Verein „Oppenheim bewegt“: Wo ist das ganze Geld geblieben?

Der Verein „Oppenheim bewegt“ ist ein undurchsichtiger Zusammenschluss einiger Held-Freunde. Er wurde auf Initiative von SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held gegründet, als Vorsitzender ist dessen Spezi Markus Appelmann im Vereinsregister eingetragen. Der Verein kassierte in den letzten Jahren Steuergelder in fünfstelliger Höhe beim Landkreis Mainz-Bingen ab. Aber wo ist das ganze Geld geblieben? Jetzt endlich will die Kreisbehörde dieser Frage nachgehen.

Es war im Jahr 2008, als sich im Weinhaus Hilbig 14 Personen trafen. Es waren die üblichen Verdächtigen: Marcus Held hatte die Gründung eines „Stadtfördervereins“ vorgeschlagen, Markus Appelmann (macht gegen Bezahlung Werbung für die Stadt und SPD) setzte sich sofort mit an den Tisch, Peter Conrad (bekommt mit seiner Hebau GmbH nahezu alle Straßenbau-Projekte in Oppenheim) kam ebenfalls dazu, auch Stefan Lösch (Betreiber des Firmenbüros „MAP Consult GmbH“ mit Sitz im Rathaus) und natürlich wie immer Rudolf Baumgarten (der Uelversheimer SPD-Bürgermeister, der von Marcus Held regelmäßig mit Aufträgen versorgt wird und mit einer seiner Firmen ebenfalls im Rathaus sitzt).

Die ganze bekannte Bagage also. Man nannte den Verein „Oppenheim bewegt“, wählte Markus Appelmann zum Vorsitzenden und beantragte im Laufe der Zeit immer wieder zehntausende Euro Fördergelder beim Kreis Mainz-Bingen. Das war überhaupt kein Problem: In Ingelheim regierte SPD-Landrat Claus Schick, ein enger Kumpel von Marcus Held. Und die Kommunalaufsicht bei der Kreisbehörde, die eigentlich Aufsicht über die Kommunen führen muss, wird (noch immer) geführt von Dr. Stefan Cludius: Der ist mit seinem Aufgabenbereich offenbar völlig überfordert ist, weshalb die Kommunalaufsicht, wie jüngst sogar die Lokalzeitung erkannte, vollständig versagt hat, seit Jahren schon.

Kurzum: „Oppenheim bewegt“ kassierte viel Geld, dessen ordnungsgemäße Verwendung allerdings nie überprüft wurde. Wir haben das ansatzweise schon einmal berichtet.

Jetzt haben wir bei der Kreisbehörde noch einmal ausdrücklich nachgefragt: Wurden die Gelder auch wirklich ordnungsgemäß verwendet? Und jetzt endlich will die Behörde reagieren. Denn in mindestens zwei Fällen gibt es ganz offensichtliche Ungereimtheiten und damit auch deutliche Zweifel.

Fall 1: 20.000 Euro im Namen des FSV kassiert – warum?

2014 überwies die Kreisverwaltung 20.000 Euro aus Mitteln der Ehrenamtsförderung an „Oppenheim bewegt“. Der Stadtförderverein hatte das Geld für einen neuen Kunstrasenplatz an der Integrierten Gesamtschule beantragt: Auf dem Platz trainieren die Nachwuchs-Kicker des FSV Oppenheim; auf seiner Homepage spricht der Fußballsportverein von „unserem neuen Kunstrasenplatz“.

Frage an die Kreisverwaltung Mainz-Bingen: Warum hat nicht der FSV als Nutzer des Kunstrasenplatzes das Geld beim Kreis beantragt? Warum wurde der Verein „Oppenheim bewegt“ dazwischen geschaltet?

Die Antwort überrascht: „Bei der fraglichen Anlage handelt es sich um einen Schulsportplatz, der auch von Vereinen genutzt wird“, teilt Bardo Faust mit, der Sprecher der neuen CDU-Landrätin Dorothea Schäfer. Er sagt auch: Eine Schule könne keine Gelder aus den Mitteln der Ehrenamtsförderung bekommen. Es sei deshalb durchaus üblich, „dass eine örtliche ehrenamtliche Initiative wie der Verein ,Oppenheim bewegt’ die ,Schirmherrschaft’ über ein Projekt übernimmt“.

Andernorts nennt man das „mauscheln“ (was eine nette Umschreibung für tricksen, täuschen, betrügen ist): Wenn eine Schule keine Gelder aus der Ehrenamtsförderung kriegt, dann wird eben ein Verein vorgeschickt – schon fließt das Geld. Man kennt sich schließlich, die Besetzung dieses Fall ist beispielhaft: Der SPD-Vorsitzende Held hat den FSV-Vorsitzenden Gerhard Horn in sein SPD-Kompetenzteam geholt, Horn wiederum hat Held die FSV-Ehrenmitgliedschaft angetragen. Appelmann verdient bekanntlich dank Marcus Held viel Geld mit Werbung für Stadt und Partei…

Die Herrschaften sind alle miteinander verbandelt, da lässt sich gut kungeln, und die Öffentlichkeit wird im Zweifelsfall gezielt getäuscht: In der Lokalzeitung wie auf der Internetseite vom FSV wurde (und wird) so getan, als gehöre der Kunstrasenplatz dem Fußballverein. Dass der Platz im Besitz der Schule ist, wurde nie kommuniziert. Als Grund dafür darf vermutet werden:

In den Verfahrensregeln der Ehrenamtsförderhilfe, die der Leitende Staatliche Beamte Dr. Stefan Cludius unlängst noch einmal in einem Rundschreiben veröffentlicht hat, heißt es ausdrücklich: „Bei Baumaßnahmen müssen Maßnahmeträger oder Antragsteller grundsätzlich Eigentümer sein.“ Nur in Ausnahmefällen reiche  „ein langfristiger Erbbaurechts-, Miet- oder Pachtvertrag mit Gegenleistungsverpflichtung im Fall vorzeitiger Auflösung“.

Das bedeutet: Da der Kunstrasenplatz der Schule gehört, hätte nach den Verfahrensregeln gar kein Zuschuss aus der Ehrenamtsförderung beantragt bzw. gezahlt werden dürfen! Denn dass der Verein „Oppenheim bewegt“ Besitzer oder auch nur Pächter des Schulsportplatzes sein sollte, das wäre neu!

Die zentrale Frage aber, die uns umtreibt, lautet: Wenn der FSV den Kunstrasenplatz nutzt – warum hat dieser Verein nicht selbst den Zuschuss beim Kreis  beantragt? Das riecht doch stark verdächtig: Das Geld wurde im Umweg über den undurchsichtigen, völlig intransparent agierenden Verein  „Oppenheim bewegt“ geleitet – warum?

Als wir diese Fragen dem Sprecher der Kreisverwaltung vorlegten, räumte er sofort ein: Das sei in der Tat alles sehr ungewöhnlich. Und er versprach nachzuschauen, ob die Akten mehr verraten.

Früher, unter SPD-Landrat Claus Schick, hätten wir auf eine qualifizierte Antwort vermutlich bis zum St. Nimmerleins-Tag warten müssen. Seit CDU-Landrätin Dorothea Schäfer die Kreisverwaltung führt, scheint die Behörde bemüht, für die Bürger da zu sein. Wir sind sicher: Demnächst wird’s klärende Antworten in dieser Sache geben.

Fall 2: „Oppenheim bewegt“ bekam 10.000 Euro – wofür?

2016 kündigte der Verein „Oppenheim bewegt“ an, in der ehemaligen Güterhalle am Bahnhof einen Versammlungsraum einrichten zu wollen. Man präsentierte dem Stadtrat einen Kostenvoranschlag über 39.919,70 Euro. Daraufhin beantragte das Stadtparlament, wie es die Regularien vorschreiben,  beim Kreis einen 20.000-Euro-Zuschuss aus der Ehrenamtsförderung. Und der Landkreis bewilligte wie üblich das Geld für „Oppenheim bewegt“.

Natürlich hätte man schon damals die Frage stellen können: Wofür braucht ein Verein, dessen Daseinszweck sich doch weitestgehend auf das gelegentliche Beantragen von Fördermitteln beschränkt, einen eigenen, so teuren Versammlungsraum?

Die Frage wurde leider nie gestellt. Weshalb sich heute ein ganz neues Problem auftut: Wo ist dieser Versammlungsraum überhaupt? Existiert er wirklich? Und wenn ja: Wer nutzt ihn?

Wen man auch fragt in Oppenheim: Keiner kennt den Raum.

Markus Appelmann, der Vereinsvorsitzende, schweigt überraschend. Er will dazu nichts sagen. Er sei nicht mehr Vorsitzender, sagt er nur. Er sei „auf eigenen Wunsch aus der Vorstandsschaft Ende 2016 ausgeschieden“. Das kann nicht ganz richtig sein: Im offiziellen Vereinsregister beim Amtsgericht Mainz ist er noch immer als Vereinsvorsitzender eingetragen. Als wir ihn letztens darauf aufmerksam machten, schrieb er per Mail zurück: „Danke für Ihren Hinweis. Ich habe bereits mit dem Schriftführer Stefan Lösch gesprochen, der mir versicherte, dass er die Löschung meines Namens bereits angestoßen habe.“

Möglicherweise, so hatte Appelmann auch gesagt, könne Marc Sittig den Namen des aktuellen Vereinsvorsitzenden sagen. Der Oppenheimer Umweltbeauftragte und SPD-Funktionär sei schließlich zweiter Vorsitzender von „Oppenheim bewegt“. Sittig aber hat schriftlich eingereichte Fragen bis heute nicht beantwortet.

Also haben wir auch in diesem Fall bei der Kreisverwaltung in Ingelheim nachgehakt: Ist bekannt, wo der Verein „Oppenheim bewegt“ einen Versammlungsraum mit einem 20.000-Euro-Zuschuss vom Kreis eingerichtet hat? Und ganz grundsätzlich mal gefragt: Wird die ordnungsgemäße Verwendung von Zuschüssen im Rahmen der Ehrenamtsförderung eigentlich kontrolliert? Und was passiert, wenn sich Hinweise auf eine missbräuchliche Verwendung der Zuschüsse bestätigen sollten?

Auch hier überrascht die Antwort: Normalerweise werde ein Zuschuss erst nach Fertigstellung eines Projekts überwiesen, sagt Pressesprecher Faust. In diesem Fall aber sei, was nach den Statuten durchaus möglich ist, die Hälfte des Geldes – 10.000 Euro! – bereits nach Beginn des Projekts an den Verein „Oppenheim bewegt“ ausgezahlt worden.

Natürlich wurde nicht überprüft, ob tatsächlich mit den Arbeiten begonnen worden war (was unabdingbare Voraussetzung für die Auszahlung des Geldes gewesen wäre). Aber es kommt noch dicker: Seit der Auszahlung der 10.000 Euro habe man von dem Verein nichts mehr gehört, sagt Bardo Faust. Die restlichen 10.000 Euro seien bis heute nicht angefordert worden.

Das ist jetzt wirklich äußerst merkwürdig: Ein vermeintlicher Stadtförderverein verzichtet auf einen 10.000-Euro-Zuschuss – wo gibt’s das denn?

Das fragt sich jetzt auch die Kreisverwaltung: Der Angelegenheit müsse man unbedingt mal nachgehen. „Der Stand des Projektes wird überprüft“, verspricht Bardo Faust. Sollte es nicht beendet worden sein, „wird die restliche Fördersumme nicht ausgezahlt und der ausgereichte Betrag zurückgefordert“.

"Oppenheim bewegt" – auch ein Fall für die Staatsanwaltschaft?

Angesichts der sich abzeichnenden Faktenlage drängen sich natürlich noch weitere Fragen auf: Welche Rolle spielt Markus Appelmann? Er ist einer der großen Profiteure der Marcus-Held-Regentschaft, er hat als Vorsitzender von „Oppenheim bewegt“ den 10.000-Euro-Zuschuss angenommen – und will dann plötzlich den Posten abgegeben haben, allerdings ohne dass ein neuer Vorsitzender im Vereinsregister gemeldet wurde. Warum weigert er sich nur, den Namen seines Nachfolgers zu nennen?

Und auch diese Frage verlangt nach einer Antwort: Ist es eigentlich strafbar, wenn ein Verein unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Fördergelder abkassiert und einbehält oder sachwidrig verwendet?

Aber mit dieser Frage, für deren Beantwortung die Staatsanwaltschaft in Mainz zuständig ist, wollen wir noch ein wenig warten – bis die Kreisverwaltung Mainz-Bingen die Spur des Geldes in Oppenheim geklärt hat.

Gegebenenfalls schließt sich dann noch die Frage an, ob sich hartnäckige Gerüchte bewahrheiten, wonach der Verein „Oppenheim bewegt“ anderweitig Geld eingenommen hat. Immer wieder wird kolportiert, er soll auch bei der Entwicklung des Baugebiets Krämereck-Süd kassiert haben – in Form von Spenden

  • einerseits von Grundstücksverkäufern, denen die Stadt Oppenheim Grundstücke überteuert abgekauft hatte,
  • andererseits von bauwilligen Grundstückskäufern, nachdem sie den Zuschlag durch die Stadt Oppenheim erhalten haben.

Sollte sich solcherlei Spendenpraxis bewahrheiten, stellt sich auch hier die Frage: Was hat der Verein mit all dem Geld angefangen?

In der Güterhalle am Bahnhof wurde jedenfalls bislang kein Versammlungsraum ausgemacht. Wohl aber wurden dort Bauteile eines aufwendigen Motivwagens mit einer Reichstagskuppel gesichtet, auf dem sich Stadtbürgermeister Marcus Held vor seiner Erkrankung gerne bei Festumzügen kutschieren ließ – großzügig Rosen verteilend. Vielleicht eine Spur des Geldes…

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