Rechnungshof: Es gibt wohl noch mehr Täter!

Es gibt zwei wichtige Nachrichten zum Oppenheim-Skandal:

Der Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz wird, erstens, seinen Abschlussbericht zu den Vorwürfen gegen den Oppenheimer Stadtbürgermeister Marcus Held nicht vor der Bundestagswahl am 24. September vorlegen. Das teilte die Behörde in Speyer heute mit. Noch ist völlig offen, was diese Nachricht für Held bedeutet. Er will für die SPD wieder in den Bundestag einziehen, hat auch einen sicheren Platz auf der Landesliste inne. Aber ob die Landes-SPD mit einem Mann in den Wahlkampf ziehen will, gegen den bereits die Staatsanwaltschaft ermittelt? Das ist noch unklar.

Die zweite Nachricht verbirgt sich in einer Pressemitteilung des Rechnungshofes, und sie ist die eigentliche Sensation: Der Rechnungshof  schreibt, er habe die Staatsanwaltschaft darüber informiert, dass er bei seinen Prüfungen zu der Erkenntnis gekommen sei, dass „sich Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Handlungen insbesondere privater Dritter ergeben könnten“. Was bedeutet dieser Satz? Dass der Oppenheimer Sumpf noch viel tiefer ist? Dass noch andere – „private Dritte“! – an den dubiosen Vorgängen der Oppenheimer Stadt- und Verbandsgemeinde-Verwaltung beteiligt sind?

Alles offen! Noch schweigen die Behörden, sie wollen aus Gründen des Datenschutzes keine weitere Angaben machen. Die Rechnungsprüfer legten dafür ihren Zeitplan vor: In der vergangenen Woche beendeten sie ihre Vor-Ort-Arbeit in Oppenheim. Im Rahmen einer Sonderprüfung hatten sie wochenlang Büros in der Verwaltung der Verbandsgemeinde Rhein-Selz bezogen, sich durch unzählige Aktenordner gearbeitet und etliche Mitarbeiter ausführlich befragt.

Im nächsten Schritt werden die Prüfer die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit auswerten und dann, so heißt es in einer Pressemitteilung weiter, „den Entwurf von Prüfmitteilungen erstellen“. Dieser Entwurf werde der Stadt Oppenheim und der Verbandsgemeinde Rhein-Selz zugestellt – „frühestens im Verlauf des September“.

Danach hätten die beiden Verwaltungen Gelegenheit zur Stellungnahme, „die angesichts der Komplexität von Sachverhalten und rechtlichen Bewertungen sowie des sich abzeichnenden Umfangs der Feststellungen voraussichtlich mehrere Wochen betragen wird“.

Die Stellungnahmen aus Oppenheim werden anschließend in Speyer ausgewertet, und erst danach werden die Prüfungsmitteilungen erstellt und versandt. „Hiermit ist nach derzeitiger Planung im Verlauf des 4. Quartals 2017 zu rechnen“.

Es ist nur ein Nebensatz in der Pressemitteilung, aber er lässt aufhorchen: Die Prüfer schreiben von „der Komplexität von Sachverhalten“ und „des sich abzeichnenden Umfangs der Feststellungen“. Das heißt: Die Rechnungsprüfer haben offenbar sehr viele behördliche Vorgänge in der Stadt Oppenheim und in der Verbandsgemeindeverwaltung Rhein-Selz ausgemacht, bei denen sie „Feststellungen“ machten, die jetzt nachträglich geklärt werden müssen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Arbeit der Rechnungsprüfer durchaus schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Bereits gestern wurde bekannt, dass die Prüfer aus Speyer im Anfangsstadium ihrer Untersuchungen die Staatsanwaltschaft auf einen möglichen Verdacht der Untreue durch den Oppenheimer Stadtbürgermeister hingewiesen haben. Diese Einschätzung teilte auch die Ermittlungsbehörde in Mainz nach einem ersten Blick in die Akten: Auch die Staatsanwaltschaft habe einen „strafrechtlichen Anfangsverdacht“  gesehen, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Es ergäben sich aus den vorliegenden Unterlagen „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten“ des SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held.

Die Mainzer Behörde leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Held ein: Es geht darin ausschließlich um Maklerzahlungen durch die Stadt beim Ankauf von Grundstücken in Krämereck-Süd. Eine bis dahin völlig unauffällige Immobilienfirma namens „G-A-J“ hatte auf Betreiben von Marcus Held Maklercourtagen in Höhe von nahezu 200.000 Euro aus der Stadtkasse kassiert. Dabei war das Immobilienbüro gar nicht von der Stadt Oppenheim, sondern von den Verkäufern  engagiert worden.

Von neun möglichen Fällen der Untreue spricht die Staatsanwaltschaft. Ob es dabei bleibt oder ob die Ermittlungen ausgeweitet werden, ist derzeit noch offen. Bekanntlich hatte Marcus Held weitere dubiose Geschäfte getätigt, hatte seinen Stadtplaner mit einem Makler-Auftrag versehen, hatte Grundstücke gegen geltende Ratsbeschlüsse zu billig abgegeben…

Die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller sagte dazu auf Anfrage: „Ob die weitergehende Prüfung durch den Landesrechnungshof und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht auch noch zu anderen Sachverhalten (sei es aus dem Memorandum oder aus sonstigen Erkenntnissen) einen Anfangsverdacht begründen, lässt sich derzeit nicht absehen.“

Zu den weiteren Strafanzeigen, die im Zusammenhang mit dem Oppenheim-Skandal erstattet wurden, gibt es übrigens keine neue Erkenntnisse: Marcus Held hatte Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet, weil er einen anonymen Drohbrief bekommen hatte; Verbandsgemeinde-Bürgermeister Klaus Penzer hatte Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen erstattet, weil vertrauliche Unterlagen aus seiner Behörde an die Öffentlichkeit gebracht und mögliche Verfehlungen seines Parteifreunds Marcus Held dadurch publik gemacht worden waren.

Der Sachstand in diesen Strafanzeigen sei unverändert, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das heißt: Die Ermittlungen laufen, aber es gibt keine Ergebnisse.

1 Kommentar zu „Rechnungshof: Es gibt wohl noch mehr Täter!“

  1. Hoffentlich heißt es am Ende nicht „man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“. Die Verdachtsmomente sind eigentlich schon so erdrückend, dass die Verdächtigen eigentlich mit Schimpf und Schande davon gejagt werden sollten. Schlimm, welche Abgründe sich da auftun, wie „versaut“ die Politik ist und wie sehr so manche meinen das „Volk“ hinters Licht führen zu können.

    Aber was mich noch mehr überrascht, das ist die Berichterstattung der Allgemeine Zeitung und der gestrige Bericht „Unter Wölfen“. Oder meinte der Verfasser sich selbst? Beim Lesen seines Artikel kommt der Eindruck auf, er sei einer der Wölfe im heldenhaften Rudel.

    Er macht sich auf alle Fälle sehr verdächtig, wenn er schreibt „Held hat viele Feinde“. Die Personen als Feinde zu bezeichnen, die nichts anders tun als zu versuchen Licht ins Oppenheimer Skandal-Dunkel zu bringen, ist ein Witz und eine Frechheit zugleich.

    Ich kann nur allen sagen, die da gewillt sind beim Aufräumen zu helfen „Weiter so – das ist richtig und war höchste Zeit“

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