Noch sind es nur brandheiße Gerüchte, die aus der Ingelheimer Kreisverwaltung sickern. In vertraulichen Polit-Zirkeln von SPD wie CDU aber redet man schon Klartext – und auch von der „steilsten SPD-Parteikarriere ever ever“:
Die jüngst gewählte neue Landrätin Dorothea Schäfer und ihre CDU-Fraktion im Kreistag Mainz-Bingen streben eine große Koalition mit der SPD-Fraktion an. Die Genossen verlangen allerdings als Gegenleistung für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, dass sie künftig den Ersten Beigeordneten stellen können.
Diesen profitablen Job (Besoldungsgruppe mindestens B3, ggf. sogar B4), so heißt es weiter, soll angeblich Stephanie Kloos bekommen. Sie ist die Vorsitzende der SPD-Fraktion im 7.300-Seelen-Städtchen Oppenheim.
Es sind zwei Schock-Infos, mit denen die CDU-Mitglieder im Kreis wie auch die Stichwähler Dorothea Schäfers aus anderen politischen Lagern jetzt fertig werden müssen. Nach dem Abgang des „ewigen“ Landrats Claus Schick und dem Wahlsieg „ihrer“ Dorothea Schäfer hatten sie gehofft, die SPD-Herrschaft wirkungsvoll durchbrochen zu haben – gerade auch zum Wohl einer wieder erstarkenden Kommunalaufsicht, die unter Schick seit Jahren wie abgeschaltet wirkte. Und jetzt sollen sie am Tisch der Macht doch wieder für die Genossen Platz machen müssen, so dass der Arm der kommunalen und oft als verfilzt gescholtenen Sozialdemokratie weiterhin bis oben in die Spitze der Kreisverwaltung reicht?
„Dafür haben wir uns im Wahlkampf nicht aufgerieben“, murrt einer.
Auch die personelle Komponente des angestrebten politischen Arrangements, die – offiziell noch nicht bestätigte – geplante Nominierung von Stephanie Kloos für das Amt der Ersten Beigeordneten, ordnen befragte CDUler irgendwo zwischen abstrus und unglaublich ein. Die Frau ist über Oppenheim hinaus kaum bekannt, gilt als politisch nicht sonderlich erfahren, hat keinerlei Verwaltungskenntnisse: Kann sie das überhaupt – Beigeordnete?
Der Job wäre ein neuer Gipfel ihrer recht kurzen Parteilaufbahn: Frau Kloos ist erst seit wenigen Jahren in der Oppenheimer SPD aktiv. Die gelernte Kauffrau, die in Kürze ihren 50. Geburtstag feiert, gilt als dogmatische Anhängerin des skandalumtosten SPD-Bundestagsabgeordneten und Oppenheimer Stadtbürgermeisters Marcus Held. Von dem wird nahezu im Wochenrhythmus neues rechtswidriges Handeln bekannt; der Rechnungshof ist längst eingeschaltet, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Mann wegen des Verdachts der mehrfachen Untreue. Unverdrossen aber verkündet Stephanie Kloos öffentlich ihre unverbrüchliche Treue zu Held. Sie suggeriert in öffentlichen Botschaften und trotz einer schon jetzt 1.000seitigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, die Vorwürfe gegen Held seien wahlpolitisch motiviert (O-Ton Kloos: „perfides Denunziantentum“, „perfides politisches Kalkül“). Unlängst rief sie die SPD-Mitglieder auf, Selfies zu machen und ihr zu schicken: Sie wolle daraus ein Poster machen mit der Botschaft: „Marcus, wir stehen alle hinter dir!“
Solch unverbrüchliche Treue soll jetzt wohl belohnt werden, Frau Kloos könnte schon sehr bald die Ernte ihres politischen Kurzzeit-Wirkens einfahren. Auf acht Jahre wäre ihr der Job als Beigeordnete sicher, er ist mit mehr als 7500 Euro im Monat dotiert (mindestens, vielleicht auch mehr als 8000 Euro) und beschert ihr obendrein eine anschließende Mindestversorgung in Höhe von 35 Prozent.
Was treibt die politisch Verantwortlichen im Kreistag Mainz-Bingen zu solch einem Händel?
Die Erklärung ist in einem typischen Polit-Geklüngel auszumachen, bei dem neben der SPD auch einige CDU-Kommunalpolitiker eine tragende Rolle spielen:
Im Kreistag regiert derzeit noch eine Koalition aus SPD, FWG und Grünen. Erster Beigeordneter ist Adam J. Schmitt von der FWG, der 2004 erstmals und 2012 wiedergewählt wurde. Seine Amtszeit geht bis 2020, auf eigenen Wunsch scheidet er jedoch Anfang 2018 aus dem Amt aus.
Eigentlich sollte seine Nachfolge frühzeitig geregelt werden: Die FWG nominierte bereits Ende letzten Jahres Sybille Vogt, die Ortsbürgermeisterin in Wackernheim ist und auf eine 20-jährige kommunalpolitische Praxis verweisen kann. Der Vorschlag war parteiintern nicht unumstritten, und dann fingen auch noch – es war unmittelbar vor der bereits terminierten Beigeordneten-Wahl im Mai – die Parteistrategen von CDU wie SPD an zu rechnen: Wenn bei der im Juni anstehenden Landratswahl die CDU-Kandidatin Schäfer siegen sollte (was dann ja auch geschah), wäre die SPD das prestigeträchtige Amt an der Spitze der Kreisverwaltung zwar los – aber die CDU könnte auch nicht richtig glücklich sein, denn sie hätte eine Landrätin gewonnen, deren Pläne die bestehende Kreistags-Koalition jederzeit torpedieren könnte. Das klang für beide Parteien nicht sonderlich attraktiv.
Deshalb wurde die bereits terminierte Wahl von Frau Vogt kurzerhand gekippt, und zwar mit einem Argument, dass bis heute nachklingt und doch eigentlich unverändert Gültigkeit beansprucht: In der Stellenausschreibung sei kein dezidiertes Anforderungsprofil formuliert, monierte Joachim Gerhard, der Vorsitzende der CDU im Kreistag: „Wir sind der Meinung, dass bestimmte Voraussetzungen wie Ausbildung, Hochschulabschlüsse oder berufliche Erfahrungen notwendig sind, um eine bestmögliche Besetzung der Stelle zu gewährleisten.“ Sein Parteifreund Thomas Günther, der mit Helds SPD im Verbandsgemeinderat Rhein-Selz verbündet ist, assistierte via „Allgemeine Zeitung“: „Wir sind der Auffassung, dass es keinen Sinn macht, die Beigeordnetenwahl vor der Landratswahl am 11. Juni durchzuführen. Eine Zäsur an dieser Stelle macht Sinn.“
Was sich damals vernünftig anhörte, würde sich als vorsätzliche gezielte Wählerverdummung herausstellen, wenn demnächst in einer Stellenausschreibung ein Anforderungsprofil formuliert würde, dass Stephanie Kloos erfüllen könnte. Laut ihrem Lebenslauf, den sie im Internet veröffentlicht hat, leitet sie seit 15 Jahren den kleinen Weinhandel „Kloos & Kloos GmbH“, der ihrem Mann Gerhard (57) gehört. Ist das die ausreichende Qualifikation für eine Erste Beigeordnete im Kreis Mainz-Bingen?
Auf die neue Landrätin Dorothea Schäfer dürften angesichts einer solchen Personalie hitzige Diskussionen warten, wenn sie am 31. August bei einem CDU-Parteitag die Zustimmung zur großen Koalition einfordern will. An die Mitglieder schrieb sie jetzt einen Brief: Man habe nach der Landratswahl Gespräche geführt, „um eine stabile Mehrheit für unsere vordringlichen Themen und Ziele im Landkreis, wie z.B. eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur, zu erhalten“. Mit der SPD-Kreistagsfraktion habe sie „sowohl die Übereinstimmung in Sachfragen als auch die Schaffung stabiler Mehrheiten im Kreistag“ gefunden. Aus diesem Grunde schlage sie vor, „für den Rest der Wahlperiode eine Koalition mit der SPD einzugehen“.
Wie anders hatte das doch noch vor drei Jahren geklungen! Damals berichtete SPD-Fraktionschef Ralph Spiegler, bei den Koalitionsverhandlungen mit FWG und Gründen gebe es „eine riesige Bandbreite an Übereinstimmungen“. Laut einem Bericht der „Allgemeinen Zeitung“ hatte Spiegler damals auch „eine erkennbar ablehnende Haltung“ bei der Verhandlungsspitze der CDU festgestellt.
Und nun soll alles anders sein?
In Oppenheimer CDU-Kreisen wurden die Koalitions-Pläne – und vor allem die Gerüchte um die Personalie Kloos – mit Entsetzen vernommen. Unvergessen ist dort immer noch, wie Stephanie Kloos vor sechs Jahren bei der Zerschlagung des (ausnahmsweise nicht von der SPD gesteuerten) Verkehrsvereins mitwirkte: Der wurde erst handstreichartig von neuen Mitgliedern überrannt und anschließend mit deren Stimmenmehrheit aufgelöst. Freiwillig als Liquidatorin im Einsatz: Stephanie Kloos. „Das war das erste Mal, dass Frau Kloos als SPD-Aktivistin in Erscheinung trat“, sagt ein Oppenheimer.
Mit der Liquidierung des Vereins hatte sie zugleich den Weg für ein neues Projekt ihres Stadtbürgermeisters frei gemacht: Marcus Held gründete später mit ausgesuchten Parteifreunden und ihm nahe stehenden Unternehmern als Nachfolge-Organisation des Verkehrsvereins die „Oppenheim Tourismus GmbH“. Diese mehrheitlich privat geführte Firma behält sie die gelder aus den Kellerführungen ein. Die GmbH beutet städtische Geldquellen aus, ohne dass entsprechende Nutzungsverträge abgeschlossen wurden – was zu einem weiteren Fall für den Staatsanwalt werden könnte
Kloos machte seither schnell Karriere: Die Mutter zweier Söhne engagierte sich als Elternsprecherin eines Gymnasiums, machte mit bei der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildung, wurde im lokalen SPD-Kompetenzteam von Marcus Held aufgenommen, wurde in den SPD-Vorstand gewählt, in den SPD-Stadtrat…
Wenn dann im Oppenheimer Stadtparlament der Stadtbürgermeister – wie letzte Woche erneut geschehen – die Gemeindeordnung in Serie missachtet, kann dies dank Unterstützung durch die von Frau Kloos geführte SPD-Mehrheitsfraktion völlig ungehindert geschehen. „Sie hat als Chefin der SPD-Mehrheitsfraktion das rechtswidrige und teilweise strafrechtlich relevante Handeln des SPD-Stadtbürgermeisters politisch mitzuverantworten, sie trägt es regelrecht“, sagt ein CDU-Mann. „Es gibt der Abwendung vom Politikbetrieb einen Riesen-Schub, wenn sie jetzt dafür befördert werden sollte.“