sauber zu stellen. Der erste Entwurf eines Vertrages war so dünn gewesen, dass sich Ausschuss erst gar nicht weiter damit befasst hatte.
Tja, im wesentlichen nix neues, aber schaurig-schön, das nochmal in der Zusammenfassung zu lesen. Es ist schlicht unverständlich, wie der Mann sich noch im Amt halten kann.
Ich will jetzt gar nicht davon reden, dass man Ehrenmänner in vergangenen Zeiten (freilich auch in sehr dunklen..) in ähnlichen Situationen mit einer Waffe allein in einem Zimmer zurückgelassen hat, aber hier müsste doch nach allem, was bereits bekannt ist, ein Rücktritt angemessen sein, wenigstens aber, die Ämter ruhen zu lassen. Aber er kann es ja nicht lassen. In irgend einem seiner Verkündigungsorgane war er diese Woche zu sehen; er hat Warnwesten an Kindergartenkinder verteilt. Wenn die Westen vor zwielichtigen Politikern warnen und dann blinken würden, wäre das Bild hoffnungslos überbelichtet gewesen.
Das beste Szenario für „Maggus“: Es gibt Neuwahlen im Bund, er wird nicht mehr aufgestellt. Er verliert alle kommunalen Ämter, ob Ehrenämter oder nicht. Dann könnte er sich auf dem freien Arbeitsmarkt rehabilitieren und dort auch prüfen, wie hoch denn eigentlich sein eigener „Marktwert“ ist. Den von Herrn Bodderas hat er ja schon ganz gut eingeschätzt, nur leider eine Null zu viel angehängt. Kann ja mal vorkommen, hat ja keiner gemerkt. Die VG hat´s nicht moniert oder es wird schon immer so gemacht oder oder oder.
Die ganze Sache ist eigentlich unglaublich. Und wir haben noch 21 Türchen vor uns.
So ein ganz wenig off topic, dafür ein herzliches Entschuldigung.
Es sei mir ein kleiner Klick zurück gestattet, weil ich soeben über einen alten Bericht fiel.
http://nibelungen-kurier.de/ganz-klar-eine-politische-attacke/
(Mir ist nicht bewusst ob ich hier einen Link setzten darf oder nicht)
Aus dem Nibelungen Kurier vom 04.April 2017
„Es gibt keine Unregelmäßigkeiten”, weist Held die Verdächtigungen von sich. Sämtliche Vorgänge seien durch die zuständigen Gremien gegangen und von Mehrheiten beschlossen worden. „Mit demokratischen Entscheidungen hat wohl jemand ein Problem”, mutmaßt der Oppenheimer Stadtbürgermeister.‘
Aus heutiger Sicht schon ein deutlicher Beleg Held’scher Unverschämtheiten.
In Oppenheim gibts manches Ass,
darunter auch Herrn Bodderas.
Als Theolog will er probieren,
Tourismus zum Erfolg zu führen.
Gar mancher Leser fragt sich schon,
wie passt Metier zu Profession?
Das ist ganz einfach, wie ich seh,
gemeinsam ist das große T.
Doch sein Bemühen ist nur Plag‘
mit Entgelt nach Tarifvertrag.
Drum wollt‘ man neue Wege gehn,
um das Gehalt ihm zu erhöhn.
GmbH ist leicht kreiert,
bei der er die Geschäfte führt.
Sein Marktwert scheinet ungeheuer,
drum ist sein Gehalt auch teuer.
Der Stadt erscheint das nur gerecht,
sie wirkt nicht hin aufs Prüfungsrecht.
Der Rechnungshof soll nichts erfahren
vom filzigen Finanzgebaren.
Und wurde auch nicht informiert,
hätt‘ sonst die Gründung gleich moniert.
So bleibet nur noch zu beklagen:
„Dem Recht wurd‘ Rechnung nicht getragen.“
Was den Tourismus-Chef erfreut,
das ist des Steuerzahlers Leid.
Denn zu der Gesellschaft kamen
vom Kellerlabyrinth Einnahmen.
Die Kosten blieben bei der Stadt,
deshalb die Gesellschaft hat
fürs Gehalt vom Freund des Held
in der Kass‘ genügend Geld.
Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Dieser Grundsatz gilt auch für Marcus Held. Abseits aller juristischen Grundsätze gibt es aber auch – insbesondere bei Politikern – moralische Grundsätze. Seine Beteuerungen, dass das alles eine gegen ihn persönlich gerichtete Kampagne sei und die Anschuldigungen jeglicher Grundlage entbehren usw. usf. sind durch die wenigen bislang bekannt gewordenen LRH-Feststellungen ins Reich der Fabel zu verweisen, um bei der Wortwahl eines kürzlich veröffentlichten AZ-Artikels zu bleiben.
Klar ist: die Schuld ist noch nicht bewiesen! Unklar ist, weshalb er immer noch im Amt ist.
Im Fall des Regensburger OB wurde dieser „im Zuge der Ermittlungen vorläufig seines Dienstes enthoben“. (FAZ-Artikel v. 28.7.2017).
Es ist weder ein Schuldeingeständnis noch eine Vorverurteilung, aber es dient dem Schutz des Amtes und der Stadt, nicht zuletzt auch dem Beschuldigten, wenn dieser nicht die Veranlassung sieht oder den Charakter hat, seine Funktion vorläufig ruhen zu lassen.
Das kann m.E. nur durch eine vorgesetzte Behörde erfolgen. Wer wäre das in diesem Fall ? Die VG-Rhein-Selz mit Herrn Penzer oder die Kommunalaufsicht ?
Gibt es im Kommunalrecht nicht auch eine Art Fürsorgepflicht der übergeordneten Behörde(n) ?
Leider hat die AZ inzwischen die Berichterstattung zum LRH-Bericht eingestellt und auch zur Frage eines vorläufigen Amtsverzichts konnte ich nichts finden. Immerhin war am Samstag ein Kommentar zu lesen, der erste Spuren von Kritik enthielt.