Aufgedeckt: So funktioniert das System Marcus Held!

Das finanzielle Desaster beim Abbruch des Gradinger-Möbelhauses – wir berichteten – hat für ein Aufschrecken in Oppenheim gesorgt: Die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft GWG (vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden Marcus Held) hat von der Stadt Oppenheim (vertreten durch ihren Stadtbürgermeister Marcus Held) das Grundstück am Kautzbrunnenweg 9 gekauft. Und zwar mit einem Blankovertrag, der hochriskant zu sein scheint: Die GWG, so steht darin festgeschrieben, muss alle Kosten übernehmen, die der Stadt beim Kauf und Abbruch des alten Gradinger-Komplexes entstanden sind und noch entstehen. Und das kann sehr teuer werden:

Ursprünglich waren die Abbruchkosten mit unter 600.000 Euro angegeben worden. Dumm gelaufen – aber nur für die GWG: Die Kosten sind bereits um mehr als 50 Prozent gestiegen, auf über 900.000 Euro. Und die Endabrechnung des Abbruchunternehmens liegt noch nicht einmal vor. Die Stadt tritt zwar in Vorleistung. Aber die GWG wird ihr vertragsgemäß alle Ausgaben erstatten müssen.

Wie konnte sich eine gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft auf einen derart spekulativen Deal einlassen? Gibt es keinen Experten in der Firma, der das Risiko erkannte und einschritt? Wer agiert dort überhaupt im Vorstand? Und wer sitzt da im Aufsichtsrat?

Die Kosten für den Ankauf des Gradinger-Objekts sind in diesem Papier aufgeführt.

Wenn wir genauer hinschauen, dann sehen wir: Nein, an der Spitze des Unternehmens stehen keine Experten. Da sitzt Marcus Held, der um sich herum Günstlinge und Begünstigte versammelt. In den verantwortlichen Positionen wurden Parteifreunde installiert, die allesamt in SPD-Gremien eng mit ihm verbunden sind. Manche sind noch enger an ihn gebunden – weil er ihnen Jobs verschaffte. Und damit Geld.

Wenn selbst im Aufsichtsrat, also in dem Kontrollgremium einer Genossenschaft, Personen platziert werden, die vom Unternehmenschef abhängig sind: Wie soll dann eine vernünftige Aufgabenverteilung funktionieren, wie soll da die gebotene Aufsicht und Überwachung möglich sein?

Held ist der Boss, er nennt sich bei der GWG Vorstandsvorsitzender. Als solcher bestimmt er die Geschäfte der Genossenschaft. Er entscheidet, was wann wo wie gebaut wird. Er entscheidet auch, wer Mieter oder Käufer welcher Wohnung wird (womit er neue Abhängigkeiten schafft, die ja ebenfalls ganz nützlich sein können, aber das ist ein anderes Thema).

Schauen wir uns die GWG etwas genauer an:

Zwei Mitglieder machen den Vorstand aus: Unter dem 39-jährigen Marcus Held steht der Name Franz Kram. Wenn es heißt, dass Sachverstand im Baugeschäft nicht das Ding dieses Mannes sei, dürfte mit Widerspruch kaum zu rechnen sein. Der 72-Jährige ist „Diplom-Krankenkassenfachwirt in Pension“, wie er im Internet seinen Beruf angibt, er leitet derzeit die Volkshochschule Oppenheim, war auch mal im Vorstand des Fördervereins der Festspiele Oppenheim. Er fällt also eher in die Kategorie dörflicher Schöngeist, für den das ruppige Baugeschäft keine Herzenssache sein dürfte.

Mit 400 Euro, schrieb die AZ mal, werde er als Vorstand entlohnt, pro Monat. Kram ist, wen überrascht’s, Mitglied im SPD-Vorstand (Vorsitzender: Marcus Held), er ist Mitglied im SPD-Kompetenzteam Oppenheim (Vorsitzender: Marcus Held), er sitzt auch in der SPD-Fraktion im Stadtrat Oppenheim (Vorsitz des Stadtrates: SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held).

Wollen wir von diesem älteren Herrn wirklich erwarten, dass er als Vorstandsmitglied der GWG die Geschäfte seines Vorsitzenden Held konstruktiv-kritisch begleitet? Kann er das überhaupt?

Die GWG-Zentrale an der Rheinstraße. Hier ist Marcus Held Vorstandsvorsitzender – gegenüber ist übrigens das Hallenbad Opptimare, wofür er den Post eines Beauftragten übernahm, was ihm die Verbandsgemeinde jeden Monat bezahlt.

Das Kontrollorgan, das abhängig ist

Die Überwachung der Geschäftstätigkeit des Vorstandes ist erklärte – gesetzliche – Aufgabe eines Genossenschafts-Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat ist von Gesetzes wegen Kontrollorgan einer (noch dazu gemeinnützigen) Genossenschaft und hat das Aufsichtsratsmandat (wie der Vorstand) mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auszuüben.

Und wer sitzt nun bei der GWG im Aufsichtsrat?

Vorsitzender ist Klaus Waldschmidt. Der 74-Jährige gibt sich auf der Internetseite der Stadt Oppenheim als „Inhaber der Sektschänke am Markt“ im Gillot-Haus aus. Er ist Mitglied im Kompetenzteam der SPD, wo er seinen Beruf als „Kaufmann im Ruhestand“ angibt. Er ist Förderster des Oppenheimer Weinritterkollegiums, für das Held (der natürlich auch Mitglied dieses Kreises ist) immer wieder Abgeordnete nach Oppenheim lotst, um sie zu Weinrittern zu schlagen – was dem Kollegium bereits die Kritik eintrug, es lasse sich von Held für die lokale Parteiarbeit instrumentalisieren, aktuell auch für seinen SPD-Bundestagswahlkampf (was CDU-Bundestagspräsident Norbert Lammert im letzten Augenblick durchschaute und jüngst zu einer Absage veranlasste).

Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Rudolf Baumgarten. Dass dessen Name nicht in den SPD-Gremien Oppenheims zu finden ist, hat einen einfachen Grund: Baumgarten ist Bürgermeister im nahen Uelversheim – natürlich auf SPD-Ticket. Er ist außerdem Vorsitzender im SPD-Ortsverein Dolgesheim-Berggemeinden, er sitzt – wie Held – für die SPD im Rat der Verbandsgemeinde Rhein-Selz und im Kreistag Mainz-Bingen. Er ist Mitglied im Vorstand der SPD Rhein-Selz, wo er bei Sitzungen auf seinen GWG-Vorstandsvorsitzenden als Vorsitzenden trifft.

Wie Rudi Baumgarten eine sachgerechte Aufsicht bei der GWG führen will, ist sein Geheimnis und eines der großen Rätsel in Oppenheim: Baumgarten ist nämlich abhängig wie kaum ein zweiter vom Wohlwollen des Stadtbürgermeisters. Marcus Held verschafft ihm Aufträge als Stadtplaner („plangUT“) Marcus Held engagiert ihn für lukrative Maklergeschäfte… Wir haben darüber berichtet; Baumgarten, so kann man sicher ohne jede Übertreibung sagen, lebt sehr gut von der Zuwendung des Stadtbürgermeisters.

Wie soll dieser Mann als GWG-Aufsichtsrat einen GWG-Vorstand Marcus Held unabhängig und unbefangen kontrollieren?

Es gibt noch ein paar Mitglieder mehr im Aufsichtsrat, die allesamt nicht durch Kompetenz auffallen, sondern eher durch parteigegebene Held-Nähe – oder aber durch berufliche Abhängigkeit. Hier die Namen der weiteren GWG-Aufsichtsratsmitglieder (die Altersangaben sind SPD-Internetseiten entnommen):

Bärbel Trost, 69 Jahre alt und Rentnerin, sitzt im Kompetenzteam von Marcus Helds SPD und in der SPD-Stadtratsfraktion.

Andrea Bunk ist 45 Jahre alt, gibt als Beruf Konditorin an und arbeitet im Altenzentrum Oppenheim, das der Stiftung Zivilhospital gehört (Vorsitzender der Stiftungskommission: Marcus Held). Sie trat 2008 in die Partei ein und ist heute schon Stellvertretende Vorsitzende des Ortsvereins. Sie ist auch Mitglied im SPD-Kompetenzteam und in der SPD-Fraktion des Stadtrats.

Markus Krämer ist 50 und angestellt bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen. Sein Name stand schon mal in der Zeitung: als er als Mitarbeiter des Ordnungsamts den Verkehr vorm Wertstoffhof regelte. Ansonsten ist er eher unauffällig. Und natürlich im Held-Kompetenzteam.

Marco Meidinger, 27 Jahre alt, gibt als seinen Beruf im Internet Wissenschaftlicher Mitarbeiter an. Der Wahrheit die Ehre: Er ist Angestellter von Marcus Held – sein Name steht ganz oben auf der Namensliste von Helds Wahlkreisbüro. Der junge Mann ist auch lokaler Vorsitzender der SPD-nahen Arbeiterwohlfahrt (AWO), Mitglied in Helds Kompetenzteam und Mitglied im SPD-Vorstand Rhein-Selz.

Die GWG steht stellvertretend für das System Marcus Held, das eigentlich ganz einfach funktioniert: Verschaffe den Leuten ein paar Vorteile – gebe ihnen einen Job oder verhelfe ihnen zu einer Wohnung, manchmal genügt auch ein Posten oder nur ein Pöstchen, mit dem sie ihr Ego aufpolieren können. Diese Leute werden dir dankbar sein. Und wenn du sie um dich herum versammelst, ihnen gar kleine Entscheidungsbefugnisse einräumst – du wirst sehen: Sie werden alles tun, was du willst, nur um dir weiterhin zu gefallen. Und du kannst immer sagen: Ich? Ich habe nichts entschieden – die Leute waren es…

Der Rathaus-Briefkasten: Hier sitzt das Büro der MAP Consult GmbH – neben dem Büro "plangUT", das GWG-Aufsichtsrat Baumgarten gehört, der von Stadtbürgermeister Held regelmäßig mit Aufträgen bedacht wird.

Letztes Jahr wurde Held von der Lokalzeitung zitiert: „Ich möchte schon einmal wissen, wer bereit wäre, sich für 400 oder 450 Euro an dieser Stelle so zu engagieren und so viele Baumaßnahmen mit zu realisieren.“ Ein typischer Held-Ausspruch, nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig: Als GWG-Chef bekommt er 450 Euro, als Geschäftsführer der GWG-Tochter HGO (Haus- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft Oppenheim) bekommt er weitere 400 Euro. Macht zusammen 850 Euro im Monat. Manch einer muss dafür lange arbeiten. Held hat bekanntlich noch  ein paar Einnahmequellen mehr…

Was Marcus Held als Vorstand der GWG und als Geschäftsführer der HGO genau macht, wofür er also einige hundert Euro im Monat kassiert: Das bleibt völlig im Unklaren. Die operative Geschäftsführung der GWG, so schrieb die Allgemeine Zeitung im Februar letzten Jahres, sei an die Firma MAP Consult GmbH übertragen worden.

Was muss dann ein Vorstandsvorsitzender Marcus Held noch für sein Geld machen?

Vorliegende Unterlagen weisen zudem aus, dass die Firma MAP Consult GmbH auch per Vertrag mit der Geschäftsführung der HGO beauftragt wurde.

Was bleib dann für den HGO-Geschäftsführer Marcus Held noch zu tun?

Die MAP Consult GmbH, da schließt sich der Kreis, ist in Oppenheim nicht ganz unbekannt: Stadtbürgermeister Marcus Held verschaffte der kleinen Firma, deren Gesellschafter-Geschäftsführer Stefan Lösch heißt, ein Büro mit Briefkasten im Rathaus – und beschäftigt sie im Dauerauftrag mit der Altstadtsanierung.

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