Dienstwagen: Warum verzichtet die Stadt auf Geld von Held?

Das große Aufräumen in Oppenheim hat begonnen. Gleich mehrere Sitzungen stehen in dieser und in der nächsten Woche an: Forderungen des Landesrechnungshofs sind zu erfüllen – die Stadt muss Sparpläne vorlegen, und dann soll Marcus Held für den Schaden gerade stehen, den er als Stadtbürgermeister angerichtet hat. Aufpassen ist jetzt angesagt: Offenbar gibt es Bestrebungen, dem Ex-Stadtbürgermeister nicht allzu weh zu tun. Städtische Ansprüche seien verjährt, heißt es plötzlich im Rathaus. Ein juristischer Experte kommt zu einer ganz anderen Einschätzung.

Oppenheims Kommunalpolitiker sind im Dauerstress. Der Haupt- und Finanzausschuss muss jede Menge Entscheidungen vorbereiten, die der Stadtrat anschließend endgültig absegnen soll. Der Ausschuss tagt noch einmal an diesem Dienstag (6. März); für Mittwoch (7. März) sowie für den 13. März sind dann Sitzungen des Stadtrats anberaumt (jeweils 19 Uhr im Rathaus).

Bereits am vergangenen Donnerstag hatte der Hauptausschuss einstimmig einige überraschende Beschlussvorschläge gefasst:

  1. Die zu Unrecht von der Stadt gezahlten Courtagen sollen zurückgefordert werden – zunächst vom Makler. Wenn bei dem nichts zu holen sei, soll die Stadt Schadensersatzansprüche gegen Marcus Held durchsetzen. Wörtlich heißt es in der Beschlussvorlage: „Die gezahlten Courtagen sind vorrangig im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vom Makler zurückzufordern, ansonsten sind Schadenersatzansprüche gegen den Stadtbürgermeister Marcus Held durchzusetzen.“ Bemerkenswert: Der Beschluss fiel einstimmig – jetzt auch mit den beiden SPD-Fraktionen! Der angeblich erkrankte Held soll laut Ausschuss zunächst umgehend aufgefordert werden, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Den Rest müssen Juristen besorgen: Es geht um rund 200.000 Euro.
  1. Künftig soll es nur noch zwei – statt drei – Beigeordnete im Rathaus geben: Die Stelle des zurückgetretenen Hansjürgen Bodderas soll nicht wieder besetzt werden. Einsparung: rund 10.000 Euro/Jahr. Der Landesrechnungshof hatte gefordert, die Anzahl der Beauftragten „auf ein wirtschaftlich legitimierbares Maß zu reduzieren“; die Oppenheimer SPD hatte das bisher strikt abgelehnt. Jetzt plötzlich kann die Stadtspitze sparen; die Posten-Streichung soll auch in der Hauptsatzung festgeschrieben werden.
  2. Marcus Held leistete sich von 2011 bis 2014 einen Dienstwagen (BMW 330d) auf Kosten der Stadt, er fuhr das Auto aber ganz überwiegend privat, ohne auch nur einen Cent dafür an die Stadt abzuführen. Auf einer dieser Privatfahrten hatte er einen Unfall, den er auf Kosten der Stadt reparieren ließ. Das wurde vom Landesrechnungshof moniert; die 1.236,14 Euro für die Reparatur hat Held inzwischen – so teilte Interims-Rathauschef Helmut Krethe mit – an die Stadtkasse zurückgezahlt.

Aber was ist mit seinen Privatfahrten? Immerhin soll er rund 20.000 Kilometer pro Jahr auf Stadtkosten gefahren sein. Damit habe er sich einen Vermögensvorteil zusätzlich zur Aufwandsentschädigung verschafft, heißt es im Rechnungshofbericht, das sei auch materiell rechtswidrig (von der fehlenden Genehmigung des Stadtrats ganz zu schweigen).

Wir haben das Thema umfänglich abgehandelt: Der Schaden für die Stadt liegt bei rund 24.000 Euro – mindestens!

Letzte Woche im Hauptausschuss tat Helmut Krethe das Thema ganz schnell ab: Mögliche Forderungen gegen Held wegen dieser Privatfahrten seien inzwischen verjährt. Stimmt das wirklich? Oder will Krethe seinen langjährigen Förderer schonen, will er Marcus Held auf diese Weise finanziell ein wenig entgegenkommen?

Wir haben die Frage nach der Verjährung einem Prozessanwalt vorgelegt, der zu einer ganz anderen Einschätzung kommt:

Juristisch wird zwischen rechtsvernichtenden Einwendungen und rechtshemmenden Einreden unterschieden. Die Verjährung läuft auf eine bloße Einrede hinaus. Diese – zugegeben: rechtsdogmatische – Unterscheidung hat weitreichende Konsequenzen:

  • Selbst wenn zum Jahreswechsel 2017/2018 hinsichtlich der städtischen Erstattungsansprüche für die private Dienstwagen-Nutzung durch Held Verjährung eingetreten wäre: Die Ansprüche der Stadt gegen Held bestünden fort.
  • Held könnte versucht sein, die Durchsetzbarkeit der Ansprüche zu vereiteln, indem er die Verjährungseinrede erhebt. Es gibt indes keinen Hinweis darauf, dass Held bislang eine entsprechende Erklärung abgegeben hätte. Das würde ja auch voraussetzen, dass die Erstattungsansprüche ihm gegenüber beziffert und geltend gemacht worden sind. Schon an dieser Stelle: Fehlanzeige.
  • Entscheidend aber: Würde Held die Chuzpe besitzen, sich auf Verjährung zu berufen, stünde dem der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Dies deswegen, weil er (und nur er) in seiner Eigenschaft als Stadtbürgermeister die rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche durch die Stadt Oppenheim im Jahr 2017 blockiert hat. Als Stadtbürgermeister hätte ihm nämlich die Sicherstellung der städtischen Ansprüche oblegen – zumal er durch den Bericht des Rechnungshofs explizit und rechtzeitig Kenntnis vom Bestehen solcher Erstattungsansprüche hatte.

Fazit also: Es bestehen substantielle – und durchsetzbare – Erstattungsansprüche der Stadt Oppenheim gegen Held für die beinahe ausschließliche private Nutzung eines städtischen Dienstfahrzeuges in den Jahren 2011 bis 2014.

Soweit der juristische Experte. Man fragt sich: Was reitet Krethe, unter Verweis auf eine irgendwie geartete juristische Vorbildung den Ausschuss- und Ratsmitgliedern der Stadt ex cathedra zu suggerieren, juristisch sei der Zug abgefahren. Das Gegenteil ist der Fall. Aber das verlangt Sorgfalt, Know-how und vor allem den Willen, begangenes Unrecht wieder gut zu machen.

Das Thema verdient intensive Hinterfragung und Befassung. Gelegenheit gibt’s genug: In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am morgigen Dienstag zum Beispiel – auf der Tagesordnung stehen wieder Themen aus dem Rechnungshofbericht: Es geht um das Gradinger-Grundstück, um die Stellplatzablösen, um die Vermietung von Büros im Rathaus. Und dazu: weitere Schadensersatzansprüche gegen Held. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr im Rathaus und ist öffentlich.

Am Mittwoch dieser Woche tagt dann der Stadtrat. Da wird der Bericht des Landesrechnungshofs noch keine Rolle spielen. Dafür steht ein anderes spannendes Thema auf der Tagesordnung: der Flächennutzungsplan 2030 wird vorgestellt – ein solcher Plan ist die zentrale Grundlage für die weitere städtebauliche Entwicklung der Stadt.

Eine Woche später, am 13. März, kommt das Plenum der Oppenheimer Bürgervertreter erneut zusammen. Da werden dann all die Beschlussvorschläge, die der Haupt- und Finanzausschuss zum Rechnungshofbericht vorbereitet hat, zur endgültigen Abstimmung anstehen.

Torsten Kram an SPD: Unterstützt Walter Jertz!

Die SPD im Stadtrat ist gespalten: Die Abtrünnigen haben Jörg Steinheimer zu ihrem Fraktionsvorsitzenden gewählt. Die Held-Getreuen haben Marc Sittig zu ihrem Chef gewählt.

Torsten Kram hat heute einen offenen Brief an die Oppenheimer SPD geschrieben. Wir dokumentieren ihn im Wortlaut:

Liebe Genossinnen und Genossen des SPD-Vorstandes Oppenheim,
liebe Genossinnen und Genossen der „neuen Fraktion“ um Jörg Steinheimer,

wie ihr wisst, habe ich mich öffentlich für den Vorschlag Walter Jertz als Bürgermeisterkandidat für die anstehende Wahl stark gemacht und im Vorfeld auch entscheidend daran mitgewirkt.

Ich kann euch nur dringend empfehlen, seitens der SPD keinen eigenen Kandidaten oder Kandidatin zu stellen und ebenfalls Walter Jertz als parteiunabhängigen Kandidaten zu unterstützen und ihm das notwendige Vertrauen auszusprechen.

Ebenfalls kann ich euch nur erneut empfehlen, innerhalb der SPD Oppenheim eine konsequente personelle „Rund-um-Erneuerung“ durchzuführen. Meinen Standpunkt dazu habe ich bereits mehrfach in den letzten Wochen – auch vor dem Vorstand, der Fraktion und der Mitgliederversammlung – klar und deutlich formuliert.

Der Weg wird steinig und lang, aber er ist – wenn die SPD vor Ort überhaupt noch ein Rolle spielen will – unvermeidbar.

Ich erlaube mir eine Durchschrift dieses Schreibens auch der Presse zuzuleiten aufgrund der notwendigen Transparenz in der aktuellen Debatte.

Mit freundlichen Grüßen
Torsten Kram

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