Held & Parteispenden: Warum schweigt die SPD?

Vor mehr als einem halben Jahr hat die SPD vollmundig Überprüfungen zum Thema „Marcus Held und Parteispenden aus Oppenheim“ angekündigt. Wir haben jetzt in Mainz wie auch in Berlin nachgefragt, was daraus geworden ist, wir haben dazu etliche Mails geschrieben und viel telefoniert. Doch so offen und transparent, wie man sich gerne darstellt, geht’s bei der SPD offensichtlich doch nicht zu: Die Partei mauert im Oppenheim-Skandal. Warum?

Wenn der Name Marcus Held fällt, gehen SPD-Politiker neuerdings landauf, landab kollektiv auf Tauchstation (außer vielleicht in Oppenheim). Sie werden dafür ganz bestimmt gute Gründe haben:

Es ist schließlich vor einiger Zeit der Verdacht aufgekommen, dass mit den dubiosen Geschäften des Stadtbürgermeisters zugleich auch immer wieder viel Geld in die Parteikasse geflossen sein könnte. Die anonymen Autoren des Dossiers („Memorandum“) hatten diese Frage erstmals in den Raum gestellt, ohne sie allerdings beantworten zu können.

Freilich, die Frage drängt sich auf: Wenn Makler von Stadtbürgermeisters Gnaden unberechtigt Provisionen kassieren konnten, wenn Grundstücks-Verkäufer dank Marcus Held einen dicken Reibach oberhalb des vom Stadtrat festgesetzten Höchstkaufpreises machten oder Grundstücks-Käufer ein Schnäppchen aufgrund dicker Preisnachlässe, wenn Firmen Aufträge ohne Ausschreibung von der Stadt zugeschanzt bekamen – dann muss die Frage erlaubt sein, ob diese (Wohl-)Taten der Stadt (oder besser: zu Lasten der Stadt) eine einseitige Vergünstigung geblieben sind – oder ob sie vielleicht Gegengeschäfte nach sich gezogen haben. Womöglich könnten die Begünstigten im Gegenzug und als Zeichen ihrer Dankbarkeit ja großzügig Spenden an die Parteikasse überwiesen haben.

Ganz zu Beginn der Marcus-Held-Affäre, als gerade das Dossier publik geworden war, schrieb die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ über diesen Verdacht rechtwidriger Spendengeschäfte: Es gebe den Vorwurf so genannter Kickback-Zahlungen, also „Rückflüsse entweder an Held selbst oder als Spenden an die SPD in Oppenheim“. Und wörtlich schrieb die Zeitung unter der Überschrift „Marcus Held fühlt sich bedroht“ weiter: „Held schließt das aus und ist auch bereit, alle Spenden offenzulegen.“

Das war Ende März dieses Jahres. Dass Marcus Held zwischenzeitlich die Spenden, die aus seinem Umfeld in den letzten Jahren in die SPD-Parteikasse geflossen sind, offengelegt hat: Das darf bezweifelt werden, es ist zumindest nie bekannt geworden. Weshalb zu vermuten steht, dass Held mit seiner angeblichen Bereitschaft zur Transparenz und Offenheit erneut nur einen Spruch für die Lokalzeitung produziert hatte, den der Redakteur wie üblich unhinterfragt bereitwillig publizierte…

Immerhin, wir wissen:

Rudolf Baumgarten (vom Planungsbüro „PlangUT“ und Immobilienservice Rudolf Baumgarten) hat ausweislich der Bundestagsdrucksache 18/4300 (Seite 87) im Jahr 2013 eine Großspende von 14.000 Euro an die SPD geleistet.

Gesellschafter und Geschäftsführer der G-A-J Immobilien GmbH (sie hatte der Stadt Maklercourtagen für den Ankauf der Grundstücke im Krämereck-Süd in Rechnung gestellt) haben ausweislich Helds Einlassung in der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“ vom 8. April 2017 „immer mal wieder die SPD Oppenheim unterstützt“.

Wir bleiben da dran! Wir wollen weiterhin wissen, wie die anfänglich gestellte Frage nach dem möglichen Vorhandensein eines Kickback-Systems zu beantworten ist. Wobei wir allerdings jetzt erst einmal feststellen müssen: Unsere Frage scheint die SPD gar nicht zu mögen! Auf das Thema „Held & Parteispenden“ angesprochen, ducken sich die zuständigen Ansprechpartner bei der Partei ganz schnell weg. Das sieht dann so aus:

Wir hatten den SPD-Landesverband Rheinland-Pfalz erstmals am 26. Oktober angeschrieben: Wir wollten wissen, was denn aus den hausinternen Ermittlungen zum Thema Spenden aus Oppenheim geworden sei. Immerhin habe der SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz persönlich eine entsprechende Prüfung veranlasst. Der Parteichef, der auch rheinland-pfälzischer Innenminister ist, wurde Anfang April in der Zeitung „Rheinpfalz“ mit diesen Worten zitiert:

„Als Landesvorsitzender habe ich die schwerwiegenden Vorwürfe zur Kenntnis genommen und dementsprechend gehandelt. Mir ist an einer möglichst zeitnahen Aufklärung gelegen, weshalb ich gemeinsam mit Generalsekretär und Schatzmeister gleich am Dienstag eine Prüfung veranlasst habe. Nun warten wir das Ergebnis ab.“

Was, bittschön, ist denn nun daraus geworden, Herr Lewentz? Nach einem halben Jahr wird man doch sicher mal nachfragen dürfen, oder?

In Mainz aber hört man solche Fragen zu Parteispenden aus Oppenheim offenbar nicht nur nicht gerne – man hört gleich ganz weg:

SPD-Pressesprecherin Sonja Bräuer vergisst total, dass sie als Pressesprecherin mit der Presse sprechen sollte. Sie verweigert einfach jede Auskunft.

Florian Schilling, Büroleiter von SPD-Generalsekretär Daniel Stich, verspricht zwar, sich des Themas anzunehmen. Aber kaum hat er die Frage per Mail am Donnerstag um 16.56 Uhr zugeschickt bekommen,  schreibt er blitzschnell zurück, es ist 17.00 Uhr, und es klingt sehr schmallippig: „Vielen Dank für Ihre E-Mail, die ich an Frau Bräuer weiterreichen werden.“

Noch ein Versuch: Dann schreiben wir eben den Mainzer SPD-Generalsekretär Daniel Stich direkt an! Der Mann hatte sich im April als Reaktion auf die Darstellungen im anonymen Dossier an die Öffentlichkeit gewandt und breitbrustig behauptet: „Alle Spenden wurden ordnungsgemäß verbucht.“

Das hatte allerdings auch niemand bestritten! Die buchtechnische Behandlung war niemals ein Thema gewesen. Die Frage lautete stets nach der Herkunft der Spenden und nach deren möglichen Zusammenhang mit Geschäften zwischen der Stadt Oppenheim und den Spendern.

Dazu sagte Stich damals kein Wort (außer: „Die Prüfung dauert zurzeit noch an.“). Auffällig ist heute: Auf der Homepage der Landes-SPD stehen zwar alle möglichen Presseerklärungen der letzten Monate und Jahre, und naturgemäß finden sich dort jede Menge Stich-Äußerungen. Aber die Stellungnahme, die mit „Prüfung des SPD-Ortsvereins Oppenheim durch die Revision“ überschrieben war, sucht man vergebens. Sie fehlt.

Wir haben am Freitag eine Frage-Mail an Daniel Stich geschrieben. Der Mann, der sonst zu Allem und Jedem was zu sagen pflegt, hat bisher noch nicht geantwortet.

Die rheinland-pfälzische Landes-SPD steckt also den Kopf in den Sand, ganz tief. Und sagt: nichts. Kein Wort.

Das ist merkwürdig. Nein, das ist schon sehr verdächtig!

Aber fragen wir nach bei der Bundes-SPD. Auch die ist angeblich involviert: „Im fernen Berlin wird diskret und intern die Frage nach einer möglichen Parteispendenaffäre geprüft“, hatte die „Die Rheinpfalz“  geschrieben, als der Oppenheim-Skandal gerade aufgedeckt worden war. Und wörtlich weiter schrieb die Zeitung:

„Nach Informationen der RHEINPFALZ am SONNTAG ist bei der Prüfung von Schatzmeister Dieter Feid auch die Berliner SPD-Parteizentrale, das Willy-Brandt-Haus, eingeschaltet. Aus Oppenheim seien in den vergangenen Jahren ungewöhnlich hohe Spenden verbucht worden, heißt es.“

Auch der SWR will seinerzeit von parteiinternen Ermittlungen in der Bundeshauptstadt erfahren haben: Auf der Internetseite des Senders ist unter dem Datum vom 7. April nachzulesen:

Mittlerweile werden diese Unterlagen auch vom SPD-Bundesparteivorstand untersucht. Dabei geht es auch um die Frage, ob möglicherweise unrechtmäßig Spenden geflossen sein könnten. Wie hoch die Spenden an Oppenheims Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren waren, wollte die Sprecherin des Bundesparteivorstandes mit Verweis auf das Parteien- und Datenschutzrecht nicht sagen. Auch die Namen der Spender nannte sie nicht.

Diese Berichte wurden von der SPD nie dementiert, weshalb wir davon ausgehen können, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen. Nach fast acht Monaten dürfte die Prüfung nunmehr ganz bestimmt abgeschlossen sein…

Am 26. Oktober haben wir eine Mail mit unseren Fragen an die Bundes-SPD in Berlin geschickt. Es dauert fünf Tage, bis man sich im Berliner Willy-Brandt-Haus zu einer Antwort durchringt: Am 31. Oktober teilt ein Parteisprecher um 9.48 Uhr per Mail mit, dass man sich „aufgrund eines laufenden Verfahrens“ zu den Fragen „leider nicht äußern“ könne.

Laufendes Verfahren? In Sachen Marcus Held? Bei der SPD-Bundeszentrale? Was läuft denn da?

Weitere Antworten aber gibt es nicht. Noch nicht. Derzeit will die SPD zum Thema „Held & Parteispenden“ offenbar nichts sagen. Aber wir bleiben dran, versprochen!

++++

Man muss vielleicht verstehen, dass die SPD derzeit äußerst sensibel auf das Thema illegale Parteienspenden reagiert. Da gibt’s noch einen Fall, der nichts mit Oppenheim zu tun hat. Aber irgendwie kommt einem das alles recht bekannt vor:

Der SPD-Oberbürgermeister von Regensburg soll laut Staatsanwaltschaft einen Bauunternehmer „bewusst in pflichtwidriger Weise bevorzugt“ haben – im Gegenzug zahlte der Bauunternehmer Spenden an die SPD, immer schön gestückelt, in kleinen Beträgen, damit’s nicht so auffällt. Der Oberbürgermeister, der zeitweilig in U-Haft saß und inzwischen vom Dienst suspendiert wurde, hat jetzt eine Videobotschaft bei Facebook veröffentlicht: Darin beteuert er seine Unschuld, kritisiert die Medien wegen angeblicher Vorverurteilung und sagt auch:

Sie wissen, dass ich mich seit vielen Jahren gerne und intensiv für unsere Stadt und die VG einsetze Wir sind gemeinsam gut vorangekommen, wir haben gemeinsam vieles positiv geschaffen.“

Oh, sorry, Fehler! Wir haben uns vertan: Dieses Zitat stammt natürlich nicht von dem Regensburger SPD-Oberbürgermeister. Das schrieb Oppenheims SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held vor einiger Zeit in einem Brief an die Bürger seiner Stadt.

Was der OB von Regensburg sagte, klang allerdings ganz ähnlich:

„Ich habe zu jeder Zeit die Dinge getan, die meiner Meinung nach für die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger das Beste waren, und ich habe mich dann darum bemüht, im Stadtrat dafür Mehrheiten zu finden.“

Das hätte auch von Held sein können! Mit solchen Sprüchen reagieren SPD-Politiker wohl allüberall in Augenblicken größter Bedrängnis…

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