Ein schmieriges Pamphlet ist in Oppenheim aufgetaucht. Mit infamen Fragen wie „Ist Walter Jertz ein Mörder?“ wird suggeriert, Oppenheims Stadtbürgermeister habe Menschenleben auf dem Gewissen und am Krieg Geld verdient. Wer steckt dahinter? Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen; bekannt ist bereits: Es gibt drei, vier Leute in der rheinhessischen Kleinstadt, die arbeiten sich seit Monaten an dem Thema ab.
Die Zettel wurden in der Nacht zum Montag – so berichtet die Lokalzeitung im Internet – rund um Rathaus und Katharinenkirche verteilt, offen an Hauswände geklebt und wohl auch in Briefkästen gesteckt. „Wie viele Menschenleben hat er auf dem Gewissen?“ lautet eine der Fragen in fetter Schrift, „Wie viel Geld hat er am Krieg verdient?“ und „Wie viel Geld verdient er heute noch am Krieg?“
Oppenheims Stadtbürgermeister Walter Jertz, Nachfolger des geschassten SPD-Politikers Marcus Held, war deutscher Generalleutnant der Luftwaffe, er war auch mal Pressesprecher der NATO während des Kosovo-Krieges. Alles durchleuchtet und hinlänglich bekannt, der Mann erhielt für seine unbestreitbaren Verdienste zahlreiche Orden und Auszeichnungen. Im Ruhestand beteiligte er sich für kurze Zeit mit dem Oppenheimer Unternehmer Michael Fender an einer Transportfirma, die Wohncontainer in Afghanistan herstellte: Auch das hat Jertz stets offen kommuniziert, warum auch nicht, es ist nichts Verwerfliches dabei.
Gleichwohl versuchen ein paar Oppenheimer seit Monaten immer wieder, den Mann als Kriegshelfer und -treiber darzustellen. Jetzt zündeten sie die nächste Eskalationsstufe: Sie denunzieren den 74-Jährigen indirekt als Mörder. Scheinheilig formulieren sie dazu die Frage: “Ist er wirklich der Mann für den wir ihn halten?”
Briefeschreiber verunglimpfte Jertz schon vor Monaten
Die niederträchtigen Unterstellungen werden in Oppenheim verbreitet, seit Jertz sich bereit erklärte, für das Amt des Stadtbürgermeisters zu kandidieren. Auf der Webseite mit der Dokumentation des Oppenheim-Skandals wurde schon einmal über die hinterhältigen Attacken berichtet. Es war Anfang März dieses Jahres, die Überschrift hieß: „Herr Sadoni, das Militär und der neue Kandidat“, der Text lautete:
Sollen wir’s Ihnen wirklich erzählen? Wir sind eigentlich nicht verpflichtet, jeden Unsinn weiterzugeben – aber gut: Im Zeichen der neuen Oppenheimer Offenheit wollen wir Ihnen auch einen Brief nicht verschweigen, der seit Samstag in der Stadt kursiert und an die „Linken“ in dem überparteilichen Bündnis gerichtet ist. Er fängt schon ziemlich krass an:
„Helm ab zum Gebet? Heute Morgen musste ich kurz überlegen ob ich schlecht träume oder schon wach bin: Ein breites Bündnis will Generalleutnant a.D. Walter Jertz als Bürgermeister. Ausgerechnet Grüne, Ex-Kommunisten und Sozialdemokraten wollen mit dazu aufrufen einen Militaristen zu wählen.“
Michael Sadoni hat den Brief geschrieben, wir ordnen den Mann mal dem Held-Lager zu. Eine Gabriele Sadoni, nach unseren Recherchen seine Ehefrau, sitzt im Vorstand der Oppenheimer SPD, sie ist auch Gesellschafterin der umstrittenen Tourismus GmbH. Kürzlich war sie mit einem Leserbrief in der Lokalzeitung in Erscheinung getreten: Darin beschwerte sie sich nicht etwa darüber, dass Ex-SPD-Landrat Claus Schick beim Neujahrsempfang die Medien-Kritik an Held mit dem Wort „Pogrom“ bezeichnet hatte. Nein, Frau Sadoni – Kindergärtnerin ist sie – mokierte sich darüber, dass ein Redakteur die Beifallsbekundungen des Publikums nach Schicks verbalem Ausfall mit „Johlen“ abgetan habe.
Herr Sadoni schreibt nun, dass Walter Jertz als Militär-Experte in Interviews gesagt habe, er halte militärische Operationen aus humanitären Gründen für legitim und zivile Opfer dabei für unvermeidlich. Herr Sadoni begründet daraus seine Forderung, dass jedenfalls die „Linken“ im überparteilichen Bündnis ihre Unterstützung für Jertz zurückziehen müssten. Er macht nicht einmal der Versuch einer differenzierten Betrachtung – etwa, dass ein Militäreinsatz im Verständnis von Walter Jertz (wie auch im Verständnis des Deutschen Bundestags) überhaupt erst dann in Frage kommt, wenn das politische, diplomatische und wirtschaftliche Instrumentarium der Völkergemeinschaft vollständig und erfolglos ausgeschöpft ist und bedrohten Völkern anders nicht geholfen werden kann. Herr Sadoni versteigt sich vielmehr zu dem Satz: „Man kann Marcus Held möglicherweise viel vorwerfen, aber bei ihm ging es nie um Menschenleben!“
Von der Meinungsfreiheit in diesem unserem Lande ist solches Denken und Reden gedeckt. Das gilt aber auch für die Mutmaßung, dass bei den Sadonis einige Maßstäbe arg verrutscht zu sein scheinen.
Held-Freunde hetzten auch schon mal auf Facebook
Unvergessen auch eine Facebook-Seite, die kurz vor der Bürgermeisterwahl auftauchte: Unter dem Fake-Namen „Grettchen Oppenheim“ versammelten sich sieben „Freunde“, darunter Marcus Held (der geschasste Stadtbürgermeister, der noch heute für die SPD im Bundestag sitzt), Helmut Krethe und seine Frau Damaris (er war damals Interims-Rathauschef, ist heute städtischer Beigeordneter ohne Aufgabe und Vorstand der kriselnden Baugesellschaft GWG), Marc Sittig (ist heute Vorsitzender von Helds zweiköpfiger und inzwischen durch Krethe „verstärkter“ Reste-SPD-Fraktion und Chef des GWG-Aufsichtsrats), Andrea Bunk (damals enge Held-Vertraute im SPD-Vorstand, heute Mitglied im GWG-Aufsichtsrat)…
Die “Grettchen”-Facebook-Seite diente vor allem den Herren Krethe und Sittig als Ventil für ihren persönlichen Frust nach der Held-Entmachtung. Eines Tages meldete sich bei ihnen auch jener Michael Sadoni zu Wort. Einer seiner Posts lautete:
„Zu einen hat Herr Jertz als Pressesprecher der Nato von Kollateralschäden gesprochen – gemeint damit damals zivile Opfer (…) Zum anderen hat er es später bedauert – nicht wegen der Opfer sondern weil die öffentliche Meinung den Krieg hätte beenden können – zynischer gehts nicht!“
Kurz darauf schrieb er:
„Mein Bürgermeister wird Herr Jertz auch nicht. Falls er denn gewählt wird. Für jemanden der Krieg als Mittel der Politik akzeptiert gibt es nur ein Votum: Nein!“
Es ist nicht bekannt, dass sich Krethe und Sittig von diesen dümmlichen Ausfälligkeiten des Herrn Sadoni jemals distanziert hätten. Und auch von Marcus Held, dem SPD-Bundestagsabgeordneten, war keine Widerrede zu hören. Das Schweigen muss als schulterklopfende Zustimmung gewertet werden, wenn nicht sogar als Aufforderung: Gut gemacht, Sadoni, mach nur weiter so!
Torsten Kram: 'Alt-Heldianer' setzen auf eine perfide Strategie
Torsten Kram, früher Beigeordneter in der Stadt Oppenheim und in der Verbandsgemeinde, war mehr als drei Jahrzehnte Mitglied der SPD. Im Mai verließ er die Partei, weil er die Aufarbeitung der Held-Jahre als unzureichend empfand. Nach Bekanntwerden der Flugzettel schrieb er heute spontan einen offenen Brief. Wir zitieren:
“Die einen tun es feige und ohne Rückgrat aus der Anonymität heraus, die anderen überbieten sich auf sozialen Netzwerken und in Leserbriefen mit Statements, die vor Arroganz und Niveaulosigkeit nur so strotzen. Es ist weder mutig noch heldenhaft, Mitmenschen mit Dreck zu bewerfen. Und schon gar nicht, wenn es einen Amtsträger wie Walter Jertz trifft, der sich – im Gegensatz zum Vorgänger – ganz uneigennützig in den Dienst der Sache stellt. Denn er (miss)braucht das Amt weder für die Karriere, das Geld oder das eigenen Ego.
Statt sich in aller Öffentlichkeit ihrer langjährigen Verantwortung für den Flurschaden an der politischen Kultur, dem finanziellen Schaden an der Stadtkasse und der GWG/HGO sowie dem Imageschaden für die Stadt Oppenheim zu stellen und daraus endlich Konsequenzen zu ziehen, setzen „Alt-Heldianer“ wie Sittig, Krethe, Meidinger, Seifert und Sadoni weiter auf die perfide Strategie ihres „Helden“.
Sollten die Vorgenannten auch noch glauben, sich bei der Stadtratswahl im Mai 2019 auf einer Liste zu etablieren, ist der Wähler gefragt. Schaut man dabei auf die früheren Wahlergebnisse und die Bilanz ihrer bisherigen „Verdienste“ für Stadt, GWG etc., dann dürfte das Urteil für diese Damen und Herren eindeutig sein: ,Auf Nimmerwiedersehen’!”
Die geistigen Brandstifter im Hintergrund tragen Mitverantwortung
Die Facebook-Sprüche haben damals nur wenige Menschen wahr genommen. Wohl deshalb schrieb Michael Sadoni vor gut drei Wochen einen Leserbrief, den die Lokalzeitung prompt veröffentlichte, am 17. Oktober war’s:
„…halte ich Herrn Jertz weder für charismatisch noch für eine Galionsfigur, jedenfalls nicht in einem positiven Sinne. Herr Jertz hat als Pressesprecher der Nato Luftangriffe gegen Serbien vertreten und von Kollateralschäden gesprochen – womit damals zivile Opfer gemeint waren…“
Schwer erklärlich, warum die Redaktion den Leserbrief veröffentlichte oder nicht zumindest kürzte. Sadoni und seine Freunde dürften frohlockt haben: Endlich hatten sie für ihre persönliche Hetze eine größere Bühne gefunden.
Für Außenstehende mutet das Bemühen Sadonis, das Thema “Jertz und Nato” am köcheln zu halten und mit unterschwelligen Anschuldigungen zu befrachten, inzwischen kaum noch erträglich, ja nahezu krankhaft an.
Gut drei Wochen war nach dem Leserbrief Ruhe. Bis jetzt, im Schutz der Dunkelheit, die anonymen Zettel verteilt wurden. Sie erinnern nicht nur in der orthographischen Fehlerhaftigkeit, sondern vor allem in der unfassbaren Diktion an die bekannten Ausfälle Sadonis.
Freilich: Wer hinter dieser nächtlichen Verteilaktion steht, steht (noch) nicht fest. Eines allerdings ist schon jetzt klar: Es gibt Oppenheimer in verantwortlicher Position, die schüren das Feuer. Als geistige Brandstifter im Hintergrund tragen sie Mitverantwortung für solche Auswüchse.
Aufstand der Anständigen: Für einen wertschätzenden, offenen Umgang miteinander
Parteien und Bürger von Oppenheim reagierten am Abend mit einem offenen Brief auf die Flugblatzthetze. Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut:
Wir, die Parteien, politischen Gruppierungen und engagierten Bürger in Oppenheim, verurteilen ausdrücklich die feige, anonyme und diffamierende „Zettel-Kampagne“ gegen Bürgermeister Walter Jertz. Die besagten Zettel wurden in der Nacht zum Montag im Stadtgebiet an diversen Stellen angebracht. In einer Demokratie geht man offen und fair miteinander um. In unserem Land und seit dem Amtsantritt von Walter Jertz auch in unserer Stadt pflegen wir eine politische Debatte, die von Menschlichkeit, Sachlichkeit und Würde geprägt ist und auf Diffamierung und Schläge unter die Gürtellinie verzichtet.
Wir „streiten mit offenem Visier“, stehen zu unseren Meinungen, Worten und Taten. Wir setzen uns offen mit Anderen, ihren Ansichten und Meinungen und Ideen auseinander. Wer sich hinter nachts verteilten Zetteln in der Anonymität verstecken muss, dem fehlt es an einem demokratischen Wertgefüge, menschlichem Anstand und an echten, sachlichen Argumenten. Wir, die Unterzeichner, stehen für einen fairen, wertschätzenden, offenen Umgang miteinander.
Diese Art der hinterhältigen Verleumdung und Angstmacherei darf in Oppenheim und unserer politischen Kultur keinen Platz mehr haben. Dafür treten wir ein.
Für die AL Oppenheim: Raimund Darmstadt, Rainer Ebling
Für die CDU Oppenheim: Peter Pfau, Dr. Marco Becker (CDU-Fraktion), Dr. Michael Pohl, Matthias Schäfer, Susanne Pohl
Für die Grünen Rhein-Selz: Christina Bitz
Für die FDP Rhein-Selz: Stephanie Steichele-Guntrum (Oppenheim)
Für die FWG Oppenheim: Petra Kuon, Andreas Lerg
Für die FWG Rhein-Selz: Friedhelm Schmitt
Für die SPD: Willi Keitel
Engagierte Bürger: Torsten Kram (Oppenheim), Conny Brehm-Pfeffer (Oppenheim), Michael Steinau (Oppenheim), Wolfgang Raber (Oppenheim), Dirk Müller (Oppenheim) H. J. Arnold (Oppenheim), Matthias Kuon (Oppenheim), Simone Raber (Oppenheim), Hans Schmidt (Oppenheim), Britta Kram-Heller (Oppenheim), Thomas Pfeiffer (Oppenheim), Martina Pfeiffer (Oppenheim), Rolf Schneider (Oppenheim), Ralf Bosch (Oppenheim), Erwin Menges (Oppenheim), Konstantin Guntrum (Oppenheim), Gabi Hochstätter (Oppenheim), Leon Kram (Oppenheim), Markus Haase (Oppenheim), Ira Lorch (Oppenheim), Gert Frisch (Oppenheim), Astrid Frisch (Oppenheim), Klaus Scherning (Oppenheim, Sonja Scherning (Oppenheim), Ute Tiator (Oppenheim, Michael Tiator (Oppenheim), Peter Platzek (Oppenheim), Anke Platzek (Oppenheim).