SPD-Chef Lewentz: Manchmal ist Nazi-Keule ganz okay – oder?

Geht es nach dem Mainzer Innenminister und SPD-Landeschef Roger Lewentz (SPD), ist offenbar mit zweierlei Maß zu messen, wenn sich Politiker in ihrer Wortwahl beim Vokabular der NS-Zeit bedienen:

Tut’s ein AfD-Mitglied: Das ist ja ungeheuerlich! Ein ganz großer Aufreger!

Tut’s ein SPD-Mann: Uuups, dazu sagen wir lieber gar nichts!

Roger Lewentz, fotografiert für die SPD von der Fotografin Susie Knoll.

Offenkundig wurde diese gespaltene Haltung des SPD-Vorsitzenden in der letzten Woche: Am Donnerstag (22.02.18) titelte die „Allgemeine Zeitung Mainz“: „Lewentz: Wie bei Goebbels“. Das Thema war der Zeitung ganz wichtig, die Redaktion platzierte es sogar auf Seite 1. Hintergrund: Der AfD-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt hatte in einem wirklich üblen Ausfall die Berliner Linkspartei als „Links-Spackos“ und „arbeitsscheues Lumpenproletariat“ diffamiert. Lewentz reagierte umgehend und sagte laut Zeitung zum Begriff „Lumpenproletariat“: „Wissen Sie, wo ich das gelesen habe? In den Tagebüchern von Goebbels.“ Er, Lewentz, sei auch der Meinung, dass so ein Politiker nicht mehr AfD-Mitglied sein dürfe.

Und jetzt schauen wir in den SPD-Landesverband von Roger Lewentz, und wir erinnern uns daran, was unlängst beim städtischen Neujahrsempfang in Oppenheim passiert ist: Dort hielt Claus Schick eine Ansprache. Der ehemalige SPD-Landrat von Mainz-Bingen kanzelte vor dem versammelten Publikum die lokale Presse ab, weil sie über die Affären von SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held berichtet hatte. Und dabei leistete er sich eine unverzeihliche Entgleisung:

Der Ex-Landrat warf der Presse das Schüren von „Pogrom-Stimmung“ vor. Er setzte damit die aktuelle journalistische Berichterstattung über den Oppenheim-Skandal mit den Ausschreitungen der Nazis gegen die Juden gleich.

„Der größte Nazi-Keulen-Schwinger der Woche“ empörte sich die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ zu Recht und erinnerte daran, dass Schick im Besitz eines roten Parteibuchs sei.

Der Ausfall des rheinhessischen SPD-Politikers wurde vom Publikum mit „zustimmendem Gejohle“ (AZ) gefeiert. Marcus Held, der auch SPD-Bundestagsabgeordneter ist, saß dabei – und hat bis heute nichts dazu gesagt. Kathrin Anklam-Trapp, die SPD-Landtagsabgeordnete aus Worms, saß dabei – und hat bis heute nichts dazu gesagt.

Nur die Jusos in Mainz-Bingen distanzierten sich öffentlich von den Schick-Äußerungen. Und auch der SPD-Kreisvorsitzende Salvatore Barbaro nahm umgehend und eindeutig Stellung zu dem verbalen Ausfall seines Parteifreundes. „Der Vergleich mit den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte ist völlig unangemessen“, befand er. Und sagte auch: In Oppenheim geht es um Kritik an der Amtsführung, nicht um einen Massenmord.“ 

Und was sagt Roger Lewentz, der oberste SPD-ler von Rheinland-Pfalz, zum Nazi-Jargon in seiner Partei? Nichts. Gar nichts! Der SPD-Landesvorsitzende schweigt. Er tut so, als hätte er nichts gehört. Er tut so, als sei es ihm völlig egal.

Für den rheinland-pfälzischen SPD-Chef gibt es offensichtlich zwei Bewertungs-Kategorien: unerträgliches braunes Vokabular – und akzeptables braunes Vokabular. Gegen die AfD erhebt sich Lewentz breitbrustig, mimt den Empörten. In der eigenen Partei zeigt er sich kleinlaut, duckt weg. Manchmal, so lautet seine unausgesprochene Botschaft, dürfe die braune Nazi-Keule gerne geschwungen werden. Oder wie sonst sollen wir das Schweigen des SPD-Landeschefs werten?

Der Oppenheimer Schriftsteller Frieder Zimmermann hat am gestrigen Freitag einen Brief an Roger Lewentz geschrieben, den wir im Wortlaut dokumentieren:

Sehr geehrter Herr Minister Lewentz,

in der gestrigen Allgemeinen Zeitung habe ich Ihre meines Erachtens sehr zutreffende Bewertung verbaler Ausfälle eines AfD-Landesvorsitzenden gelesen. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass sprachliche Entgleisungen, wie sie sich dieser Herr P. erlaubt hat, durchaus mit der diffamierenden Sprache der Nazipropaganda verglichen werden darf. Sprachliche Verrohung artikuliert die stattgefundene geistige Verrohung und bildet die in den Köpfen dieser Leute dominierende Ignoranz, Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit ab.

Leider sind es nicht nur die Populisten der AfD, die mit ihrer Sprache auf niedrigstem Niveau versuchen, die Lufthoheit über Skinheadstammtischen und Hooligangelagen zu gewinnen. Beim Neujahrsempfang des SPD-Stadtverbandes Oppenheim vor ein paar Wochen ließ sich der ehemalige Landrat von Mainz-Bingen Claus Schick auch auf dieses Niveau herab, als er der Allgemeinen Zeitung „unvertretbare und unverantwortliche Hetze“ und das Schüren von „Pogromstimmung“ (!) unterstellte. Herr Schick ließ sich dazu hinreißen, weil die AZ über die Feststellung von Unregelmäßigkeiten und Rechtsverstößen in der Verwaltung von Stadt Oppenheim und Verbandsgemeinde Rhein-Selz durch den Landesrechnungshof und diesbezügliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft berichtet und kritisch bewertet hatte. Herr Schick hat damit nicht nur eine einzelne Redaktion attackiert, sondern einen Anschlag auf die grundgesetzlich verbriefte Pressefreiheit unternommen.

Die Sprache von Herrn Schick ist dabei von gleicher Qualität wie die des Herrn P. aus Sachsen-Anhalt, die Sie mit der des Chefpropagandisten der Nazis verglichen haben. Herr Schick hat sich damit einer mit der Terminologie der Pegida-Truppen vergleichbaren Sprache bedient, die „Lügenpresse!“ blöken. Herr Schick hat seine in Oppenheim getätigten Aussagen bislang nicht zurück genommen, obwohl er vielfach dazu aufgefordert wurde.

Daher bitte ich Sie um Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen eine öffentliche Bewertung der Wortwahl von Herrn Schick vorzunehmen. Sie sind der Landesvorsitzende der Partei, für die Herr Schick über viele Jahre öffentliche Ämter bekleidet hat. Wenn Sie die üble Wortwahl eines AfD-Menschen aus Sachsen-Anhalt qualifizieren, sollten Sie das auch bei einem exponierten SPD-Menschen in Rheinland-Pfalz tun.

Mit freundlichen Grüßen

Frieder Zimmermann

Wir sind gespannt, ob Roger Lewentz noch Position bezieht – oder ob er braune Redenschwinger und Ausfälle gegen die Pressefreiheit in seinem SPD-Landesverband akzeptiert.

11 Kommentare zu „SPD-Chef Lewentz: Manchmal ist Nazi-Keule ganz okay – oder?“

  1. Wahre Worte, aber letztendlich will ja keiner sein eigener Nestbeschmutzer sein. Und sagt man nicht auch

    „Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe?“

    oder

    „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“

  2. Vom Innenminister Lewentz wird nichts kommen, da er doch selbst als für die Kommunen verantwortlicher Minister die Speerspitze der in der Causa Held verfilzten Genossen in der Landeshauptstadt Mainz ist. Er wird weder den ehemaligen Landrat Schick (SPD), den Verbandsbürgermeister Rhein-Selz Penzer (SPD), den Stadtbürgermeister Oppenheim Held (SPD) noch gar die Allgemeine Zeitung (SPD-hörig) kritisieren. Er hat in der Vergangenheit alle Affairen (z.B. Flughafen Hahn, Nürburgring) unbeschadet überstanden und vor allem: er ist der Edelknappe der Ministerpräsidentin (SPD), auf deren Schutz er sich verlassen kann.

  3. Bernd Harth-Brinkmann

    Großer Respekt Herr Zimmermann .
    Ich bin gespannt auf die Reaktion des Herrn Ministers.
    Obwohl ich nicht daran glaube,das da was kommen wir.
    Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

  4. Der Begriff „Lumpenproletariat“ wurde von Marx und Engels geprägt. Da hätte Lewentz auch einen Blick ins „Kommunistische Manifest“ riskieren dürfen.
    Zu diesem „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ gehören zahlreiche Aufzählungen seitens Marx.

    Die Angriffe gegen das „Lumpenproletariat“ beschränkten sich aber nicht nur auf den materiell untersten Stand.
    Engels sieht im „zahlreichen Schmarotzeradel“ der unteren Schicht des preußischen Junkertums ein „adliges Lumpenproletariat“,

    „das vom Schuldenmachen, zweifelhaftem Spiel, Zudringlichkeit, Bettel und politischer Spionage“ leben würde…

    Wenn man die Debatten im Bundestag verfolgt, schenkt sich da keiner etwas.
    Deswegen kann ich die Aufregung nicht nachvollziehen.
    Weder seitens des Herrn Lewentz (beschimpfte nicht Sigmar Gabriel mit „Pack“ und Stinkefinger?), noch seitens Herrn Zimmermanns.
    „AfD- oder SPD-Mensch“ scheint mir ebenso in der Wortwahl verfehlt, wie „Lügenpresse blöken“.
    Denn es gibt sie, die politische Lügenpresse, nicht zuletzt in Oppenheim.

  5. Lewentz´Äußerungen muss man wohl im Zusammenhang mit den Pleiten, Pech und Pannen der Landesregierung in den letzten Jahren sehen. Die Altlasten, die von Kurt Beck hinterlassen wurden, beschäftigen die SPD heute noch und Lewentz wird heilfroh sein, dass er nach der Hahn-Affäre und den peinlichen Auftritten mit dem mutmaßlichen Käufer seinen Kopf aus der Schlinge gezogen hat.

    Es ist zwar ein anderes Thema, aber hat mal jemand zusammengestellt, was die Fehlentscheidungen (Nürburgring, Hahn, Schlosshotel Bad Bergzabern, 1. FCK, Flughafen Zweibrücken, Pensionsfonds, ….) zusammengerechnet gekostet haben ? Das dürfte wohl irgendwo zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. liegen und wäre eine schöne Summe für bodenständige Investitionen gewesen, aber es gab keinen, der König Kurt und Konsorten stoppen konnte oder wollte.

    Dass ausgerechnet Lewentz mit seiner „Erfolgsstory“ jetzt den Moralapostel in anderer Sache spielt, zeugt von dieser enormen Überheblichkeit und Realitätsverweigerung.

    Lewentz und die Landesregierung haben seinerzeit die KPMG als alleinverantwortlichen Akteur in dem Hahn-Debakel ausgemacht und sie in rufschädigender Weise in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt. Im gleichen Atemzug hat er sie mundtot gemacht, damit die auch ja nicht öffentlich zu seinen Vorwürfen Stellung nehmen kann. Letztlich wurde eine Schweigeprämie ausgehandelt und die Sache war erledigt.

    Dann kommt auch noch die Held-Affäre. Und zuletzt Schicks Äußerungen. Alles zur Unzeit. Kaum ist ein Brand gelöscht, schon zündeln die eigenen Genossen an anderer Stelle.

    Wer aber geglaubt hätte, dass Lewentz nun etwas ruhiger agiert und versucht, mit einer gewissen Nachdenklichkeit oder gar Demut aus den Negativ-Schlagzeilen heraus zu kommen, wird erneut enttäuscht.

    Er erklärt uns die große Welt, schwadroniert darüber, wer der Gute und wer der Böse ist und zeigt mit dem Finger auf Andere. Dabei ignoriert er, dass drei Finger seiner eigenen Hand auf ihn zeigen.

    Deshalb wird von seiner Seite vermutlich nicht mehr kommen, als eine Eingangsbestätigung von Herrn Zimmermanns gelungenem Schreiben.

  6. endlich mal jemand, der die Dinge beim Namen nennt – Chapeau!

    Nur eine Korrektur: Der Gesamtschaden den Beck/Lewentz & Genossen hier verursacht haben bewegt sich bei fast 2.000.000.000 (Milliarden) Euro!!!
    Dafür hätte man z.B. ca. 2.500 (zweitausenfünfhundert) Kunstrasenplätze á 800TSD Euro in RLP bauen können – unglaubliche Dimensionen!!!

  7. „Leider sind es nicht nur die Populisten der AfD, die mit ihrer Sprache auf niedrigstem Niveau versuchen, die Lufthoheit über Skinheadstammtischen und Hooligangelagen zu gewinnen.“
    Es gibt also Skinhead- Stammtische, sieh an. Wo tagen die denn? In der Gaststätte „Zum Grünen Baum“ oder vielleicht in der „Krone“? Haben die auch ein entsprechendes Symbol auf ihrem Stammtisch stehen, daß man gleich weiß, woran man ist?
    Und die Hooligans feiern „Gelage“- ich nehme mal an, wenn sie sich gerade mal nicht gegenseitig verprügeln, aha. Und dabei hören sie politische Vorträge von irgenwelchen „Populisten“, wie ich den Ausführungen des Herrn Zimmermann entnehme.
    Und es sind auch SPD- Leute, die bei solchen Gruppierungen tätig sind? Das hat der Herr Zimmermann natürlich nicht gemeint.
    Solche rhetorische Mißgeschicke passieren aber nun mal, wenn man zwei Dinge, die nicht zusammengehören, zwanghaft (und leider auch etwas hochtrabend) miteinander zu verbinden sucht.
    Hier geht es nicht um den Kampf gegen irgendwelche „Nazis“, es geht nicht darum, wer welche Worte und Begriffe (Autobahn!) schon einmal verwendet hat, es geht nicht um eine parteipolitische Auseinandersetzung und schon gar nicht um politisch- moralisch zulässige Vergangenheitsbewältigung.
    Hier soll eine unappetitliche Korruptionsaffäre aufgearbeitet werden, und dies geschieht unter erfreulich hoher Beteiligung von Bürgern und auf ebenso erfreulich hohen Niveau.
    Belassen wir es dabei.

  8. Wenn man etwas nicht oder missverstanden hat, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man fragt noch einmal nach und lässt es sich erklären, oder man haut eine auf Un- bzw. Missverständnis aufgebaute Meinung heraus und blamiert sich. Herr Kaiser hat meine an Minister Lewentz gerichtete Argumentation offensichtlich nicht oder missverstanden.

  9. Ihr Brief an Herrn Lewentz war nicht nur überaus angemessen, sondern auch einwandfrei und eindeutig klar zu verstehen. Eine Antwort werden Sie von Herrn Lewentz wohl kaum erhalten. Was soll er auch dazu schreiben ? Er kann darauf kaum eine seriöse Antwort formulieren.

  10. Ihr Brief an Herrn Lewentz war eindeutig formuliert und ferner überaus angebracht. Eine Antwort werden Sie von Herrn Lewentz wohl kaum erhalten. Was soll er darauf antworten, wenn man keine richtigen Gegenargumente dazu finden kann ?

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