Der ganze Gradinger-Deal war, von Anbeginn an, völlig krumm und schief, und es ist nie aufgeklärt geworden, warum das so sein musste. Aber vielleicht ist das auch egal: Marcus Held hat das Geschäft mit seiner präsidialen Machtfülle so gewollt, er hat es initiiert, er hat alles entschieden, und er hat alles so umgesetzt, wie es ihm gerade passte:
Als Stadtbürgermeister kaufte er dem alten Unternehmer Horst Gradinger sein heruntergekommenes Möbellager am Kautzbrunnenweg ab. Die Stadt zahlte 580.000 Euro zzgl. 34.500 Euro Maklercourtage (die sich Ex-Stadtbürgermeister Menger mit seiner Ehefrau unter der Firma „frb-Immobilien“ einsteckte) zzgl. weiteren Nebenkosten. Darüber hatten wir gestern berichtet.
Die Stadt, so lautete sein Plan, sollte das Möbelhaus abreißen und dann das Grundstück zum Preis aller bisher angefallenen Kosten weiterverkaufen, und zwar wieder an Marcus Held, diesmal allerdings in seiner Funktion als Chef der Immobilien-Unternehmen GWG und HGO. Diese Unternehmen führt er trotz seiner zahlreichen anderweitigen (und gut bezahlten) Verpflichtungen, was aus seiner Sicht sehr sinnig ist: Auf diese Weise kann er fortlaufend Informationen zum Grundstücksmarkt und zur Bauleitplanung sammeln, was einem ja durchaus Vorteil zu bringen vermag; obendrein sichert er sich die Einflussnahme auf die Vergabe von Wohnungen, was dem eigenen Beziehungsgeflecht nur zuträglich sein kann.
Warum das Gradinger-Objekt nicht direkt an die GWG oder HGO ging, sondern einen Umweg über die Stadt nehmen musste, das wurde bis heute nicht erklärt. Im Lichte neuester Erkenntnisse lässt sich aber vermuten, dass Held wieder tricksen wollte: Offenbar wollte er trotz wiederholter gegenteiliger Beteuerungen Kosten in sechsstelliger Höhe auf die Stadt abwälzen, um seine HGO zu schonen.
Dieser unschöne Verdacht wurde zuletzt von Ereignissen erhärtet, die Held eigentlich nie publik gemacht haben wollte. Doch wir waren ihm schon vor Monaten auf die Schliche gekommen: Uns zugespielte Vertragsdokumente bewiesen, dass Held seine Versprechungen, wonach die Stadt beim Gradinger-Deal mit keinem Cent belastet würde, niemals würde einhalten können – die Vertragslage, die außer ihm kaum jemand kannte, belegte das eindeutig.
Volltreffer! Vier Wochen nach unserem Bericht, es war am 23. Oktober, also heute vor genau zwei Monaten, eilte Marcus Held zum Notar. Und änderte den ursprünglichen Kaufvertrag ab. Er tat das wieder klammheimlich: Wieder hatte er seinen Stadtrat nicht informiert.
Diesen neuen Vertrag hat Oppenheims Stadtbürgermeister bis heute den Menschen in seiner Stadt vorenthalten. Heute werden auf dieser Webseite erstmals die Details veröffentlicht: Hier erfahren Sie exklusiv, wie Held sein (bislang) letztes Ding drehte.
Landeszuschuss niedriger als von Marcus Held behauptet
Zum umfassenden Verständnis müssen wir ein wenig ausholen:
Am 31. März 2016 hatte der Stadtrat dem Ankauf des Gradinger-Möbellagers zugestimmt. Die Stadt sollte kaufen, dann aber auch weiterverkaufen – wobei der neue Käufer alle Kosten der Stadt übernehmen sollte. Wörtlich heißt es im Sitzungs-Protokoll:
„Es wird eine komplette Refinanzierung der Erwerbskosten durch die Reprivatisierung nach Abbruch des Gebäudes angestrebt.“
Am 1. April 2016 unterschrieben Marcus Held und Horst Gradinger den Kaufvertrag, wie gestern berichtet. Damit gehörte das heruntergekommene Möbelhaus nunmehr der Stadt.
Am 6. Juni 2016 legte Held als Vorstandsvorsitzender der GWG dem Stadtbürgermeister– also sich selbst – ein notarielles Kaufangebot vor: Danach wollte die GWGd er Stadt das Grundstück am Kautzbrunnenweg abkaufen, allerdings erst nach Abriss des Möbellagers. In dem Kaufangebot war eindeutig festgelegt, dass die GWG die gesamten städtischen Kosten als Kaufpreis würde bezahlen müssen – also auch die kompletten Kosten des bevorstehenden Abbruchs (minus etwaiger Zuschüsse vom Land an die Stadt).
Dieses Angebot der GWG kam nie zum tragen. In dem später geschlossenen Grundstückskaufvertrag zwischen der Stadt und der HGO erklärte Held, das (der Stadt günstige) Angebot der GWG werde nicht angenommen.
Am 2. März 2017 ging Held in den Stadtrat und erzählte, seine HGO wolle die Immobilie kaufen. Der Stadtrat stimmte zu. Im Protokoll der Sitzung heißt es erneut ausdrücklich:
„Voraussetzung für den Zwischenerwerb durch die Stadt war, dass in dem Kaufpreis, den die GWG/HGO an die Stadt zu zahlen hat, sämtliche der Stadt Oppenheim entstandenen Kosten für Erwerb und Ordnungsmaßnahme abgegolten werden.“
Am 20. März 2017 unterzeichnete Marcus Held als Stadtbürgermeister den Kaufvertrag mit seiner HGO. Der Preis, den die HGO danach zahlen musste, sollte sich aus verschiedenen Faktoren errechnen:
- Betrag 1: der Kaufpreis, den die Stadt an Gradinger gezahlt hatte – 580.000 Euro.
- Betrag 2: die Erwerbsnebenkosten (Grundbuchamt, Notar, Makler etc.) – 68.987 Euro.
- Betrag 3: die städtischen Kosten der Zwischenfinanzierung – 1.060 Euro.
- Betrag 4: die Hälfte der Abbruchkosten.
Warum sollte die HGO nur die Hälfte der Abbruchkosten bezahlen? Nun, ganz einfach: Held hatte immer gesagt, das Land werde eine Hälfte der Abbruchkosten als Zuschuss übernehmen. Die andere sollte nun laut Vertrag die HGO zahlen – und damit wäre die Stadt fein raus.
Letzteres klang zwar schön, war aber leider völlig falsch. Das Land hatte – anders als von Held immer wieder dargestellt – niemals zugesagt, die Hälfte der Abbruchkosten übernehmen zu wollen. Es hatte gesagt: 50 Prozent der zu Anfang auf 750.000 Euro geschätzten Abbruchkosten seien zuschussfähig. Von diesen 50 Prozent würden 80 Prozent vom Land übernommen. Das bedeutete: Das Land hatte sich zur Zahlung von maximal 300.000 Euro verpflichtet.
Held soll Kostenrisiko "bewusst" auf Stadt abgewälzt haben
Mit diesem Vertrag seiner HGO ging Held als Stadtbürgermeister an den Abbruch ran. Das Gutachten einer Wormser Firma hatte die Kosten inzwischen auf rund 523.000 Euro heruntergeschätzt. Die Ausschreibung gewann auf recht merkwürdige Weise die Firma Witera: Sie verlangte rund 590.000 Euro.
Noch einmal: Der Vertrag besagte ausdrücklich, dass die HGO lediglich „50% der insgesamt erhöhten Abbruch- und Entsorgungskosten“ würde übernehmen müssen. Für die restlichen 50%: Keine Abwälzung auf die HGO. Dafür lag aber auch kein bewilligter Landeszuschuss vor…
Keiner hat diese bedrohliche Fehlstellung im Vertragswerk bemerkt, es konnte sie aber auch keiner feststellen, denn: Marcus Held weigerte sich beharrlich, den notariellen Kaufvertrag im Stadtrat vorzulegen. Vielleicht dachte er, er käme mit seiner Trickserei durch. Und wenn irgendwann später die Belastung für die Stadtkasse bekannt geworden wären, hätte er sich – so mag sein Kalkül gewesen sein – im Stadtrat schon irgendwie herausreden können.
Anlieger: Können wir Marcus Held noch glauben?
Seit Wochen ruhen die Arbeiten auf der Gradinger-Baustelle – was ist da los? Marcus Held hat den Anliegern unlängst einen Brief geschrieben, und zwar in seiner Funktion als Stadtbürgermeister: „Die restlichen Abbrucharbeiten (Bodenplatte) sind eng mit den nachfolgenden Gründungsarbeiten für die neuen Gebäude verknüpft und können daher erst in deren Zuge – voraussichtlich im Januar 2018 – durchgeführt werden“, schreibt er. „Das vermeidet Doppelarbeit und auch Kosten.“
Das heißt ja wohl, die Abbrucharbeiten definitiv noch nicht abgeschlossen sind. Am 19. Oktober aber hatte die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ ausdrücklich unter Berufung auf Marcus Held geschrieben, der Gradinger-Abriss gehe in die Endphase und solle in sechs Wochen abgeschlossen sein.
Dass die Arbeiten sich überhaupt so lange hingezogen hätten – immerhin sollten nach einer früheren Ansage Helds die ersten Oppenheimer bereits in 2017 einziehen können – sei „in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass wir z.B. aufgrund der Lage des Objekts innerhalb der Rheindeichschutzzone bestimmte behördliche Genehmigungen abwarten mussten, bevor wir den nächsten Schritt gehen konnten“.
Auch das hatte sich vor wenigen Wochen noch völlig anders angehört: „Die Abbrucharbeiten hatten sich nach Altlastenfunden verzögert“, ist in der AZ vom 19. Oktober nachzulesen.
Jetzt schreibt Held in seinem Brief: „Das auf der Baustelle noch lagernde Abbruchmaterial haben wir deshalb nicht abgefahren, da wir bei Ihnen als Anwohner im Wort stehen, möglichst wenig Baustellenverkehr zu verursachen. Das dort lagernde Material ist – entgegen anderslautenden Aussagen, die in Oppenheim kolportiert werden – unbelastet und wird mit Genehmigung der Behörden auf der Baustelle wieder eingebaut.“
Können wir ihm das wirklich glauben? Können wir ihm überhaupt noch glauben? Das fragten Anlieger, als sie uns über das Schreiben Helds informierten. Sie machten damit auf ein Problem aufmerksam, dass diesem Stadtbürgermeister zunehmend zu schaffen macht:
Weil sich immer mehr verdichtet, dass Marcus Held wiederholt falsche Auskünfte gegeben und auch die Unwahrheit gesagt hat, fällt zunehmend schwer, seinen Aussagen zu Glauben und ihm Vertrauen schenken zu können.
Doch dann passierte etwas, was sich nicht mehr verheimlichen ließ: Die Abbruchkosten explodierten regelrecht. Nach Anleger-Protesten wegen Lärm, Staubentwicklung und mangelnder Baustellensicherung (vor allem im Bereich der Statik) mussten die Arbeiten neu organsiert werden, und dann wurden auch noch belastete Gebäudematerialien gefunden, die den Abtransport und die Entsorgung wesentlich aufwändiger gestalteten als geplant.
Held war von Anfang an darüber informiert, dass die Kosten völlig aus dem Ruder liefen. Aber er schwieg, monatelang, obwohl er genau wusste, dass diese Risiken nach dem seinerzeit von ihm geschlossenen Vertrag auf die Stadt durchschlagen würden.
Erst am 15. August ließ er im Stadtrat die Hosen runter – aber auch nur zur galoppierenden Kostenentwicklung, nicht zur haushaltschädlichen Vertragslage: Die Abbruchkosten waren (zu diesem Zeitpunkt) auf 1.011.279 Euro angestiegen – das ist übrigens heute noch Kenntnisstand, dabei sind die Arbeiten immer noch nicht beendet, die Endabrechnung liegt also bis heute nicht vor.
Mit dieser Kosten-Explosion war Helds HGO-Vertrag plötzlich zu einer riesigen Kostenfalle für die Stadt geworden! Im Landesrechnungshof liest sich das wie folgt:
„Eine Kostenneutralität wäre nur dann sichergestellt gewesen, wenn sich der Kaufpreis für die HGO mbH um die den Betrag von 600.000 € übersteigenden Abbruchkosten erhöht hätte. Da die Stadt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über keinerlei Zusagen des Landes für eine kostendeckende Förderung der nach der Anpassungsklausel auf sie entfallenden „erhöhten“ Abbruchkosten verfügte und deren Erhöhung absehbar war, handelte es sich bei der mit der Anpassungsklausel verbundenen Risikoteilung zwischen Stadt und HGO mbH um einen bewussten Verzicht auf die vom Rat verlangte Kostenneutralität.“
In diesem komplizierten Satz steckt ein ungeheuerlicher Vorwurf: Marcus Held soll demnach „bewusst“ auf die Kostenneutralität verzichtet haben, er soll also bewusst versucht haben, das Kostenrisiko auf die die Stadt abzuwälzen und seiner Stadt Schaden zuzufügen!
Die Prüfer begründen ihren Vorwurf so: Am 2. März 2017 beschloss der Stadtrat den Weiterverkauf der Gradinger-Immobilie an die HGO, und zwar mit dem ausdrücklichen Zusatz: Es dürften keine Kosten an der Stadt hängen bleiben. Zu diesem Zeitpunkt war Held bereits über die sich anbahnende Kosten-Explosion informiert, darüber aber schwieg er im Stadtrat. Vielmehr unterzeichnete er am 20. März den Vertrag mit der HGO, der für die Stadt eine erhebliche Kostenbelastung bedeutete.
Held habe in diesem Vertrag „bewusst“ auf die vom Stadtrat beschlossene Kostenneutralität verzichtet, schreiben die Prüfer aus Speyer: Hat man derlei Tricksereien eines Stadtbürgermeisters gegen seinen eigenen Stadtrat schon mal gehört?
Held versucht sich in seiner Stellungnahme an den Rechnungshof damit herauszureden, dass alles nicht wahr sei, der Stadtrat sei vollumfänglich informiert gewesen: Der Beigeordnete Helmut Krethe habe den Vertrag schließlich in der Sitzung des Stadtrats vorgelegt bzw. ihn dort ausgeteilt.
Die Rechnungsprüfer akzeptieren das nicht, im Gegenteil, sie bezichtigen Held sogar indirekt erneut der Lüge: „Weder den Vorlagen noch der Niederschrift mit Anlagen der Sitzung vom 2. März 2017 ist zu entnehmen, dass der Vertrag dem Ausschuss vorgelegen hat.“ Außerdem würden zwei Passagen in dem Protokoll auch das genaue Gegenteil beweisen: Danach hatte sich AL-Chef Raimund Darmstadt erkundigt, „ob damit garantiert ist, dass für die Stadt keinerlei Kosten entstehen“, in einem zweiten Satz heißt es: „Die Verwaltung wird beauftragt, das Aufsetzen eines Notarvertrags zu veranlassen.“
Hinterm Rücken des Stadtrats änderte Held den Kaufvertrag
Die ganze Wahrheit über den kostenträchtigen HGO-Vertrag kam erst am 18. September heraus: An diesem Tag veröffentlichten wir auf dieser Webseite den Bericht „Gradinger-Abbruch kostet schon über eine Million“ und wiesen anhand uns zugespielter Vertragsdokumente nach, dass Held die Stadt Oppenheim mit dem HGO-Vertrag in eine teure Kostenfalle manövriert hatte.
Daraufhin reagierte Held umgehend: Er ließ beim Notar eine Zusatzvereinbarung aufsetzen, wonach nun doch alle bei der Stadt verbleibenden Abbruchkosten von der HGO übernommen werden sollten. Wörtlich heißt es in diesen Vertragsunterlagen, aus denen jetzt auch der Landesrechnungshof zitiert:
„Der Kaufpreis erhöht sich in dem Maße, in dem sich die tatsächlichen Refinanzierungskosten der Abbruchkosten der Verkäuferin verändern. Von den Refinanzierungskosten der Verkäuferin in Abzug zu bringen sind etwaige weitere Bezuschussungen durch das Land Rheinland-Pfalz (…) Mithin sollen unabhängig von jeder weiteren Bezuschussung der erhöhten Abbruchkosten durch das Land Rheinland-Pfalz die erhöhten, nicht gegenüber der Verkäuferin bezuschussten Abbruchkosten allein von der Käuferin getragen werden.“
Am 23. Oktober unterschrieb Marcus Held, wieder ohne Wissen des Stadtrates, diese Vertragsdokument zum Gradinger-Ankauf: Jetzt erst war die Stadt von allen Belastungen freigestellt. Oppenheimer Ratsmitglieder, die nach seinen bisherigen Ausführungen davon ausgehen mussten, alles sei längst in sauberen Tüchern, erfuhren von der notariellen Korrektur erst wesentlich später und rein zufällig:
Auf wiederholtes Drängen der Opposition im Stadtrat hatte sich Marcus Held im Stadtrat bereit erklärt, über die Inhalte der Gradinger-Unterlagen zu informieren. Aber nicht, wie es üblicherweise geschieht, indem er Kopien der Akten zur Verfügung stellte. Er legte einen Termin fest, an dem die Papiere im Rathaus eingesehen werden konnten.
Es wurde eine äußerst merkwürdige Veranstaltung. Im Sitzungszimmer des Oppenheimer Rathauses lagen, auf dem Tisch verteilt, sieben Dokumenten-Stapel. Einige umfassten mehrere Seiten, andere bestanden aus nur einem Blatt. Die Beigeordneten Krethe und Mohr sowie die SPD-Fraktionsvorsitzende Stephanie Kloos waren offensichtlich abgestellt, ihre „Kollegen“ im Stadtrat zu überwachen: Keiner sollte die Papiere fotografieren, geschweige mitnehmen dürfen.
„Das war eine echte Zumutung“, sagte ein Ratsmitglied hinterher. „Normalerweise muss man komplizierte Vertragsdokumente intensiv und in Ruhe lesen. Schließlich kommt’s auf jedes Wort an, sonst kann für die Stadt der Schaden ganz schön teuer werden. Aber wir sollten praktisch unter Aufsicht lesen – geht gar nicht!“
Unter solchen Bedingungen ein komplexes Vertragswerk nachhaltig zu bewerten: Das ist wirklich absolut unmöglich! „Marcus Held hat uns mit diesem Termin regelrecht verar…“, sagt ein anderer Ratsherr, „er wollte uns vorführen“.
Das hat aber nicht ganz geklappt. Einige Ratsmitglieder fanden die notarielle Klarstellung vom 23. Oktober. Und der Landesrechnungshof entdeckte sie natürlich auch. Die Prüfer aus Speyer kommen zu einer sehr interessanten Bewertung, die Marcus Held gar nicht gefallen dürfte:
„Der Stadtbürgermeister hat als Geschäftsführer der HGO an einer Kaufvertragsänderung mitgewirkt, zu der die HGO rechtlich nicht verpflichtet war und die zumindest bei Ausbleiben einer erhöhten Landeszuwendung geeignet ist, das Gesellschaftsvermögen nachhaltig zu gefährden. Ein gesellschaftseigenes Interesse der HGO an freiwilliger Übernahme zuvor anderweitig angelasteter Kostenrisiken ist nicht ohne weiteres erkennbar. Vielmehr dürfte der Geschäftsführer die wegen der Personalunion von Bürgermeister und Geschäftsführer bestehende Interessenkollision zu Lasten der Gesellschaft gelöst haben. Damit könnte er – zumindest wenn sein Handeln nicht durch einen entsprechenden Beschluss der zuständigen Unternehmensgremien gedeckt war – gegen seine Geschäftsführerpflichten mit den Rechtsfolgen des § 43 GmbHG verstoßen haben.“
Das heißt: Der Stadtbürgermeister Marcus Held hat nachträglich alle Kosten, für die sonst – entgegen seiner Zusagen – die Stadt hätte aufkommen müssen, unter dem Druck der aufgedeckten Vertragsschieflage auf die HGO abgewälzt. Die Stadt ist damit jetzt (genauer: erst jetzt!) aus dem Risiko. Und auch aus Sicht des Landes Rheinland-Pfalz ist das eine gute Nachricht: Durch die von der HGO erklärte privatwirtschaftliche Deckung der Abbruchmehrkosten entfällt die Notwendigkeit weiterer Bezuschussung. Nach dem Subsidiaritätsprinzip bedarf es nämlich keiner großzügigen Zuwendungen mehr aus des Steuerzahlers Schatulle.
Also gut gemacht, Marcus Held? Mitnichten. Die gebotene Korrektur des stadtschädlichen Vertrags zum Weiterverkauf an die HGO erfolgte erst, nachdem Held dabei ertappt worden war, dass seine vollmundigen Erklärungen zur Kostenneutralität des städtischen Zwischenerwerbs nicht der Wahrheit entsprachen.
Und: Jetzt ist die HGO – immerhin Tochtergesellschaft einer gemeinnützigen Genossenschaft – gelackmeiert. Durch das Verhalten ihres Geschäftsführers Marcus Held, dem Mann mit den vielen Hüten:
Der Geschäftsführer Marcus Held hätte die jetzt verabredete Vertragsänderung mit der vollständigen Kostenübernahme zu Lasten der HGO nicht akzeptieren dürfen, da die GmbH nun unnötig mehr bezahlen muss, als ursprünglich vertragsgemäß ausgemacht worden war. Das GmbH-Gesetz schreibt eindeutig vor, wie der Landesrechnungshof auch ausführt, dass der Geschäftsführer die Pflicht hat, Eigeninteresse hinten anzustellen und bei Interessenkollisionen immer den Vorteil der Gesellschaft wahren muss („Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“, § 43 Abs. 1 GmbHG).
Mit anderen Worten: Um als Stadtbürgermeister den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, also aus purem Eigeninteresse, hat Held die nicht mehr beherrschbaren Risiken aus dem Gradinger-Abriss der HGO zugeschoben. Und das in einem Maße, das höchstwahrscheinlich keine gesicherte Refinanzierung aus der Vermarktung des Wohnparks Gradinger erlaubt.
Sollte sich das Risiko realisieren, die HGO also einen – noch dazu: massiven – Schaden erleiden, ist Held nach § 43 Abs. 2 GmbHG mit Schadensersatzansprüchen der HGO konfrontiert. Sollten die Aufsichtsgremien der HGO – ggf. der Aufsichtsrat ihrer Alleingesellschafterin GWG – bei der Vertragsänderung eingeschaltet gewesen sein, ist nicht einmal ausgeschlossen, dass auch sie in den Strudel gezogen werden.
Schaden überall.