Wochen-Rückblick: Oppenheim scheint aufgewacht

Es brodelt in Oppenheim. Früher – das ist noch gar nicht so lange her, vielleicht ein gutes halbes Jahr – regierte Marcus Held als SPD-Stadtbürgermeister völlig unangefochten. Widerworte wurden von der schier übermächtigen SPD-Mehrheit gnadenlos abgewürgt und unterdrückt. Das ist vorbei, wie die letzte Woche eindrucksvoll zeigte: Lokalpolitiker hinterfragen inzwischen äußerst kritisch die Geschäftstätigkeit von Held, Penzer & Co. In Kommentaren auf dieser Seite wie auch auf Facebook bekennen sich immer mehr Menschen unterschiedlichster politischer Provenienz zu ihrer Kritik an der Stadtpolitik ­– mit vollem Namen. Oppenheim scheint aufgewacht!

Ein kleiner Ausschuss düpiert die Stadtspitze

Der Rechnungsprüfungsausschuss der Stadt Oppenheim hat getagt. Das ist zunächst keine bemerkenswerte Nachricht: Das ist vor allem eine schrecklich langweilige Pflichtaufgabe von ausgesuchten Ratsmitgliedern, die innerhalb kurzer Zeit kontrollieren sollen, ob die Verwaltung alle Einnahmen und Ausgaben korrekt verbucht hat. Am Ende einer meist ziemlich oberflächlichen Prüfung, so die Regel, wird von dem Ausschuss der Beschluss gefasst, dass alles in Ordnung sei und der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung dem Stadtbürgermeister, dem VG-Bürgermeister und den Beigeordneten die Entlastung erteilen könne.

So ist, wie gesagt, die Regel. Die aber gilt, und das ist ein echtes Novum, in Oppenheim nicht mehr. Am Mittwochabend kamen die Mitglieder des Ausschusses erneut zusammen, zum zweiten Mal, was schon nicht normal ist. Und dann tauchte auch noch, völlig unerwartet, Marcus Held auf, im Schlepptau seine Beigeordneten.

Der Stadtbürgermeister wird das drohende Ungemach geahnt haben, er wollte es wohl noch abwenden: Die AL-Mitglieder Raimund Darmstadt und Rainer Ebling erklärten, eine Entlastung der Stadtspitze sei gar nicht möglich, so lange nicht die Prüfmitteilungen des Rechnungshofs vorlägen.

Und die beiden setzten sich durch, was einer Düpierung der Stadtspitze gleichkommt. Zwar habe, so berichtete Darmstadt später, Held wiederholt seinen Unmut „durch Zwischenrufe, Unterbrechen von Redebeiträgen und verhöhnendem Gelächter“ gezeigt. Und die AZ zitierte anderntags auch noch ein namentlich nicht genanntes Ausschussmitglied, das sogar von „Einschüchterung“ berichtete.

Am Ende der Sitzung gab sich sogar der Vorsitzende des Ausschusses einsichtig: Rüdiger Spangenberg, der zwar für die CDU im Stadtparlament sitzt, sich aber wegen seines Rathauspostens als Beauftragter für Städtepartnerschaften immer wieder gegenüber der SPD und Marcus Held eilfertig verpflichtet zeigt, wird seither der Satz zugeschrieben: „Ins Blaue hinein können wir das natürlich nicht machen.“

Da hat er völlig recht, und so wird’s auch wohl kommen – wenn die SPD-Fraktion mit ihrer Mehrheit nicht im Stadtrat alle Bedenken wieder niederwalzen sollte. Nächsten Mittwoch will der Ausschuss übrigens ein drittes Mal tagen, es gibt noch immer offene Fragen zu diversen Sonderposten beim Geldausgeben. Die VG-Verwaltung, der solch eigenständiges parlamentarisches Denken und Handeln in einem kommunalen Gremium fremd zu sein scheint, muckte bereits auf: Sie wolle an dieser Sitzung nicht teilnehmen. Ein Mitarbeiter des Fachbereichs Finanzen teilte per Mail mit, es klingt arrogant und abgehoben:

Eins vorweg: der Rechnungsprüfungsausschuss kann selbstverständlich noch weitere Ausschusstermine festsetzen, nur werden meine Kollegin und ich an diesen nicht mehr teilnehmen.

Und munter geht’s weiter: Für die Mini-Fraktion der Alternativen Liste hat Raimund Darmstadt einen längeren Fragenkatalog an die Kommunalaufsicht bei der inzwischen CDU-geführten Kreisverwaltung in Ingelheim geschickt. Er will unter anderem das Auftreten des Stadtbürgermeisters auf seine Gesetzeskonformität überprüft wissen. (Darmstadts Fragenkatalog können Sie hier einsehen)

Erster SPD-Mann begehrt gegen Geheimnistuerei auf

Wie sollen wir das nur wieder deuten? Auch die Verbandsgemeinde Rhein-Selz hat einen Rechnungsprüfungsausschuss, und dessen Vorsitzender Willi Keitel hat zu einer Sondersitzung eingeladen. Termin: 30. November; einziges Thema: der Prüfbericht des Landesrechnungshofes, den Klaus Penzer und Marcus Held noch immer unter Verschluss halten. Keitel scheint diese Geheimnistuerei der lokalen Obrigkeit nicht länger hinnehmen zu wollen, er wird mit folgenden Worten zitiert: „Die involvierten Gremien müssen ihn endlich vorgelegt bekommen.“

An diesem Satz wäre nichts Ungewöhnliches, wenn ihn zum Beispiel ein CDU-Mitglied ausgesprochen hätte. Oder ein Kommunalpolitiker aus der zersplitterten Opposition im Verbandsgemeinderat.

Willi Keitel aber gehört der SPD-Fraktion an, also der Partei von Bürgermeister Klaus Penzer und Stadtbürgermeister Marcus Held, die als die Hauptprotagonisten im Oppenheim-Skandal auftreten. Keitel war früher Fraktionsvorsitzender der SPD im Oppenheimer Stadtrat und ist nicht gerade als Freund von Held bekannt. Seine offenen Worte lassen aufhorchen: Sollte etwa der SPD-Schutzwall um den Stadtbürgermeister anfangen zu bröckeln?

Ein Held-Dauer-Kritiker jedenfalls freut sich: Jetzt plage auch einen SPD-Mann „unausweichliche Einsicht – brillant“, kommentierte Raimund Darmstadt.

"Zeit für den Kohleausstieg"

Die dümmste Headline in der Geschichte des Oppenheim-Skandals publizierte die „Allgemeine Zeitung“ in der vergangenen Woche auf ihrer Rheinland-Pfalz-Seite:

„Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung?“ war ein Bericht überschrieben, in dem die Zeitung erstmals selbst recherchierte Details aus den Prüfmitteilungen des Landesrechnungshofes nannte (unter anderem Großspenden von Unternehmen, die Auftragnehmer der Stadt sind; zu viele Flaschen im Rathaus usw.).

Zu seinen unzweifelhaft guten Informationen zitiert der Redakteur allerdings sodann (leider nur anonyme) „Insider“ und „Experten“, die eine Gefahr für das Ehrenamt ausgemacht haben wollen, wenn das (bezahlte) Beigeordneten- und Beauftragten-Wesen in Stadt und Verbandsgemeinde vom Landesrechnungshof allzu kritisch hinterfragt werde.

Das klingt, erstens, als sei der Artikel in der Presseabteilung des Oppenheimer Rathauses vorformuliert worden. Und ist, zweitens, inhaltlich konfuser Unsinn: Kein vernünftiger Mensch will die Ernennung von Beauftragten und Beigeordneten grundsätzlich in Frage stellen. Aber ihre Anzahl, ihre Auswahl, ihre Aufgaben und Ressortzuordnung – das alles muss doch mal auf Sinnhaftig- und Notwendigkeit abgeklopft werden dürfen!

Es muss doch zum Beispiel die Frage erlaubt sein, ob sich der (extra bezahlte) Stadtbürgermeister von Oppenheim, der schon als SPD-Bundestagsabgeordneter finanziell nicht schlecht ausgestattet ist und zudem als Chef des örtlichen Baukonzerns GWG/HGO abkassiert, warum der einen weiteren Job auf Steuerzahlers Kosten innehaben muss – als „VG-Beauftragter für das Hallenbad Opptimare“.

Im Nachbarort Nierstein ist es ähnlich: Stadtbürgermeister Thomas Günther ließ sich zum Beauftragten für die Entwicklung des Rhein-Selz-Parks ernennen. Und kriegt seither extra bezahlt, was eigentlich eine Aufgabe seines (ebenfalls bezahlten) Bürgermeister-Jobs ist.

Solche Pöstchen haben mit gesellschaftlicher Notwendigkeit nichts mehr zu tun und finden in dieser Form in anderen – finanziell besser ausgestatteten – rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden auch keine Entsprechung. Sie bestärken eher den Verdacht des ungenierten Abgreifens von Steuergeldern durch eine kleine politische Kaste. Das Modell kritisch zu durchleuchten, zerstört keinesfalls das Ehrenamt und greift auch nicht in die kommunale Selbstverwaltung ein, wie die „Allgemeine Zeitung“ ungenannte Experten verbreiten ließ. Das Gegenteil ist der Fall.

Wir werden uns des Themas in nächster Zeit einmal ausführlicher annehmen. Auf unserer Facebook-Seite schrieb ein Leser namens Markus Frieauff, wie man’s in dieser Kürze nicht treffender formulieren kann:

Vielleicht sollte man mal (wirklich) ehrenamtlich Engagierte fragen, was eine Gefährdung des Ehrenamts darstellt und sie ihren Einsatz überdenken lässt: die Kritik des Landesrechnungshofes an „Aufwandsentschädigungen“ und pauschalen Vergütungen für Ehrenamtliche oder die Tatsache, daß immer mehr Herren sich solche „Ehrenämter“ nur dann greifen, wenn sie Kohle dafür kassieren können. Zeit für den Kohleausstieg, finde ich…

Ohrfeige für VG-Bürgermeister Penzer

Auch die Grünen in der Region beschäftigen sich mit dem „Fall Held“, dies   intensiver als man gemeinhin wahrnimmt. Vor kurzem hatten sie eine Sondersitzung des Rates der Verbandsgemeinde Rhein-Selz gefordert, was Grünen-Sprecherin Christina Bitz mit der Notwendigkeit „schnellstmöglicher und voll umfänglicher Aufklärung“ begründete, „auch im Sinne der Bürger, die schon lange auf Informationen warten würden“.

Wir hatten dazu angemerkt, dass eine solche Erkenntnis angesichts der zahlreichen politischen Erschütterungen doch etwas sehr spät komme. Diesen kritischen Einschub fand Frau Bitz wiederum gar nicht gut: „Wir waren die einzige Partei, die im VG-Rat im letzten April, damals per Eilentscheid,  umfassende  Aufklärung forderte“, erinnerte sie uns per Mail. Und schrieb weiter: „Mit Hinweis auf das laufende Verfahren mussten wir uns bis jetzt zurückhalten – und machen jetzt wieder Druck, so viel es geht. “

Tatsächlich gab es – wir hatten das leider längst vergessen – ein ganz leichtes politisches Zucken bei den VG-Grünen vor mehr als einem halben Jahr. Nur Dauer-Nörgler würden jetzt anmerken, dass die angegebene Begründung für die seither gepflegte Zurückhaltung („wegen eines laufenden Verfahrens“) nicht richtig zu überzeugen vermag: Kein Politiker muss sich in diesem unserem Lande den Mund verbieten lassen – auch nicht wegen eines laufenden Verfahrens.

Sei’s drum: Sie wollen weiter am Ball bleiben, die Grünen in der Verbandsgemeinde, jetzt sogar trotz des laufenden Verfahrens. Sie präzisierten ihren bisher allgemein gehaltenen Wunsch nach einer Sondersitzung des VG-Rates: Die müsse „innerhalb von vier Tagen nach Veröffentlichung des Berichtes des Landesrechnungshofes“ stattfinden, schrieb Fraktionssprecher Michael Christ. Für VG-Bürgermeister Klaus Penzer (SPD) gab’s eine verbale Ohrfeige, die dem Mann richtig weh getan haben dürfte:

In der Vergangenheit wurden immer wieder wichtige Themen und Fragen nicht beantwortet. Dem momentanen Misstrauen der politischen Landschaft kann nur entgegengetreten werden, wenn transparent mit möglichen Fehlleistungen seitens der Verwaltungsspitze umgegangen wird.

Ein Viertel der Mitglieder des VG-Rates muss dem Antrag der Grünen auf Durchführung einer Sondersitzung zustimmen. Es regiert eine große Koalition aus SPD und CDU. Wenn sich die kleinen Parteien Bürgerliste Rhein-Selz, FWG, FDP und ULG zusammentäten, worauf einiges hindeutet, dann käme der Antrag durch. Bleibt dann nur noch die Frage, wann Penzer & Held die Prüfmitteilungen des Landesrechnungshofes vorzulegen gedenken. Selbst wenn der Bericht Ende dieses/Anfang nächsten Jahres vorläge, könnten sie eine Veröffentlichung bis März hinausschieben…

Parteispenden aus Oppenheim: Was läuft da?

Überraschung! Die SPD-Pressesprecherin hat sich gemeldet! Sie erinnern sich bestimmt: Wir hatten unlängst wissen wollen, was eigentlich aus den parteiinternen Überprüfungen möglicher Geldzuflüsse aus Oppenheim geworden sei. Doch bei der SPD duckten alle weg.

Am vermeintlich raffiniertesten reagierte Sonja Bräuer, die Pressesprecherin der Landes-SPD in Mainz: Sie stellte sich glattweg tot, zeigte auch auf wiederholte Nachfragen null Reaktionen. Erst nachdem wir letztes Wochenende über ihr unprofessionelles Verhalten berichtet hatten, erwachte sie und reagierte plötzlich ganz fix. Gleich am Montag schickte sie eine Mail, deren Inhalt nur auf dem ersten Blick wenig aufschlussreich klang:

Wir werden uns gegenüber der Presse zu den Prüfungsergebnissen äußern, nachdem alle üblichen Schritte, die zu einem solchen Vorgang gehören, abgeschlossen sind. Das ist aktuell noch nicht der Fall.

Nun schon länger als ein halbes Jahr dauert die Überprüfung – und noch immer will die Mainzer SPD „die üblichen Schritte“ nicht abgeschlossen haben? Das kann nur bedeuten: Die Sache muss verdammt schwerwiegend sein!

Dazu passt auch ein Halbsatz aus dem bereits genannten AZ-Bericht mit neuen Details aus der Kontrollbehörde in Speyer: In deren Prüfmitteilungen soll es danach auch  „um Großspenden von Personen, die Auftragnehmer der Stadt sind, gehen“. Das könnte strafrechtlich äußerst interessant werden!

Und wir erinnern uns an eine Pressemitteilung, die der Landesrechnungshof Mitte Juli dieses Jahres herausgegeben hatte. Darin fand sich dieser Satz:

Mit Schreiben vom 14. Juni 2017 hat der Rechnungshof die Staatsanwaltschaft Mainz über Prüfungserkenntnisse informiert, aus denen sich Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Handlungen insbesondere privater Dritter ergeben könnten.

Es fügt sich, nach und nach, alles ins Bild.

Niersteins Günther hat es umgehauen

Blicken wir noch einmal kurz ins Nachbarstädtchen Nierstein. CDU-Stadtbürgermeister Thomas Günther, so heißt es, leide derzeit „wie ein Hund“: Hatte er doch nach einer China-Reise großspurig via Lokalzeitung verkündet, chinesische Firmen wollten sich in seinem Städtchen ansiedeln, sie wollten sogar eine Fachhochschule errichten. Alles sei notariell unter Dach und Dach, hatte der Mann getönt; sein lautes Auftreten sollte wohl signalisieren: Ist alles kein Problem für einen Macher wie mich!

Dann aber musste er auf dieser Webseite lesen, dass die China-Firmen gar nicht existent sind. Zudem wurden Details genannt zu Günthers Zweit-Job, den er sich ebenfalls vom Steuerzahler finanzieren lässt: Beauftragter der Verbandsgemeinde für die Entwicklung des Rhein-Selz-Parks nennt er sich, er kassiert auf diese Weise 600 Euro pro Monat zusätzlich für eine Aufgabe, für die er bereits als Bürgermeister bezahlt wird!

In seinem Zorn über die Nennung solch öffentlich zugänglicher Fakten soll Günther, so heißt es, in recht cholerischer Manier darüber nachgedacht haben, den Journalisten zu verklagen. Das wäre nicht untypisch: Mit solchen Drohungen kommt der eine oder andere Politiker ganz gerne, das soll wohl Eindruck machen.

Doch erst einmal hat’s ihn wohl umgehauen. Am Freitag tagte in Dorn-Dürkheim der CDU-Verband Rhein-Selz. Da wollte Günther eigentlich hin, vor allem, um den Einzug seines Lieblingsfeindes Michael Stork in den Vorstand zu verhindern. Auch wollte er, so hieß es im Vorfeld, den Verbandsvorsitzenden Matthias Schäfer kippen und einen eigenen Vertrauten durchdrücken.

Doch nach dem China-Knall kniff Günther: Er erschien erst gar nicht. Wegen Krankheit, hieß es unter den CDU-Mitgliedern. Die Versammlung soll daraufhin weitgehend harmonisch verlaufen sein. Schäfer wurde mit beeindruckender Mehrheit wiedergewählt, und auch Stork rückte in den Vorstand ein.

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