Im Stadtrat: Die Geheimnisse des Marcus Held

Erneut muss sich der SPD-Bundestagsabgeordnete und Oppenheimer Stadtbürgermeister Marcus Held des Vorwurfs erwehren, er nehme es mit demokratischen Spielregeln nicht so genau – zumindest dann, wenn es offensichtlich um seine eigenen Interessen geht:

Zum Verkauf des Gradinger-Grundstücks legte er bisher lediglich Vertragsentwürfe vor, und die waren auch noch unterschiedlich: Mal soll „seine“ Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (GWG) das alte Möbelhaus von der Stadt gekauft haben, mal deren Tochter, die Haus- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft (HGO). Das Verhalten Helds wird zunehmend schwerer nachvollziehbar:  Beim Ankauf des Objekts unterschlug er den Abgeordneten, dass er – ohne mit Ratsbeschluss dazu legitimiert gewesen zu sein – als teuren Makler ausgerechnet das Büro seines Amtsvorgängers und Ehrenbürgers Erich Menger akzeptiert hatte. Wir haben darüber ausführlich informiert, und wir haben auch über Helds Verwirrspiel mit den unterschiedlichen Vertragsfassungen berichtet.

In der Sitzung des Stadtrates am Dienstagabend stellte die Alternative Liste (AL) deshalb den nahe liegenden Antrag, dass den Ratsmitgliedern alle notariellen Verträge zwischen der Stadt und der GWG/HGO vorgelegt werden sollten, außerdem die Förderzusagen des Landes, das angeblich die Hälfte der Abbruchkosten übernehmen wolle. Die SPD-Mehrheit im Stadtrat reagierte, wie Marcus Held regiert: Der Antrag wurde abgeschmettert. Allenfalls Einsicht dürfen die Parlamentarier nehmen, und das auch nur im Rathaus.

Völlig unklar ist, warum Held die Verkaufsunterlagen den Abgeordneten nicht zugänglich machen will, wie’s eigentlich üblich ist. Gibt’s Gründe für seine Geheimnistuerei?

Die AL will jetzt rechtlich klären lassen, ob das überhaupt erlaubt sei: dass ein Stadtbürgermeister den gewählten Bürgervertretern Zugriff auf Akten verwehrt.

Vielleicht liegt’s daran: Wir hatten aufgedeckt, dass die Kosten beim Gradinger-Abriss binnen kurzer Zeit explosionsartig angestiegen sind – von ursprünglich geplanten rund 600.000 auf mittlerweile über 900.000 Euro. Und das ist noch nicht alles, die Endabrechnungen liegen noch gar nicht vor. In der Sitzung des Stadtrates sorgte diese Information für eine eruptive Stimmung, was ansatzweise in der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“ nachzulesen ist, unter anderem unter der originellen Überschrift „Stimmung im Keller“.

Raimund Darmstadt, der streitbare AL-Oppositionschef, ergänzte die desaströsen Zahlen um eine bislang unbekannte Information, die deutlich macht, wie hemmungslos-unkontrolliert in Oppenheim von der Stadtführung Geld ausgegeben wird:

Der größte Schandfleck der Vorstadt werde jetzt beseitigt, hatte Marcus Held zum Jahresbeginn verkündet. Am 28. Januar lud er zur Einstimmung auf dieses Ereignis und als Stadtbürgermeister zu einem nostalgischen Rundgang mit Glühwein und heißem Orangen-Saft für die Kleinen durch eben diesen Schandfleck ein. In ein und derselben Person war er natürlich auch als HGO-Geschäftsführer und künftiger Käufer unterwegs. Dieser lustige PR-Gag bescherte der Stadt schlappe 11.000 Euro an Mehrkosten. Und wofür? Für die Absicherung der Baustelle und drei Tage Stillstand der Großgeräte, wohlgemerkt am Wochenende, phantasiert die Abrissfirma 10.851 Euro zusammen.

Wer solche „Geheimnisse“ verrät, der macht sich in Oppenheim keine Freunde – zumindest nicht auf Seiten der herrschenden SPD. Der kriegt auch ganz schnell vermittelt, wer in dieser Stadt das Sagen hat: Als der AL-Mann eine Erklärung zur aktuellen Situation der Stadtpolitik verlesen wollte, wurde ihm das von SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held prompt untersagt.

Und nun? Darmstadt beantragte eine Sitzungsunterbrechung, dann verlas er seine Erklärung im Rathausflur. Der AZ-Redakteur hat, was er sah, so beschrieben:

Eine wahrhaft skurrile Szene. In der Tür stehend, dozierte Darmstadt – auch für die Gäste gut hörbar –, man werde „seit Jahren falsch oder gar nicht über zahlreiche Verwaltungshandlungen informiert oder die Stadträte gänzlich in die Irre geführt“, beklagte fehlendes Vertrauen. Drinnen plauderten die übrigen Stadträte, bedachten die AL mit demonstrativer Missachtung, während Held von „Kindergarten und Kasperletheater“ sprach.

„Kindergarten und Kasperletheater“? Solche destruktiven Vokabeln sollen gestandene Kommunalpolitiker diskreditieren, es ist ein inzwischen hinlänglich bekanntes Verhaltensmuster von Marcus Held, was die immer häufiger zu hörenden Klagen untermauert, dass der Stadtbürgermeister die Menschen nicht mehr hinter sich versammelt. Sondern die Stadt zunehmend spaltet.

Zur Dokumentation veröffentlichen wir hier Auszüge aus der Rede von Raimund Darmstadt (der vollständige Text ist auf der AL-Homepage nachzulesen):

Es ist heute das zweite Mal, dass der Stadtrat seit den viel beachteten Hinweisen eines Whistleblowers vom März 2017 zusammentritt. Ganz im Sinne der SPD-Bundestagsfraktion hatte dieser Mitmensch auf mögliche Gesetzesverstösse im Zusammenhang mit dubiosen städtischen Grundstücksgeschäften im Krämereck hingewiesen.

Wir müssen zu Beginn dieser Ratssitzung selbstverständlich auf die neuesten Entwicklungen in diesem Fall eingehen und auch unser Abstimmungsverhalten erklären. Eigentlich hätten wir auch eine persönliche Erklärung des Stadtbürgermeisters in eigener Sache erwartet. Denn:

Seit dem 11. Juli 2017 haben wir eine neue Qualität. Auf Empfehlung des Landesrechnungshofes hat die Leitende Mainzer Oberstaatsanwältin Andrea Keller Ermittlungen gegen die Stadtspitze aufgenommen. Nach den bisher vom LRH zugänglich gemachten Unterlagen „ergeben sich zureichende und tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten“ in „neun Fällen der Untreue gemäß § 266 Abs. 1, 53 Strafgesetzbuch“, stellt die Staatsanwaltschaft fest. Der von der Ermittlungsbehörde Verdächtigte heißt Marcus Robert Held, ist Stadtbürgermeister unserer Stadt und zugleich Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ich weiß nicht, ob die Vereinten Fraktionen von SPD und CDU das für einen ganz normalen Vorgang halten. Wir jedenfalls nicht !

Wie sollen wir einer Verwaltung noch trauen, wenn wir seit Jahren falsch oder gar nicht über zahlreiche Verwaltungshandlungen informiert oder die Stadträte gänzlich in die Irre geführt werden ? Wie sollen wir den nächsten Beschlussvorlagen zustimmen, wenn unsere Nachfragen zur Rechtmäßigkeit von Stadtratsbeschlüssen von VG-Bürgermeister Klaus Penzer, von der Kommunalaufsicht und der ADD einfach auf Eis gelegt werden? (…) 

Darmstadt sprach hinterher von „türkischen Verhältnissen“, er sagte auch, dass er sich auch von Redeverbot und Ordnungsrufen nicht abschrecken lassen werde, seine Meinung zu sagen.

Ulrich Gerecke, der lokale Redakteur der „Allgemeinen Zeitung“, schrieb nach dieser Ratssitzung  in einem Kommentar unerwartet klargesichtig und ungewohnt mutig: „Seit den Vor­wür­fen be­zie­hungs­wei­se dem Be­ginn des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens ge­gen Stadt­bürg­er­meis­ter Mar­cus Held ist ein Kli­ma ab­grund­tie­fen Miss­trau­ens ans Ta­ges­licht ge­kom­men.“ Un­ter­schwel­lig ver­gif­tet sei die Stim­mung schon lan­ge vor­her gewesen, „da­ran trägt die SPD-do­mi­nier­te Stadt­spit­ze ein ge­rüt­telt Maß Mit­schuld“. Wenn dann „ei­ner un­ter Druck ste­hen­den Ver­wal­tung jetzt da­zu gro­be hand­werk­li­che Schnit­zer un­ter­lau­fen – Kos­ten­ex­plo­si­on beim Gra­din­ger-Ab­riss, feh­len­de Be­rich­te der Tou­ris­mus GmbH –, fällt das na­tur­ge­mäß auf frucht­ba­ren Bo­den.“

Der Kommentar war überschrieben mit einem Wort: „Armselig“. Passt schon.

 

4 Kommentare zu „Im Stadtrat: Die Geheimnisse des Marcus Held“

  1. Diese Seite ist ein Skandal, nichts als Hetze und Verunglimpfungen!!!
    Vermutlich sitzt die Redaktion im Landesbuero der CDU in Mainz,
    unter der MITARBEIT VON FRAU KLOECKNER, der größeren Giftspritze
    ganz Deutschlands ! Das ist Wahlkrampf (!) der uebelsten Sorte..

  2. Wenn ein Herr Ruhmöller sein Haus in Hofheim verkaufen will und den Makler A. dazu einschaltet, dann habe ich als Kaufinteressent den Makler A. auch zu akzeptieren, ob ich will oder nicht. So musste auch die Stadt das Maklerbüro Menger akzeptieren, denn es war Herr Gradinger höchstselbst, der das Maklerbüro Menger mit dem Verkauf seines Objekts beauftragte.

  3. Die Redaktion sitzt nicht im Landesbüro der CDU Rheinland-Pfalz, sondern nach meiner Mutmaßung in der Oppenheimer Straße Am Stadtgraben.

  4. Werter Anonymus,
    jeder kann hier seine Meinung kundtun, nur Ausfälligkeiten sind nicht gestattet. Bitte um Beachtung!
    Und weil Sie mich direkt benennen, darf ich Ihnen diesen Hinweis geben: Beim Thema Gradinger-Objekt sind Ihnen die Fakten etwas durcheinander geraten. Ich empfehle die Lektüre des Berichts „Der Deal des Ehrenbürgers„, der den Sachverhalt umfassend und leicht verständlich vermittelt.

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