Auf diesem Artikel lag wahrlich kein Segen: „Gewinne? Fehlanzeige!“ Unter dieser markigen Überschrift berichtete die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ über die „Oppenheim Tourismus GmbH“. SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held, Tourismus-Beigeordneter Helmut Krethe (früher CDU, jetzt parteilos) und Hansjürgen Bodderas (SPD), ebenfalls Beigeordneter und zugleich Geschäftsführer der Tourismus GmbH, hatten AZ-Redakteur Ulrich Gerecke zu einem Gespräch geladen.
Die neue Offenheit der Stadtführung bei diesem Thema dürfte leicht erklärbar sein: Auf dieser Webseite war erstmals aufgedeckt worden, dass die „Oppenheim Tourismus GmbH“ sich mehrheitlich in Privatbesitz befindet und trotzdem im großen Stil Gelder aus der Vermarktung städtischen Eigentums einbehält. Die rund 200.000 Euro, die jährlich bei Kellerführungen eingenommen werden, stehen eigentlich dem Stadtsäckel zu. Seit Jahren behält die GmbH das Geld ein; bei der Stadt verbleiben, rechnerisch, von den jährlich rund 200.000 Euro nur noch 49 Prozent.
Der eigentliche Knackpunkt ist: Es existiert zwischen Stadt und GmbH kein Nutzungsüberlassungsvertrag; es liegt noch nicht einmal ein entsprechender Ratsbeschluss vor. Die mehrheitlich von privaten Dritten gehaltene Firma verleibt sich also widerrechtlich Einnahmen aus der Verwertung städtischen Vermögens ein. Das bedeutet: Gegen Stadtbürgermeister Marcus Held steht auch hier der Verdacht der Untreue im Raum, das dürfte ein weiterer Fall für die Staatsanwaltschaft werden, die bereits in neun Fällen der Untreue gegen Held Ermittlungen eingeleitet hat.
Im AZ-Artikel über die Tourismus GmbH ist von alledem kein Wort zu lesen. Schon die Überschrift („Gewinne? Fehlanzeige!“) ist derart falsch, dass die Zeitung anderntags richtig stellen musste: „Keine Ausschüttung, aber Gewinne“. In dieser Korrektur-Meldung erklärt die Zeitung wiederum den Beigeordneten Helmut Krethe zum CDU-Mann (obwohl er bekanntlich aus der Partei ausgetreten und sich mit der örtlichen CDU heillos überworfen hat).
Die Korrektur-Meldung zählt auf, dass in 2014 ein Gewinn in Höhe von 4772 Euro verbucht wurde, in 2015 in Höhe von 3720 Euro, und dass in 2016 ein Fehlbetrag von 2670 Euro anfiel. Sie verrät aber nicht, dass zum letzten Bilanzstichtag am 31. Dezember 2016 Gewinne von insgesamt 50.236,18 Euro aufgelaufen sein dürften. Schließlich weist die Gesellschaft, die im Jahr 2012 mit einem Stammkapital von 100.000 Euro gegründet worden war, inzwischen ein Eigenkapital von 150.236,18 Euro aus. Dass der Gewinn bis dato nicht ausgeschüttet wurde, ist für die Bewertung unerheblich: Er ist den Gesellschaftern jedenfalls in Höhe ihrer jeweiligen Beteiligungsquote zuzurechnen. Und da haben wir immerhin 51 Prozent stadtfremde Gesellschafter.
So reiht sich Lapsus an Lapsus; auf dem Artikel lag, wie gesagt, kein Segen. Wobei die inhaltlichen Fehler eher nebensächlich sind bei der Bewertung. Der Bericht liest sich wie ein Elaborat im SPD-Stadtmagazin. Dort wird man es hinnehmen müssen, wenn lokale Politiker Sachverhalte einseitig und tendenziös darstellen. Von einer Lokalzeitung darf man mehr erwarten. Kritisches Hinterfragen zum Beispiel. Auch nachdenkliche Reflexion. Und fachliche Analyse.
In diesem Fall wünschte man sich – und allen anderen Lesern des Blatts –, dass der Redakteur sich nicht nur zur Aufnahme eines Diktats mit der Stadtführung getroffen hätte. Sondern an einigen Stellen selbstbewusst nachgehakt hätte:
- Wenn Stadtbürgermeister Held und seine Beigeordneten Bodderas und Krethe gegenüber der Zeitung behaupten, mit der GmbH sollte der Tourismus auf eine „breitere, flexiblere Basis“ gestellt werden – jenseits der wohlklingenden, aber inhaltsleeren Allgemeinplätze „breit“ und „flexibel“: Warum wurden als Gesellschafter nur bekannte SPD-Parteifreunde ausgewählt sowie Firmen, die über Held mit städtischen Aufträgen versorgt werden? Wurde der Tourismus wirklich flexibler, weil ein Bauunternehmer Conrad aus Hahnheim/Mainz (Hebau GmbH), die Wohnungsbaugesellschaft HGO oder der Uelversheimer SPD-Bürgermeister Baumgarten jetzt auch als Tourismus-Gesellschafter in Oppenheim agieren?
- Wenn Geschäftsführer Hansjürgen Bodderas als GmbH-Geschäftsführer ein Gehalt von 70.000 Euro bezieht für eine Arbeit, die vorher nebenbei gemacht wurde: Wie ist das zu rechtfertigen? Der Mann, von dem keinerlei Erfahrungen als Tourismus-Manager bekannt sind, hat in den vergangenen fünf Jahren, wenig überraschend, dem Oppenheim-Tourismus keine erkennbar neuen Impulse gegeben. Ist für einen solchen Mann ein 70.000-Euro-Gehalt in einer Mini-GmbH nicht etwas arg überzogen? Bodderas, der als Beigeordneter zusätzlich rund 10.000 Euro pro Jahr kassiert und zudem als Leiter der Festspiele fungiert, sagt laut AZ, bei der Stadt bekäme er nur unwesentlich weniger. Wirklich wahr? Den Job, die Planstelle sollte er bitte mal benennen!
- Die Tourismus GmbH existiert seit Ende 2012. Seither sind die Besucherzahlen kaum gestiegen, entsprechend stagnieren die Einnahmen und werden von Gehältern (insbesondere des Geschäftsführers Bodderas, aber auch des teilzeitbeschäftigten SPD-Stadtrats Walter Lang) in großen Teilen aufgesogen. 2013 wurden mit Kellerführungen 221.000 Euro eingenommen, im letzten Jahr waren’s 237.000. Wenn die Gründung einer GmbH den Tourismus in der Stadt Oppenheim in gut fünf Jahren kein bisschen nach vorne gebracht hat: Was soll dann die ganze Konstruktion?
Unwidersprochen können Held, Krethe und Bodderas via AZ verkünden: „Hier kann sich niemand die Taschen vollmachen, weil es nichts zum vollmachen gibt – bisher.“ Bei „einem jungen Unternehmen“ brauche es sechs bis sieben Jahre, um sich am Markt zu etablieren: „Nach dieser Phase der Beobachtung kann man bei guten Zahlen auch an eine Ausschüttung an die Gesellschafter denken.“ Dann bekäme die Stadt analog zu ihrem Anteil 49 Prozent…
So schreibt die Zeitung. Und der Redakteur fragte nicht nach: Wir haben es hier doch wohl kaum mit einem „jungen Unternehmen“ zu tun – Tourismus gibt’s viel länger, oder? Was hat sich seither geändert, außer dass ein hoch bezahlter Geschäftsführer eingesetzt wurde? Früher behielt die Stadt die 200.000 Euro aus den Kellerführungen zu hundert Prozent – warum begnügt sie sich jetzt nur mit 49 Prozent?
Der AZ-Redakteur fragt auch nicht nach, warum die Stadt neben der GmbH noch immer zwei weitere Tourismus-Stellen im Rathaus besetzt hat – für 70.000 Euro. Die AL hatte Ende letzten Jahres beantragt, sie an die GmbH anzugeben : Warum hat die SPD das abgelehnt?
Es gibt noch so viele Fragen zu dieser ominösen Tourismus GmbH. In einem Satz kann man dem AZ-Redakteur zustimmen, wenn er kommentiert: „Da muss man fast dankbar sein, dass der Landesrechnungshof zumindest einen Teil der städtischen und stadtnahen Konstruktionen unter die Lupe nimmt…“
Hundert Prozent d’accord. Nur das Wörtchen „fast“, das hätte er sich schenken können…
Als ich die AZ las dachte ich, das mit den Zahlen sei ein Schreibfehler, es ging um 7.000 und nicht um 70.000 für den Geschäftsführer der GmbH! Über 110.000 € bei einem Ertrag (vor Kosten) von 231.000 € ein wirklich stolzer Betrag, zumal ich erfuhr, dass im Rathaus Mitarbeiter diese Arbeit (so erzählt man sich) alleine bewältigen. Und ein anderer kassiert kräftig ab! Hätte man mich gefragt, ich hätte das auch für 20.000 € gemacht, und das mit tour. Erfahrung. Bei einem jährlichen Kostenposten von 70.000 €, und dies seit 2013, hätte eine deutliche Umsatzsteigerung erfolgen müssen!! Aber, passiert ist da nichts! Doch, die Einnahmen der Stadt haben sich fast halbiert! Die Stadt trägt offensichtlich das unternehmerische Risiko, trägt die Kosten der Unterhaltung und Sanierung, und die GmbH mehrt die Einlagen, oder wie man das nennen mag! Eine wirklich geile Konstellation! Null Risiko, maximaler Ertrag, auch Gewinn genannt, nur verschleiert dargestellt!
Wie sagte doch Vespasian? Geld stinkt nicht! Wenn es anders wäre, würden einige schon als lebende Jauchegrube herumlaufen!
Aber, wie man sieht, es gibt für jedes noch so seltsame Handeln und Verhalten eine Erklärung, man muss sie nur verstehen!
Zitat: Das Geld zieht nur den Eigennutz an und führt stets unwiderstehlich zum Missbrauch (Einstein)
Ich habe zwischenzeitlich die AZ gekündigt, weil ich die unzureichende Berichterstattung, nicht nur im Fall Held, einfach nicht mehr ertragen kann. Vielleicht kann man auch für einen solchen Bezugspreis nichts anderes erwarten. Wie diese „Zeitung“ zukünftig überleben möchte, wenn diejenigen, die dieses Werk bereits seit Jahrzehnten wegen der Todesanzeigen abonniert haben, überleben wollen, ist mir ein Rätsel.