Weinritterschlag: Lammert sagt Held ab

Da ist ja etwas ganz dumm gelaufen! Ausgerechnet eine ranghohe SPD-Parteifreundin hat dem Oppenheimer Stadtbürgermeister seinen größten Wahlkampf-Gag verhagelt: Am 19. August, also gut einen Monat vor der Bundestagswahl, wollte er sich als kontaktmächtiger Politiker präsentieren und Bundestagspräsident Norbert Lammert auf der Burgruine Landskrone zum Weinritter schlagen. Jetzt sagte der CDU-Politiker überraschend ab.

Angeblich lautet der Grund: Man habe sich in Berlin darauf verständigt, dass zwei Mitglieder des Bundestagspräsidiums nicht unmittelbar nacheinander die gleiche Ehrung annehmen. Marcus Held will am 11. August, zum Start des Weinfests, seine Parteifreundin Ulla Schmidt in den Weinritterkreis aufnehmen. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Für Norbert Lammert war die Schmidt-Ehrung jetzt eine willkommene Steilvorlage: Sein Büro schickte am Wochenanfang seine Absage ans Oppenheimer Rathaus.

Im Bundestagspräsidium war der Oppenheim-Termin in den letzten Wochen heiß diskutiert worden. Daran war weniger Frau Schmidt schuld – dann hätte Lammert seine Absage schließlich bereits vor Wochen schicken können.

Nein, es gab zuletzt wesentlich drängendere Fragen: Sollte beim Weinritterschlag wirklich ein hochangesehener CDU-Politiker ausgezeichnet werden – oder würde es sich bei der Veranstaltung nur um die billige Wahlkampf-Inszenierung eines SPD-Abgeordneten handeln? Der gewählte Termin kurz vor der Bundestagswahl verstärkte den unangenehmen Verdacht: Wollte ein umtriebiger SPD-Abgeordneter den populären CDU-Bundestagspräsidenten für seine eigene Show benutzen?

Und dann, natürlich, gab es auch noch diese Frage: Kann ein Bundestagspräsident eine Ehrung von einem Mann annehmen, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue in mehreren Fällen ermittelt? Wie sieht das denn aus?

Norbert Lammert selbst war es gewesen, der dafür gesorgt hatte, das die großen politischen Träume des Marcus Held (er würde nur zu gerne Bundeskanzler werden, kolportieren seine Parteifreunde in Oppenheim) in Bälde zerplatzen könnten. Der Bundestagspräsident erhob keinen Einspruch, als die Staatsanwaltschaft ihm unlängst mitteilte, sie wolle gegen Marcus Held – trotz seiner Immunität als Bundestagsabgeordneter – ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mehrfachen Untreue einleiten.

In einem solchen Fall ist ein sehr formales Procedere vorgeschrieben: Die Staatsanwaltschaft schickte ihr Schreiben am 28. Juni ab. Der Präsident des Deutschen Bundestages in Berlin bestätigte den Eingang der Post aus Mainz am 4. Juli 2017 um 15:28 Uhr.

Danach lief die Uhr – gegen Marcus Held. Der Vorgang ist klar geregelt: Der Bundestag hat zu Beginn der Wahlperiode beschlossen, dass Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages wegen Straftaten genehmigt werden – es sei denn, es handelt sich um Beleidigungen politischen Charakters. Es gibt nur eine kleine Hürde: „Die Staatsanwaltschaft darf ein Ermittlungsverfahren frühestens 48 Stunden nach Eingang der Mitteilung beim Präsidenten des Deutschen Bundestages einleiten“, erklärt Claus Hinterleitner vom Presseamt des Deutschen Bundestags.

48 Stunden wartete die Mainzer Staatsanwaltschaft. Lammert erhob in dieser Zeit – warum auch? – keinen Einspruch gegen die geplanten Ermittlungen. Das Verfahren nahm seinen Lauf, die Staatsanwaltschaft begann ihre Ermittlungen gegen Marcus Held.

Und nun sollte ausgerechnet dieser SPD-Abgeordnete den Bundestagspräsidenten mit dem Weinritterschlag ehren?

Im Frühjahr war die Einladung verschickt worden, Lammert hatte umgehend zugesagt. Marcus Held wähnte sich kurz vorm politischen Zenit: „An diesem Tag sind zwei der drei obersten Staatsorgane hier, da wird Oppenheim zum Zentrum der Republik“, diktierte er der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“ in den Block. CDU-Mann Lammert zum Weinritter schlagen zu können: Das muss Held als Glanzpunkt seines politischen Daseins eingestuft haben: „Er ist eine moralische Instanz im politischen Berlin und im ganzen Land, man hört ihm gern zu und er ist ein mehr als geschätzter Mann über die Parteigrenzen hinweg“, jubilierte der Stadtbürgermeister laut AZ. „Da können wir stolz drauf sein.“

Aus und vorbei. Die Entscheidung, den Termin abzusagen, kann erst in den letzten Tagen gefallen sein. Erst vor Kurzem hatte der Autor dieser Webseite beim Büro Lammert nachgefragt: Kommt der Bundestagspräsident wirklich für eine Ehrung durch Marcus Held nach Oppenheim? Im Pressereferat des Deutschen Bundestags wollte man sich nicht eindeutig äußern; Anna Rubinowicz-Gründler formulierte ebenso umständlich wie vielsagend, „dass zum Zeitpunkt der Zusage zur Teilnahme an der Verleihung der ,Weinritterehre’ die gegen Bundestagsabgeordneten Marcus Held in seiner Funktion als Stadtbürgermeister erhobenen Vorwürfe und die jetzt aufgenommenen staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht bekannt waren“. Und weiter: Der Veranstalter selbst müsse jetzt entscheiden, „ob die Veranstaltung auch unter Beteiligung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Dreyer zum geplanten Zeitpunkt stattfinden soll“.

Begeisterung über einen Ausflug nach Oppenheim incl. Weinritterschlag hört sich gewöhnlich anders an!

Auch Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die die Laudatio auf Lammert halten sollte, formulierte zuletzt sehr zurückhaltend und vorsichtig. Würde sie, so wurde sie gefragt, auch angesichts der neuen Erkenntnislage (Rechnungshof-Sonderprüfung, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen) der Einladung des Stadtbürgermeisters folgen und an seiner Seite ein Loblied auf den Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes singen?

Die Antwort der Ministerpräsidentin klang karg und dürftig: „Wenn die Stadt Oppenheim die Einladung aufrechterhält und Herr Lammert der Einladung folgt, wird die Ministerpräsidentin sehr gerne die Laudatio auf ihn halten.“

Nun sind alle Fragen beantwortet. Lammert sagte ab und kommt nicht – vorerst nicht, wie es im Weinritterkollegium hieß, das Büro Lammert habe signalisiert, dass die Ehrung durchaus zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden könne.

So ist es tatsächlich, so wird eben diplomatisch-geschickt formuliert in Berlin:  Am späten Nachmittag teilte Bundestags-Pressesprecher Ernst Hebeker mit, „dass der Bundestagspräsident Herrn MdB Held einen Brief geschrieben hat, in dem er aufgrund der inzwischen bekannt gewordenen unmittelbaren zeitlichen Nähe zu ähnlichen Zeremonien vor Ort die Verschiebung der ihm zugedachten Ehrung und eine neue Terminfindung für einen Besuch in Oppenheim anregt“.

Freuen wird das nicht zuletzt die lokale CDU: Die hatte wiederholt moniert, dass der traditionsreiche Weinritterschlag von Marcus Held missbraucht und abgewertet worden sei zu Wahlkampfveranstaltungen der SPD, dies auch noch auf Kosten der Stadt. Die Peinlichkeit, dass der allseits geschätzte Norbert Lammert einer solchen SPD-Show durch sein Erscheinen seinen Segen gibt, bleibt den Oppenheimer Christdemokraten nunmehr erspart.

3 Kommentare zu „Weinritterschlag: Lammert sagt Held ab“

  1. Ich sehe das etwas anders. Leider hat Herr Lammert abgesagt, nicht Herrn Held, sondern der Stadt und de Bürgern der Stadt Oppenheim! Schade, denn die Ehre des Weinritters verleiht die Stadt und nicht der Bürgermeister. Er ist nur die handelnde Person! Natürlich ist es schwer verständlich, dass eine Person, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt das Schwert führt; das hätte man aber auch anders lösen können, z.B. durch einen der Beigeordneten, oder einer Ehrenperson aus Oppenheim; Es muss ja nicht immer Held sein, der da abgelichtet wird! Es gibt doch auch noch honorige Bürger der Stadt, die da hätten handeln können; oder dürfen die nicht? Ja, und die Aussage, Herr Held wolle Bundeskanzler werden ist schon fatal! Hatten wir nicht schon einmal einen BK aus Rheinland-Pfalz, der von Bimbes sprach und Geld meinte? Der Spenden angenommen hatte und dann dafür verachtet wurde? Oggersheim fängt ja auch mit „O“ an! Die Geschichte wiederholt sind! Der kleine Drache wollte ja auch Feuerwehrmann werden! Der spie Feuer! Was bleiben würde, wäre verbrannte Erde! In Oppenheim lodern schon so manche Flammen!

  2. Die Stadt Oppenheim, die Bürger und das Weinritterkollegium sind bei dieser Veranstaltung nur Staffage. Der Weinritterschlag ist natürlich eine reine Personality-Show mit dem Bürgermeister als Intendant, Regisseur und Hauptdarsteller. Die Aufmerksamkeit der Medien sichert er sich, indem er einen Promi zu sich auf die Bühne holt. Ob der etwas mit Wein und Oppenheim zu tun hat oder nicht, spielt keine Rolle. Hauptsache Promi. So kommt man wenigstens mal in die BILD oder in FOCUS. Von Wowereit bis Gysi, von Jung bis Lammert, von Christ bis Dreyer – Hauptsache Promi und garantiertes mediales Interesse überregional. Dass Norbert Lammert sich darauf überhaupt eingelassen hatte, musste schon verwundern. Dass er jetzt abgesagt hat, dürfte darauf zurück zu führen sein, dass ihm klar geworden ist, dass es nicht zusammen passt, zuerst die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben und dann dessen PR-Show zu schmücken.

  3. Skandal hin oder her. – Im übrigen: berichten Medien nicht über mannigfach Feldentaten, die zu zwielichtem Ruhm genügen?
    Mag weder Richter, noch Kläger sein. – Aber bereits Helds Vorgänger nutzte den an sich symbolischen Ritterschlag, um der kleinen Stadt einflussreiche Freunde zu verschaffen. Allerdings begnügte er sich mit Heroen der Landespolitik.
    Entscheidend aber: er agierte erstmals an der Front. Zuvor ehrten Vorsitzende des Verkehrsvereins Auserwählte; niemals der Stadtbürgermeister. – Ausschlaggeben für solch liebenswerte Geste sollten nach Satzung Lokalbezüge nebst Weinkompetenz sein: kulturelles oder önologisches Engagement für die Stadt und ihre entkorkten Wunder sollte den Ausschlag geben. – Zudem durften zukünftige Ritter nie ortansässig wohnen.
    Dem entscheidenden Kollegiium verhalf unter anderem auch der „Chef“ der ehemaligen SLVA zu Kompetenz. – Der Vorsitzende des Winzervereins, … – Werden solche Leute noch befragt – oder rekrutiert der Bürgermeister Kandidaten quasie diktatorisch. – Niemand wird gegen Gregor G. stimmen, sei es aus poltischem Kalkül. – Ähnliches gilt für den aktuellen Bundestagspräsidenten L, der zunächt rhetorisch verzichtet.
    Beide humane Politiker, so unterschiedlich ihr Credo ausfällt, eint das vergessen menschliche. Beide haben Schulterklopfen verdient. – So gesehen beweist M. Held wenistens geschmackvolle Weitsicht.
    Jedoch schleicht sich Zweifel ein. – G noch L haben mit Oppenheim genau so viel gemein, wie ich mit Häkeln, was einstiger Intention des Ritterschlages widerspräche.
    Die Zeromonie müsste deswegen neu definiert werde. Oppenheim lädt herausragende Persönlichkeiten, wprdigt ihr Werk und hofft, sie als Freunde zu gewinnen. Dann aber, müsssten Kriterien völlig neu definiert -, von Sachkundigen zu überprüfen sein.

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