Heute live: Die Entmündigung Oppenheimer Lokalpolitiker

Am heutigen Donnerstag (25.01.2018) tagt der Oppenheimer Haupt- und Finanzausschuss. Wer miterleben will, wie Stadtbürgermeister Marcus Held „seine“ Stadt mit Hilfe willfähriger SPD-Mitglieder und unter Ausschaltung demokratischer Spielregeln zu regieren pflegt, sollte sich diese Sitzung „antun“: Sie ist öffentlich, mithin darf jeder interessierte Bürger zuhören und zuschauen. Beginn ist um 19 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses.

Eigentlich ist Oliver Riedel – diese Geschichte müssen wir Ihnen vorab schnell erzählen – ein Mann, den so schnell nichts umzuhauen scheint. Er ist Kämmerer bei der Verbandsgemeindeverwaltung Rhein-Selz, im Internet zeigt er gerne seinen durchtrainierten Body. Er ist Sportler durch und durch, er läuft und läuft…

…neuerdings allerdings läuft er am liebsten weg:

Als zu Beginn dieser Woche der städtische Rechnungsprüfungsausschuss tagte, war Riedel nicht anwesend. Dabei kümmert er sich in der VG-Verwaltung um Oppenheims Finanzen, weshalb sein Knowhow im Ausschuss dringend angebracht gewesen wäre. Warum er nicht gekommen war? Riedel ließ eine Erklärung verlesen: Er sei ein guter Mensch, so darf man seine Worte interpretieren, immer ehrlich, immer rechtskonform, und unsaubere Etat-Tricks habe er nie angewandt, auch nicht mit Marcus Held.

Das glauben wir ihm natürlich sofort, aber das war nicht unsere Frage, deshalb noch einmal: Warum hat er nicht an der Ausschusssitzung teilgenommen?

Weil, so sagte er: Er habe auf dieser Webseite mit der Dokumentation des Oppenheim-Skandals (Riedel sprach laut Zeitung von „der Ihnen allen bekannten Verleumdungs-Plattform“) gelesen, dass er Ende letzten Jahres angekündigt habe, an Sitzungen des Ausschusses nicht teilnehmen zu wollen. Eine entsprechende Mail habe AL-Chef Raimund Darmstadt einfach an diesen Blog weitergeleitet…

Das ist zwar nachweislich nicht wahr, aber solche Details interessieren einen Riedel offenbar nicht: Der Blog-Bericht habe zu Anfeindungen geführt, jammerte er, und deshalb wolle er nicht zur Ausschusssitzung kommen.

Beleidigter Verwaltungsmann gibt sich bockig und straft gewählte Parlamentarier mit Abwesenheit ab: Das gibt’s wirklich nur in Oppenheim! Freunde Riedels können über das ihnen bisher verborgen gebliebene zartbesaitete Gemüt des Mannes nur staunen. „So kennen wir ihn gar nicht“, sagen sie und vermuten ganz andere Zusammenhänge: Riedel liebäugelte mal mit einer Politkarriere, er ließ sich im Mai 2015 als Ersatzmann („B-Kandidat“) der SPD-Landtagsabgeordneten Anklam-Trapp anheuern – und posierte aus diesem Anlass sogar vielsagend beim Fotoshooting mit Held.

Und damit bugsierte sich der Mann selbst in eine unangenehme Zwickmühle: Einerseits soll es Begehrlichkeiten seines Polit-Förderers Marcus Held geben, der unbedingt einen gefälligen Etat wünscht, den die Kontrollbehörden akzeptieren – andererseits gibt’s natürlich die Pflichten eines Verwaltungsfachmanns, der die dramatische Finanzlage der Stadt nicht einfach schönrechnen sollte.

Riedels Weg: Er läuft weg. Der Ausschuss (in dem seine Form der Buchführung wiederholt unter anderem von der taffen Helga Dahlem kritisiert wurde, die sich trotz ihrer mehr als 70 Jahre nicht so einfach hinters Licht führen lässt) musste also ohne den zuständigen Verwaltungsfachmann tagen – Riedel machte damit einmal mehr deutlich: So wird in Oppenheim unter Stadtbürgermeister Marcus Held und mit offensichtlicher Duldung von VG-Bürgermeister Klaus Penzer Politik gemacht.

450-Euro-Beauftragte verweigern Arbeitsnachweis

Am heutigen Donnerstag ist ein weiteres Lehrstück zu erwarten, wie in der rheinhessischen Kleinstadt gewählte Bürgervertreter von ihrem eigenen Bürgermeister – der immerhin für die SPD im Bundestag sitzt – entmündigt, auf jeden Fall für dumm verkauft werden:

Marcus Held, der für die Tagesordnung des Hauptausschusses verantwortlich zeichnet, hat für den heutigen Abend Themen aus dem Bericht des Landesrechnungshofs herausgepickt, die ihm nicht sonderlich weh tun: Es geht nicht um die vordringlich notwendige Aufarbeitung seines wiederholt rechtswidrigen vermögensschädigenden Handelns. Es geht auch nicht um die horrenden Summen, die er – gezielt – zu viel ausgegeben oder – gezielt – zu wenig eingenommen hat, stets zum Schaden der Stadt und meist zu seinem politischen Nutzen. Es geht auch nicht um Haftungsansprüche in sechsstelliger Höhe, die von der Stadt letztlich gegen ihn gestellt und durchgesetzt werden müssen.

Nein, beraten werden soll heute Abend: über den Einsatz von Schülerlotsen, die bislang von der Stadt bezahlt wurden, obwohl sie eigentlich von den Schulen gestellt werden müssten und auf jeden Fall nicht von der Stadt bezahlt werden dürfen. Es geht um die Ehrenringe für verdiente Ratsmitglieder, die mehr als 2000 Euro pro Stück kosten und die sich eine überschuldete Stadt eigentlich nicht leisten kann. Es geht um die Anzahl und Bezahlung der Beauftragten, die monatlich 450 Euro kassieren und die, als der Landesrechnungshof eine Information über ihre Arbeit erbat, keine Nachweise vorlegten bzw. vorlegen konnten.

Es geht auch um die Zukunft der Festspiele, die über Oppenheim hinaus kaum noch interessieren und die viel zu viel Geld kosten. Es geht nicht zuletzt um den weiteren Bestehen oder aber um die Auflösung der Tourismus GmbH.

Themen sind das, zu denen sich die Stadtspitze bereits in populistischer Weise ausgelassen hat: So hatte der Beigeordnete Hansjürgen Bodderas eine amoralische Gleichung nach dem Motto „Wollt ihr Schülerlotsen – oder lieber tote Kinder?“ aufgemacht, womit er wohl die Ratsmitglieder zum Bezahlen überflüssiger Aufgaben veranlassen wollte – oder mitschuldig sieht für ein eines Tages verunglücktes Kind.

Der Beigeordnete Helmut Krethe wiederum pries, im völligen Einklang mit seinem Stadtbürgermeister, die Tourismus GmbH wiederholt als Erfolgsmodell. Die Wahrheit blieb auch hier auf der Strecke: Die Mehrheit des Unternehmens wurde von Marcus Held ihm nahestehenden Unternehmern und Parteifreunden zugeschustert, die mit der GmbH ohne jede Rechtsgrundlage städtische Geldquellen ausbeuten; unterm Strich kostet diese Firma der Stadt sehr viel Geld und bringt weder adäquate Entlastung noch – geschweige denn – Ertrag, weshalb der Landesrechnungshof dem Firmenkonstrukt jede Wirtschaftlichkeit abspricht.

Über alle diese Themen kann man reden und muss es sicher auch. Wobei Bürgervertreter darauf angewiesen sind, dass sie vor einer Beratung und Beschlussfassung umfassend informiert werden. Normalerweise – also in Kommunen, in denen Sitzungen der Ratsmitglieder vernunftgeleitet werden und nicht von Eigeninteressen gesteuert – werden die Tagesordnungen nach Priorität bestimmt, und selbstverständlich bekommen die Mitglieder eines Ausschusses alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt, und zwar mit ausreichend zeitlichem Vorlauf: Die lokalen Freizeit-Politiker sollen sich schließlich vernünftig vorbereiten und die Themen in ihren Fraktionen besprechen können, so dass sie am Ende zu einer sachgerechten Bewertung kommen.

In Oppenheim läuft das anders: Informationen zur Ausschusssitzung gibt es nur kurzzeitig vorher, und schon gar nicht umfassend. Der Verdacht besteht, dass dies mit Kalkül so gehandhabt wird: Während Held und seine SPD die drängenden Fragen ausklammern, sollen die Ausschussmitglieder von CDU und AL bei der aktionistisch zur Schau getragenen Behandlung nachrangiger Themen offenbar wie Stimmvieh getrieben werden: Dalli dalli – heute Abend wird  beraten und dann ein Beschlussvorschlag formuliert, über den in der nächsten Sitzung des Stadtrates entschieden wird.

Aber wie will der Ausschuss heute ernsthaft zum Beispiel über die Zukunft der Tourismus GmbH entscheiden, wenn ihm nicht alle Unterlagen – Kostenpläne, Personalaufwendungen, Erträge – vorliegen? Wie will er, anderes Beispiel, darüber entscheiden, ob die Stadt ein, zwei oder drei Beauftragte benötigt, wenn die derzeitigen sich weigern, über ihre Arbeit nachvollziehbar Rechenschaft abzulegen?

Mit dieser Machart – keine Informationen, aber schnelle Beschlüsse – wird Kommunalpolitik ad absurdum geführt: weil sie als Spielball privater oder parteilicher Interessen herhalten muss. In Oppenheim ist es heute Abend wieder live zu erleben.

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Nachtrag: Ratsmitglieder teilten mit, dass sie heute Abend auch noch über Rechnungen der Firma Andreef aus Mettenheim entscheiden sollen. Hierzu hat ihnen die VG-Verwaltung eine Vorlage geschickt, die allerdings neue Fragen aufwirft:

Danach hatte die Stadt Oppenheim bereits im Dezember 2015(!) den Auftrag zur Pflege städtischer Grünflächen an die Firma Andreef aus Mettenheim bis Ende 2018(!) verlängert. Es handelt sich um recht simple Arbeiten (Mähen von Rasenflächen, Müll und Unrat einsammeln, Wässern von Gehölzen etc.), die andernorts von den Mitarbeitern des Bauhofes miterledigt werden.

Anfang dieses Jahres reichte die Firma Andreef die Rechnungen aus dem gesamten letzten Jahr ein – zusammen 9.270 Euro. Warum die Rechnungen erst jetzt eingereicht wurden? Vielleicht sollten sie, so mutmaßte ein Mitarbeiter der Verbandsgemeinde, bei der Prüfung des Landesrechnungshofes nicht auffallen…

Offen auch: Warum wurden diese – vorhersehbaren! – Kosten nicht in den laufenden Haushaltsplan eingetragen? Der Verwaltungsfachmann: Das sei einer dieser Tricks, mit denen man einen Etat etwas schöner gestalten kann.

Auf der Vorlage, die den Ausschussmitglieder geschickt wurde, steht unten drunter in kleiner Schrift: „Die Verbandsgemeindeverwaltung war in das Vergabeverfahren und die Auftragsvergabe nicht eingebunden.“

Soll vermutlich heißen: Da hat wieder irgend jemand einfach einen Auftrag im Namen der Stadt Oppenheim erteilt, ohne Angebote eingeholt zu haben und wohl auch unter Umgehung des Stadtrates…

Der Herr Riedel als der zuständige Oppenheimer Finanzfachmann in der VG-Verwaltung könnte, wenn er sich denn wieder ins Oppenheimer Rathaus traut, sicherlich einiges zur Aufklärung dieses Falls beitragen. Und vielleicht sollte er künftig bei der Oppenheimer Etatplanung auch etwas genauer hinschauen…

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