LRH 19: Oppenheimer Ehre: Glänzt gülden – und ist ziemlich peinlich

Es ist nur ein recht kleines Kapitel im 112-seitigen Bericht des Landesrechnungshofs. Gleichwohl steht es sinnbildlich für den an Verantwortungslosigkeit grenzenden Umgang der Oppenheimer Stadtspitze mit Steuergeldern – und deutet zugleich an, wie radikal sich die kleine Stadtgesellschaft wird umorientieren müssen:

Die Stadt, die kurz vor der Pleite steht (Rechnungshof wörtlich: „Es droht die bilanzielle Überschuldung“) und deshalb längst eisern sparen müsste, hat in den Jahren 2013 bis 2015 insgesamt 16.500 Euro für Ehrungen und Ehrengaben veranschlagt und davon 13.187 Euro ausgegeben. Der dickste Brocken: Es wurden drei Ehrenringe für zusammen 6.397 Euro angefertigt und verliehen.

Es ist ein mächtiger Fingerschmuck, der Männern und Frauen geschenkt wird, die 15 Jahre und mehr dem Stadtrat angehören. Jeder Ring wird exklusiv aus 585/000 Geldgolb angefertigt, das Oppenheimer Wappen ist in Lagenstein eingraviert. Stückpreis: mehr als 2000 Euro. Die Verleihung eines solchen Rings, so lässt Stadtbürgermeister Marcus Held wissen, sei seit mindestens 30 Jahren Tradition. Wobei zu ergänzen wäre, dass es der Stadt wirtschaftlich wohl noch nie so schlecht ging wie heute.

Held hat in seiner Amtszeit fast ein Dutzend Ehrenringe verschenkt. Im Jahr 2009 zeichnete er gleich sechs Ratsmitglieder auf einen Schlag aus, darunter den noch immer im Stadtrat aktiven AL-Vorsitzenden Raimund Darmstadt sowie Rüdiger Spangenberg, der offiziell der CDU-Fraktion angehört.

Die Prüfer des Rechnungshofes haben eine ganz klare Sicht auf derlei Großzügigkeit: Ratsmitglieder, so sagen sie, erhalten für ihr Engagement eine Aufwandsentschädigung. Und sie bekommen landauf, landab, wenn sie aus den Parlamenten ausscheiden, als Anerkennung für geleistete Dienste üblicher Weise eine bescheidene Ehrengabe – Blumen zumeist, manchmal eine Urkunde, vielleicht auch mal einen Wappenteller.

Nur im finanziell völlig ausgedörrten Oppenheim, da macht man einen auf dicken Max und gibt sich spendabel: Da honoriert man langjähriges politisches Engagement mit einem extra angefertigten güldenen Ring. Für unbefangene Beobachter ist damit klar: Gemessen am Etat der Stadt sind hier Aufschneider am Werk, Wichtigtuer, Blender – einfach nur peinlich!

Die Rechnungsprüfer reden denn auch Klartext: Die finanzielle Lage der Stadt lasse „für vergleichsweise teure Ehrengaben keinen Raum“. Selbstverständlich sei es einer jeden Stadt im Sinne der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gestattet, ihre Ratsmitglieder zu ehren. Doch sie dürfe dabei nicht ihre Pflicht zum sparsamen Verwaltungshandeln aus den Augen verlieren. So ehre zum Beispiel der rheinland-pfälzische Landtag ausscheidende Abgeordnete mit der Georg-Forster-Medaille, von der 200 Stück für zusammen 18.000 Euro angeschafft wurden.

Die Rechnungsprüfer: „Werden ausscheidende Abgeordnete des hoch verschuldeten Landes mit einer Ehrengabe zum Stückpreis von 90 Euro geehrt, so kann dies auch einer hochverschuldeten, defizitär wirtschaftenden Kleinstadt zumindest als grober Anhaltspunkt für einen angemessenen Ausgleich zwischen Haushaltsbelangen und Ehrungsaufwand für ausscheidende Ratsmitglieder dienen.“ Es gehe schließlich um eine ideelle Ehrung, nicht um eine materielle Dreingabe.

Marcus Held schrieb dazu, er werde die Angelegenheit dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen. In dessen letzter Sitzung in der vergangenen Woche gab er in einer Mischung aus gewohnter Überheblichkeit und überraschender Ehrlichkeit einen Spruch ab, der erahnen lässt, welche Bedeutung Held den ehrenamtlich Tätigen beimisst:

„Zu prüfen, ob es Ehrensiegel und Ehrenring noch geben soll, finde ich gut – ich hab keinen und ich will auch keinen.“

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Beim Thema Ehrungen in Oppenheim müssen wir uns vom engen Blick auf die Akte des Landesrechnungshofes ein wenig lösen, um es in seiner ganzen Bedeutung und mit all seinen Facetten begreifbar machen zu können:

Das Wort Ehre hat, mit all seinen Weiterungen, in der kleinen rheinhessischen Stadt in den letzten Jahren einen ungewöhnlich großen Stellenwert zugewiesen bekommen. Die SPD-Vorderen tragen es vor sich her wie eine Monstranz, vor der das Volk offenbar niederzuknien hat. Diese Politisierung führte dazu, dass eine von der Stadt zugebilligte gesellschaftliche Anerkennung inzwischen nahezu zur völligen Bedeutungslosigkeit abgewertet wurde. Das findet sich spiegelbildlich in einem Namen wieder:

Erich Menger, lange Jahre ehrenamtlicher, gleichwohl gut besoldeter Stadtbürgermeister von Oppenheim (und direkter Vorgänger von Marcus Held), wurde, natürlich, mit dem städtischen Ehrensiegel ausgezeichnet. Und er bekam, selbstverständlich, den teuren goldenen Ehrenring geschenkt.

Dabei ist Mengers Amtszeit für immer verbunden mit äußerst widerlichen Affären und ebenso unrühmlichen Schlagzeilen: Mal ging es um ganz viel Geld, mal um eine äußerst plumpe Bespitzelungsaktion. Gleichwohl wurde Menger, als er aus dem Amt schied, noch zum Ehrenbürger der Stadt ernannt, weshalb heute ein Schwarz-Weiß- Foto von ihm an der Wand des Rathaus-Treppenhauses hängt. Menger bekam natürlich auch von der Oppenheimer SPD die Ehrenmitgliedschaft angetragen.

Vor zwei Jahren kaufte Marcus Held im Namen der Stadt dem Unternehmer Horst Gradinger, der ebenfalls ein Ehrenbürger der Stadt ist, sein heruntergekommenes Möbelhaus ab. Dass bei diesem Geschäft plötzlich die heute in Bad Kreuznach lebenden Eheleute Menger auftauchten und Frau Menger von Stadtbürgermeister Held – hinterm Rücken des Stadtrates – fast 35.000 Euro Provision zugeschustert bekam, zeigt, was von den Oppenheimer Ehren-Männern zu halten ist…

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Es passt zum Thema, dass in diesen Tagen Marcus Held Einladungen verschickt, die angesichts des Berichts der Rechnungsprüfer bei dem einen und anderen Oppenheimer körperliches Unwohlsein verursachen dürften: Der Stadtbürgermeister lädt zum Neujahrsempfang in die Landskronhalle ein. Termin ist der 14. Januar, 14.30 Uhr.

Es wird eine hochnotpeinliche Veranstaltung werden, das ist gewiss. Denn längst weiß jeder Bürger der Stadt (und darüber hinaus), dass der Wein, der bei einem solchen Event kredenzt wird, von der Stadt quasi auf Pump eingekauft werden muss. Da kriegt selbst der beste Tropfen einen schalen Beigeschmack, und die Neujahrs-Grüße werden wie bitterer Zynismus klingen. Die Stadt lebt schließlich längst über ihre Verhältnisse – mithin werden die Kinder und Enkel der Held-Generation irgendwann auch noch für das jetzt bevorstehende Prosit auf das neue Jahr zahlen müssen.

Wie gewohnt will Held bei dieser Gelegenheit ehrenamtliches Engagement belobigen. Das allerdings trägt dann schon burleske Züge: Marcus Held lässt sich sein eigenes „ehrenamtliches“ Engagement derart reichlich vergüten, dass die Rechnungsprüfer nur ungläubig staunen konnten. Angesichts seiner vielen Jobs könne er für sein Geld gar nicht die entsprechende Leistung mehr bringen, urteilten sie: Held, der als Bundestagsabgeordneter fast 10.000 Euro verdient, kassiert zusätzlich allein für seine „ehrenamtliche“ Tätigkeit als Stadtbürgermeister mehr, als die meisten Arbeiter mit einem Vollzeitjob verdienen. Obendrein lässt er sich für seine „ehrenamtliche“ Tätigkeit als Beauftragter des Hallenbades gut bezahlen. Und kriegt seine „ehrenamtliche“ Teilnahme an Sitzungen des Verbandsgemeinderates und Kreistages natürlich auch bezahlt…

Daneben macht er noch so manch anderes, und deshalb versteht sich, dass er das Ehrenamt immer wieder lobpreist – schon im eigenen finanziellen Interesse. Dass er echte Ehrenämtler, die in der Regel völlig unbezahlt ihre Dienste leisten, mit einem inzwischen inflationär verteilten städtischen Siegel abspeist, wirkt angesichts seiner vielfachen „ehrenamtlichen“ Einnahmen wie eine Verhöhnung ihres Engagements.

Einer, der Helds Doppelmoral durchschaut hat und nicht länger mitspielen will, ist Stefan Buch. Er ist Mitglied im Geschichtsverein („Oppenheimer Maulwürfe“) und hat in diesen Tagen die Mitteilung bekommen, dass Held ihm beim Neujahrsempfang das Ehrensiegel verleihen wolle.

Buch hat umgehend zurückgeschrieben: Er lehne ab. Er brauche „wegen des bisschen Müllsammelns auf der Ruine keine Ehrung“, schreibt er. Und außerdem – das war Held wohl entgangen, was wiederum auf desinteressierte Oberflächlichkeit schließen lässt – habe er eine solche Medaille doch schon erhalten, vor zehn Jahren.

Buch sagt auch, er habe sich von den Neujahrsempfängen der letzten Jahre ferngehalten, „weil ich mir diese ewige Selbstbeweihräucherung und die Volksreden des Bürgermeisters in Anwesenheit von SPD-Mitgliedern und anderen Bewunderer desselben nicht mehr antun wollte“. Wer sein bezahltes Ehrenamt so missbrauche, der sollte sich nicht im Licht der „echten“ Ehrenämter sonnen können.

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Ein Leser macht uns darauf aufmerksam, dass sich Marcus Held nicht nur aktuell seine ehrenamtliche Tätigkeit als Stadtbürgermeister bezahlen lasse. Das Landesgesetz sehe vor, dass ein ehrenamtlicher Bürgermeister nach zehn Jahren 25 Prozent seiner Aufwandsentschädigung bekomme. Nach 15 Jahren habe er sogar Anspruch auf 33 Prozent – macht im Falle Held über 700 Euro.

Held wurde 2004 erstmals Stadtbürgermeister. Der Leser schreibt weiter: „Um die 15 Jahre voll zu kriegen, wird Held um jeden Preis versuchen, bis zur Wahl 2019 im Amt bleiben zu können.“

Und wie nennt man dieses Geld, das Marcus Held nach seiner Dienstzeit als ehrenamtlicher Bürgermeister kassieren kann? Genau: Ehrensold.

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