Wochenrückblick: Ach was muss man nun vom bösen Bürgermeister…

Der Oppenheim-Skandal bewegt: Seit auf dieser Webseite alle Erkenntnisse des Landesrechnungshofes im „Oppenheimer Adventskalender“ dokumentiert werden, können die schweren Verfehlungen von Stadtbürgermeister Marcus Held von niemanden mehr wegdiskutiert oder gar verleugnet werden. In unserem Wochenrückblick zeigen wir auch auf, wie groß die Kreise sind, die die Affären des SPD-Politikers inzwischen ziehen.

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Das wird ein hochspannender Advent für alle Oppenheimer! Jeden Tag finden sie in unserem Adventskalender neue Details aus dem Berichtsentwurf des Landesrechnungshofs. Schon die Geschichte hinter dem ersten Türchen – wie sich Marcus Held auf rechtswidrige Weise und auf Kosten der klammen Stadt einen Allrad-BMW zulegte, dessen Leasingraten teurer waren als die von zwei Minister-Karossen in Mainz – sorgte für großes Aufsehen. Da wir den mehr als 100 Seiten starken Berichtsentwurf inzwischen komplett vorliegen haben, können wir verraten: Es kommt noch viel dicker! Wir bleiben dran, decken alles auf, werden jedes Detail vorstellen, erklären und einordnen: So füllt sich jeden Tag ein neues Türchen im Oppenheimer Adventskalender – schauen Sie einfach mal rein!

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Zur Lektüre möchten wir Ihnen unbedingt auch die zahlreichen Kommentare empfehlen, die Leser dieser Webseite schreiben. Einer hat jetzt die Vorgänge rund um den Stadtbürgermeister in Wilhelm-Busch-Manier zusammengefasst. Das liest sich so herrlich, dass wir zumindest das erste Gedicht hier in voller Länge zitieren wollen:

Ach was muss man nun vom bösen
Bürgermeister täglich lesen!
Welcher früher Recht studierte,
doch sein Amt gesetzlos führte.

Fern vom Pfad des Rechts er geht
in der Illegalität. 
Daran hinderte ihn nicht
seine Kommunalaufsicht.
Deren "schicke" Ignoranz
übte immer Toleranz.

Sie gab denen von den Roten
niemals eine auf die Pfoten.
Darum dauert der Bericht,
der von schlechten Taten spricht,
begangen zu des Bürgers Plage,
volle vierundzwanzig Tage.

Zwei weitere Folgen dieses Oppenheim-Gedichts, die sich mit dem Dienstwagen und den Vereinszuschüssen befassen, finden Sie im Kommentarbereich unter den Berichten (hier und hier). Da sich der Autor nur mit dem Alias-Namen „Wilhelm Busch“ meldet, appellieren wir an ihn von dieser Stelle aus: Bitte mehr davon! Macht Riesen-Spaß zu lesen! Bitte unbedingt weitermachen!

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Die Ungeniertheit, mit der Marcus Held zusammen mit einer Clique von Parteifreunden die Stadtkasse geplündert hat, ist frappierend. Selbst die Rechnungsprüfer, so heißt es, seien von der Dreistigkeit des Oppenheimer Stadtbürgermeisters äußerst unangenehm überrascht gewesen. Das betrifft nicht nur die Fülle seiner rechtswidrigen Amtshandlungen, sondern auch seinen Umgang mit den Prüfmitteilungen, die ihm die unabhängigen Experten der in Speyer ansässigen Kontrollbehörde geschickt hatten:

Held war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Bericht im jetzigen Entwurfsstadium nicht an Dritte weitergegeben werden dürfe. Aber was interessiert das einen Marcus Held? Natürlich leitete er die Papiere prompt und rechtswidrig weiter – und zwar nicht zunächst an die Mitglieder des Stadtrates (was erlaubt gewesen wäre), sondern an die Lokalredaktion der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“, wo er früher als freier Mitarbeiter gearbeitet hatte. Sein Kalkül dürfte durchschaubar sein, die bisher erschienenen Artikel verstärken die Vermutung: Held dürfte im Gegenzug für seine Informationen eine wohlwollende Berichterstattung verlangt und wohl auch versprochen bekommen haben.

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Der Landesrechnungshof teilte inzwischen mit, man habe den Stadtbürgermeister noch einmal darauf hingewiesen, dass „jede Weitergabe des Entwurfs der Prüfungsmitteilungen insgesamt oder in Teilen außerhalb des internen Bereichs der geprüften Gebietskörperschaften zu unterbleiben“ habe, und dass „bei erneuter Zuwiderhandlung gegebenenfalls rechtliche Schritte eingeleitet“ würden. Von diesem Schreiben, so teilt die Kontrollbehörde in Speyer weiter mit, „hat die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde einen Abdruck erhalten“.

Also müsste sich die Kommunalaufsicht in Ingelheim jetzt langsam mal rühren. Diese Aufsichtsbehörde soll sich, als der Landrat in Ingelheim noch Claus Schick (SPD) hieß, bei Hinweisen auf rechtswidrige Vorgänge im SPD-Städtchen Oppenheim stets weggeduckt haben – was auch heute den Umfang der Prüfmitteilungen erklärt. Man darf gespannt sein, ob die Beamten der Kommunalaufsicht weiterhin beide Augen vor den Fehltritten Helds verschließen. Dann allerdings könnte man sich ihre Planstellen bald auch ganz sparen…

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Helga Dahlem, früher CDU-Kommunalpolitikerin und heute trotz betagten Alters noch immer Mitglied in städtischen Ausschüssen, hat einen Leserbrief an die Lokalzeitung geschickt und darin einen weiteren „Fall Held“ aufgedeckt:

Die Stadt habe „zwei Sahnestücke zu einem sehr günstigen Preis“ verkauft ­– „mit Hilfe von Bürgermeister Held ohne Mitbieter und meines Wissens nach ohne Ausschreibung“: Die ehemalige Katharinenschule und das Merianhaus sollten vom neuen Besitzer umgestaltet werden, weshalb es auch noch ein Stück Straße und Parkplätze vor der Schule dazu gegeben habe. „Die Stadt verschenkte also gleich noch mehrere Parkplätze im Wert von etwa 80.000 Euro. Alles ohne Ausschreibung und ohne Wettbewerb!“ Der neue Besitzer halte sich jedoch nicht an Auflagen und Versprechungen. „Meine Empfehlung an die Stadt ist, die Terrasse wegen Nichterfüllung zurückzubauen. Gleiches gilt für die Häuser, wenn nicht erfüllt wird, was vereinbart wurde. Sanierung wird geschuldet, um überhaupt wieder die Stadt zu beleben.“

Andernorts würde eine Zeitung bei solch hanebüchenem Vorgang gleich Reporter losschicken. Dem Oppenheimer Blättchen sind die Hinweise auf weiteres Fehlverhalten von Marcus Held gerade mal eine Randnotiz wert.

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Die Lokalzeitung AZ hat längst ein echtes Problem: Vor wenigen Monaten, als ein Dossier die Verfehlungen des Marcus Held erstmals bekannt gemacht hatte, beschäftigten sich die Redakteure weniger mit dessen Inhalt. Sie  empörten sich vielmehr darüber, dass die Vorwürfe gegen den Stadtbürgermeister überhaupt verraten worden waren: „VG-Leaks“ war das große AZ-Thema: Es gehe um die Frage, hieß es in einem Kommentar, „ob die Bürger noch darauf vertrauen können, dass ihre Daten am Oppenheimer Verbandsgemeinde-Sitz sicher aufgehoben sind“.

Selbst jetzt, da der Rechnungshofbericht sämtliche Dossier-Vorwürfe nicht nur vollumfänglich bestätigt, sondern auch noch weitere schwerwiegende Sachverhalte aufgedeckt hat, steht die AZ-Redaktion offenbar immer noch unter der Fuchtel des Stadtbürgermeisters. Wenn sie überhaupt berichtet, dann allenfalls – siehe Dienstwagen-Affäre – ziemlich geschönt.

Die Quittung für solchen Journalismus, der eigentlich gar keiner mehr ist, kriegt die Zeitung garantiert. Ein Leser schreibt, er habe jetzt sein Abo gekündigt. Aus seiner Begründung macht er kein Geheimnis:

„Die geradezu zelotische Inbrunst, die die AZ zur Verteidigung von MH – wider inzwischen besseres Wissen – an den Tag gelegt hat und es immer noch tut, finde ich unerträglich und halte das nicht mehr aus.“

Wir geben offen zu: Das Wort „zelotisch“ war uns nicht geläufig. Wikipedia erklärt’s: Mit „Zeloten“ wurden jahrhundertelang religiöse Eiferer bezeichnet; heute steht das Wort allgemein für Eiferer oder Fanatiker.

Von der Verlagsgruppe Rhein Main (VRM), zu der die „Allgemeine Zeitung“ gehört, bekam der nunmehr frühere Abonnent eine Bestätigung seiner Kündigung, unterschrieben von einer Angela Harms („Leitung Lesermarkt“). Die hat vermutlich den falschen Textbaustein erwischt, jedenfalls klingt ihr Schreiben stark nach Realsatire:

Wir bedauern es sehr, Sie als Abonnenten zu verlieren. Mit unseren Produkten können Sie sich täglich über das informieren, was Ihre Stadt und Gemeinde bewegt.“

Wundern sich die Verlage und Redaktionen ernsthaft, dass immer weniger Menschen die Zeitung lesen?

 

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Wir ziehen kurz eine behördliche Zwischenbilanz: Der Oppenheim-Skandal beschäftigt inzwischen, na klar, das Rathaus Oppenheim, das Stadtparlament sowie mehrere Ausschüsse des Stadtrates.

Und auch die Verwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz, die in dem Sumpf ganz tief mit drinsteckt, kommt nicht mehr umhin, sich offiziell  zu befassen.

Die Vorgänge sind dazu, wie wir wissen, seit Monaten ein großes Thema beim Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz in Speyer.

Und immer wieder muss sich auch die Kommunalaufsicht kümmern – genauer: sie müsste sich eigentlich kümmern, es ist leider, wie gesagt, nicht erkennbar, dass sie das tut.

Darüber hinaus befasst sich die Staatsanwaltschaft Mainz mit der Marcus-Held-Affäre: Es läuft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue in mehreren Fällen gegen den SPD-Politiker.

Auch das Kommissariat zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Polizeipräsidium Mainz ist an der Sache dran: Die Kriminalbeamten machen Befragungen vor Ort, führten bereits Durchsuchungen unter anderem im Rathaus Oppenheim durch…

Das Bundestagspräsidium in Berlin war in den Fall Marcus Held involviert, ebenso der Deutsche Bundestag und auch die SPD-Bundestagsfraktion: Sie mussten der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Held zustimmen.

Der Oppenheim-Skandal war auch wiederholt Thema in der Bundes-SPD in Berlin und in der Landes-SPD in Mainz: Für die Partei gibt’s derzeit wirklich wichtigere Themen; jetzt einen SPD-Abgeordneten in den eigenen Reihen zu haben, der wiederholt rechtswidrig handelte und gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, das gefällt garantiert nicht.

Schließlich sind noch diverse Oppositionspolitiker auf Kreis- und VG-Ebene mit dem Fall beschäftigt. Die Grünen haben eine Sondersitzung des VG-Rates durchgesetzt: Eine Woche vor Weihnachten, am 18. Dezember, soll sich das Parlament der Verbandsgemeinde mit den Prüfmitteilungen des Rechnungshofes befassen. Jetzt forderten die Grünen VG-Bürgermeister Klaus Penzer auch noch auf, einen Vertreter des Landesrechnungshofes zu dieser Sitzung einzuladen. Was ja, angesichts der komplexen Materie, nur Sinn macht.

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Ein Leser (Name bekannt) schickte uns vorige Tage eine Mail, die wir an dieser Stelle gerne weitergeben könnten:

„Ich hoffe, das dieser Sumpf trocken gelegt wird. Allerdings glaube ich erst daran, wenn es soweit ist. Unsere Landesregierung äußert sich in diesem Fall überhaupt nicht. Das gibt mir zu denken, und ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Bürger der Steuern zahlt, und für jeden Wähler, der einen Volksvertreter wählt, der sogar im Bundestag sitzt. Ein ganz großes Dankeschön an die Verfasser des Memorandums! Ohne deren Mut wäre das Gemauschel und Geschacher vermutlich noch bis zur Überschuldung Oppenheims weiter gegangen!“

2 Kommentare zu „Wochenrückblick: Ach was muss man nun vom bösen Bürgermeister…“

  1. Ich finde klasse was sie machen, besonders den Adventskalender. Ich bin zwar noch nicht volljährig, aber ich muss sagen es erschreckt mich trotzdem was in meinem Heimatdorf so abgeht und um so mehr ans Tageslicht kommt, desto spannender wird es. Bitte machen sie weiter. Ich habe zwar auch schon den Bericht des Rechnungshofes gelesen, dank ihnen kann ich ihn aber viel besser verstehen.

  2. Beziehe mich auf Abs. 5 obigen Artikels:
    Zitat: Helga Dahlem, früher CDU-Kommunalpolitikerin und heute trotz betagten Alters noch immer Mitglied in städtischen Ausschüssen, hat einen Leserbrief an die Lokalzeitung geschickt und darin einen weiteren „Fall Held“ aufgedeckt:

    Die Stadt habe „zwei Sahnestücke zu einem sehr günstigen Preis“ verkauft – „mit Hilfe von Bürgermeister Held ohne Mitbieter und meines Wissens nach ohne Ausschreibung“: Die ehemalige Katharinenschule und das Merianhaus sollten…. (Zitat Ende)

    Das Thema nimmt die AZ heute, 19.03.2018, auf und ergänzt:
    Immobilien in Oppenheim gegen Dienstwagen
    http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/oppenheim/oppenheim/index.htm

    Sehr geehrter Stadtbürgermeister Krethe,

    wenn Sie wissen, dass der Ex-Stadtbürgermeister von Oppenheim diesen Mitsubishi, der eigentlich eine A-Klasse sein sollte, nicht gefahren hat, dann wissen Sie sicher auch wer es dann war und/oder für welche Zwecke er zum Einsatz kam.

    Beruht Ihr Wissen „der Vorschlag Wagen als Vertragsergänzung kam vom Immobilienkäufer, nicht von Herrn Held“ aufgrund „gehört durch persönliche Anwesenheit“?

    Sind denn derartige Rathausverträge und -vertragszusätze üblich?
    (Details sollten später geklärt werden, erst nach Übergabe des Fahrzeugs sollte die Eigentumsumschreibung für beide Immobilien erfolgen.)

    Als der Immobilienkäufer im Sommer 2007 (nach über 2 Jahren) das Geschäft rückabwickeln und Schadensersatz geltend machen wollte, weil er sich von den Behörde ausgebremst fühlte, konterte Herr Held damals „man habe die Häuser unter Wert verkauft“.
    Erinnern Sie sich denn auch noch an den realen Verkaufswert und daran, ob es andere Interessenten für die beiden Grundstücke gab und wenn ja, ob diese Interessenten ebenfalls einen Teilbetrag über „Dienstauto für die Stadt“ abwickeln wollten oder sollten und ob diese auch Parkplätze im Wert von 80.000,00 € als Bonbon erhalten hätten?

    Der neue Eigentümer hielte sich nicht an die Vereinbarungen, lese ich in obigen Artikel. Wurde denn in diese Richtung seitens der Stadt entsprechend gehandelt? Wurden beide Objekte „verhandlungs- und vertragsgemäß“ saniert? Hat sich das unter Wert verkaufen wenigstens für die Altstadtbelebung gelohnt?

    So viele Fragen, die die Bürger beschäftigen und nur eine Antwort: „Herr Held ist den Wagen nicht gefahren“.

    Herr Ruhmöller zog am 03.12.2017 behördliche Zwischenbilanz und hielt fest wer sich mit dem Fall Oppenheim beschäftigt (siehe Artikel). Erschreckend nicht wahr.

    Für Oppenheim hoffe ich, das die Prioritäten klar gesetzt werden.
    Nicht die persönlichen Befindlichkeiten verantwortlicher Politiker dürfen im Vordergrund stehen, der Focus muss auf den Interessen der Stadt liegen, so wie sich das eigentlich gehört.

    Petra Kuon

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