Schwerwiegende Straftaten! Anklage gegen Marcus Held erhoben

Kurz vor Zwölf an diesem Freitag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft Mainz die entscheidende Nachricht: Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held soll demnächst der Prozess gemacht werden, und zwar wegen einer Vielzahl äußerst schwerwiegender Straftaten. Es geht um Untreue, na klar. Aber noch schwerer wiegt: Die Ermittlungen haben auch den hinreichenden Tatverdacht für Betrug, für Bestechung und Bestechlichkeit und für Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung erbracht. Und dann ist da noch der Verdacht des Verstoßes gegen das Parteiengesetz…

Das ist eine Hammer-Nachricht – für die Öffentlichkeit und für den bislang abgetauchten SPD-Landesverband! Und vor allem ist es eine Schock-Nachricht für Marcus Held: Die Justiz will offenbar knallhart gegen ihn vorgehen!

Held-Kritiker hatten in den letzten Monaten immer wieder eine Sorge geäußert: Die Ermittlungen dauerten unglaublich lange, nahezu zwei Jahre – kommt da überhaupt noch was raus? Oder bleibt es am Ende bei seichten Vorwürfen, ohne besondere Folgen für den SPD-Politiker?

Jetzt wissen wir mehr: „Gegenstand der Anklage sind in wechselnder Beteiligung begangene Vergehen der Untreue, des Betruges, der Bestechung und Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung sowie des Verstoßes gegen das Parteiengesetz“, heißt es in einer an diesem Freitag veröffentlichten Pressemitteilung der Leitenden Oberstaatsanwältin Andrea Keller.

Wie ist das zu bewerten? „Das sind für einen Amtsträger Vorwürfe größten Kalibers“, sagt dazu ein Jurist in einer ersten Bewertung. „Die zur Anklage kommenden Straftatbestände – nicht nur Vermögensstraftaten, sondern vor allem auch Bestechungsdelikte – sind das Maximum dessen, was man erwarten konnte und was Held befürchten musste.“

Mit der am vergangenen Dienstag (9. Juli) erfolgten offiziellen Anklageerhebung (wohlgemerkt zum Land- und nicht nur zum Amtsgericht Mainz) ist klar, dass die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Marcus Held weit über das Stadium bloßer Mutmaßungen und eines bloßen Anfangsverdachts hinausgewachsen sind. Details wurden nicht mitgeteilt; es sind die Zwischentöne, die sich für Marcus Held gar nicht gut anhören dürften. So betont die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung ausdrücklich, dass sie eine Anklage nur dann erhebe, wenn sie „aufgrund der Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verurteilung der Angeschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist“.

Das heißt zugleich: Es ist mit einer Verurteilung von Marcus Held zu rechnen. Für Juristen ist auch eindeutig: Angesichts der Schwere der Vorwürfe erscheint eine Freiheitsstrafe für den SPD-Bundestagsabgeordneten keineswegs ausgeschlossen!

Der Nachsatz in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft dürfte angesichts der Faktenlage eher als Pflichtübung zu werten sein: Mit der Erhebung einer Anklage sei natürlich kein Schuldspruch verbunden, es gelte die Unschuldsvermutung. Selbstverständlich!

Das weitere Vorgehen ist jetzt genau definiert: Das Landgericht Mainz wird über die Zulassung der Anklage entscheiden. Eine Nichtzulassung der Anklage durch das Gericht darf angesichts der langen und sicher umfangreich-gründlichen Ermittlungsarbeit als unwahrscheinlich angesehen werden. Im nächsten Schritt dürfte also dann das Hauptverfahren eröffnet werden. Das Gericht wird tagen, und Marcus Held wird auf der Anklagebank Platz nehmen müssen.

Einige Verfahren eingestellt – ein Verfahren läuft noch

Eine Reihe von Vorwürfen gegen den früher stets machtbewusst auftretenden Bundespolitiker wird, das steht jetzt ebenfalls fest, nicht weiterverfolgt. Die entsprechenden Verfahren wurden nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnungeingestellt – weil also die ermittelten Sachverhalte eine strafrechtliche Verurteilung Helds (und anderer Beschuldigter) nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen:

  • Als Stadtbürgermeister hatte er dem Unternehmer Gradinger ein Grundstück (mitsamt riesigem Lagergebäude) abgekauft: Dort wollte er als Chef der lokalen Wohnungsbaugesellschaft Mietwohnungen bauen lassen. Den Grundstücks-Kaufvertrag änderte er notariell im Nachhinein zum Nachteil der Baugesellschaft ab: Der Fall wird strafrechtlich nicht weiterverfolgt.
  • Bei der Vergabe des Abrissauftrags für das Gradinger-Grundstück wurden einige Anbieter eigenmächtig von der Liste gestrichen: Auch das ist kein Fall fürs Gericht.
  • Als SPD-Bürgermeister hatte er seiner SPD-Fraktionsvorsitzenden eigenmächtig die Ablöse für nicht gebaute Stellplätze erlassen: Strafrechtlich abgehakt.
  • Einem Interessenten hatte er ein Grundstück nach einer Spende an die SPD verkauft: Erledigt.
  • Und dann war noch der Mercedes Vito, den Helds Ehefrau plötzlich fuhr – nachdem Held der Ehefrau eines Autohändlers bei einem Grundstücksgeschäft auf Kosten der Stadt einen satten Preisnachlass gewährt hatte. Auch dieser Vorgang wird ad acta gelegt.

Die Staatsanwaltschaft schreibt, dass in diesen Fällen der Nachweis einer Straftat nicht geführt werden konnte bzw. die Beschuldigten durch die Ermittlungen entlastet wurden.

Vorwürfe gegen Marcus Held, wonach er jahrelang Dienstfahrzeuge privat unentgeltlich genutzt hatte, werden aus einem anderen Grund nicht weiterverfolgt: Die Ermittlungen, so die Staatsanwaltschaft, würden nach § 154 Absatz 1Strafprozessordnung eingestellt. Das heißt nicht, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Der Paragraf ermöglicht es der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung einer Straftat abzusehen, wenn die Bestrafung angesichts anderer zu erwartender Strafen nicht sonderlich ins Gewicht fällt.

Es gibt, auch das teilte die Staatsanwaltschaft jetzt mit, im Oppenheim-Skandal immer noch Ermittlungen, die nicht abgeschlossen sind: Held hatte als Stadtbürgermeister eine Tourismus GmbH initiiert, die mehrheitlich in Privatbesitz ist. Diese GmbH hatte jahrelang städtisches Personal für ihre Zwecke beschäftigt. Personalkosten in Höhe von jährlich 81.000 Euro – in der Summe deutlich über 200.000 Euro – flossen aus der klammen Stadtkasse ab, ohne dass zwischen GmbH und Stadt eine Nutzungsentschädigung vereinbart und abgerechnet worden wäre. Seit November 2017 laufen die Ermittlungen. Das Ergebnis laut Staatsanwaltschaft: noch offen.

Suche nach den Whistleblowern wird eingestellt

Es waren bis heute unbekannte Whistleblower, die die Ermittlungen gegen Marcus Held im Frühjahr 2017 in Gang gesetzt hatten: Mit Unterlagen aus der Verwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz untermauerten sie den Verdacht zahlreicher Unregelmäßigkeiten von Marcus Held. „Untreue im Amt“, so lautete ihr Hauptvorwurf. Eventuell, so ließen sie anklingen, könnten noch schwerwiegendere Vergehen begangen worden sein.

Das so genannte „Memorandum“ der Whistleblower führte dazu, dass der Landesrechnungshof und dann auch die Staatsanwaltschaft die Amtsgeschäfte des SPD-Stadtbürgermeisters genauer unter die Lupe nahmen. Der Rechnungshof sprach von substantiierter Sachverhaltsschilderung. Das „Memorandum“ bildete schließlich auch die Grundlage der ausführlichen Berichterstattung im Internet: Die Webseite „www.der-oppenheim-skandal.de” machte den Fall überhaupt erst publik, sie diente der Öffentlichkeit ein Jahr lang als Informations-Plattform, hier wurden alle Verdachtsmomente gegen den Stadtbürgermeister und die späteren Erkenntnisse des Landesrechnungshof ausführlich dokumentiert – bis zum Sturz des Stadtbürgermeisters im März 2018.

Ohne den Mut der Whistleblower würde Marcus Held heute noch ungehindert in Oppenheim schalten und walten. Der damalige Stadtbürgermeister wie auch sein Parteifreund, VG-Bürgermeister Klaus Penzer, versuchten nach Bekanntwerden der Vorwürfe, die Whistleblower in eine kriminelle Ecke zu rücken. Die VG erstattete sogar Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats, die Staatsanwaltschaft eröffnete ein weiteres Ermittlungsverfahren, Beamte der Mainzer Kriminalpolizei machten sich auf die Suche nach den „Whistleblowern“.

Jetzt schreibt die Staatsanwaltschaft, dass die Whistleblower „trotz intensiver und aufwändiger polizeilicher Ermittlungen nicht identifiziert werden konnten“. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

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