Es gibt schon wieder neue Nachrichten aus Oppenheim, und die klingen erneut gar nicht gut: Die Abbruchkosten des alten Gradinger-Möbelhauses sind inzwischen auf über eine Million gestiegen. Zugleich werden – auch wegen der merkwürdigen Geheimniskrämerei von Marcus Held – die Risiken für die Stadt immer unkalkulierbarer.
Gut vier Wochen nahmen sich die Verantwortlichen Zeit. Dann endlich, in der letzten Woche, veröffentlichten sie auf der Homepage der Verbandsgemeinde Rhein-Selz das Protokoll der Stadtrats-Sitzung vom 15. August. Darin findet sich ein kleiner Satz, der beim näheren Hinsehen ungeahnte Brisanz enthält. Er steht auf Seite 9, er lautet wörtlich:
Gemäß Vertrag zwischen HGO und der Stadt übernimmt die HGO ein Großteil der vorfinanzierten Abrisskosten (derzeit: 1.011.279,99 €).
Diese Formulierung kann nur eines bedeuten: Die Kosten für den Abbruch des alten Möbelhauses am Kautzbrunnenweg sind inzwischen auf über eine Million Euro angewachsen.
Vor genau einem Jahr hatte SPD-Stadtbürgermeister Marcus Held die Abbruchkosten noch öffentlich auf 300.000 Euro herunter geredet. Später wurden sie von Experten aus Worms mit exakt 523.290,60 Euro beziffert. Das Angebot der (nach Eingriff in die Verdingungsverhandlung verbliebenen) billigsten Abbruchfirma lautete schließlich auf knapp 590.000 Euro (incl. Mehrwertsteuer)
Seit April dieses Jahres liegen der Stadt eine ganze Reihe zusätzlicher Rechnungen des Abbruchunternehmens vor: Nach diesem (dem Stadtrat erst am 15. August vorgelegten) Rechnungslauf ergeben sich bereits Abrisskosten von über 900.000 Euro!
Und jetzt der unscheinbare nachrichtliche Hinweis im Stadtrats-Protokoll: Abrisskosten derzeit: 1.011.279,99 € – die Millionengrenze ist überschritten! Das Wörtchen „derzeit“ birgt eine weitere unerfreuliche Botschaft: Die Endabrechnung liegt noch nicht vor, die Rechnung wird also noch höher ausfallen. Mit einer Verdoppelung der ursprünglich geplanten Kosten muss inzwischen gerechnet werden.
Auffällig ist auch eine andere Formulierung: Die HGO übernehme einen „Großteil der vorfinanzierten Abbruchkosten“, heißt es in dem Protokoll. Warum so unpräzise? Hatte Marcus Held nichts stets beteuert, die HGO zahle die Hälfte aller Abbruchkosten? Die andere Hälfte müsse zwar die Stadt vorfinanzieren, so seine Darstellung, aber sie bekomme ihren Anteil dank eines Landeszuschusses zurück. Weshalb am Ende null Kosten an der Stadt hängen bleiben sollten.
Nun sind erstens die Kosten explodiert, und zweitens hat das Innenministerium auf Anfrage erklärt, dass der Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 2015 mitnichten eine Fifty-Fifty-Kostenverteilung vorsehe: Man sei bei der Zuschussbewilligung von Abbruchkosten in Höhe von 750.000 Euro ausgegangen, wovon allerdings nur die Hälfte förderfähig sei, und diese auch nur zu 80 Prozent. Heißt: Von 375.000 Euro werde das Land 80 Prozent übernehmen, maximal also 300.000 Euro.
Bei 750.000 Euro Abrisskosten sah die Rechnung noch so aus: Die HGO zahlt (wenn man dem von Held vorgelegten Kaufvertragsentwurf glauben darf) die eine Hälfte, nämlich 375.000 Euro. Das Land überweist an die Stadt maximal 300.000. Klare Sache: Dann würden mindestens 75.000 Euro bei der Stadt hängen bleiben.
Wohlgemerkt: Diese Rechnung würde selbst dann gelten, wenn es Mehrkosten über den Betrag von 750.000 Euro hinaus nicht gegeben hätte. Weshalb bis heute unklar ist: Wer zahlt die fehlenden 75.000 Euro?
Aber es geht noch weiter. Inzwischen liegen die Abbruchkosten bei über einer Million Euro. Was ist mit den ungeplanten Mehrkosten in Höhe von bisher 300.000 Euro? Die eine Hälfte, also 150.000 Euro, soll wieder die HGO zahlen – so heißt es im Entwurf(!) des Kaufvertrages zwischen Stadt und HGO (den Vertrag herauszurücken weigert sich Marcus Held beharrlich, sogar gegenüber Ratsmitgliedern).
Für die andere Hälfte der Mehrkosten hat Marcus Held das Land um weitere Zuschüsse gebeten. Selbst wenn – was derzeit völlig offen ist und wofür es keinerlei Indikation gibt – das Land seinen Bewilligungsbescheid im vollen Umfang ausdehnen und zur städtischen Hälfte der Mehrkosten ebenfalls 80 Prozent zuschießen würde: Dann blieben weitere 30.000 Euro offen.
Womit am Ende unterm Strich mehr als 100.000 Euro der Abbruchkosten offen wären. Wichtig: Dieser Betrag ergäbe sich auch nur für den günstigsten Fall, dass das Land nach Maßgabe seines Erstbescheids ohne Einschränkung weitere Steuergelder nach Oppenheim pumpt. Ansonsten wird der städtische Fehlbetrag noch größer!
Marcus Held steckt in der Zwickmühle – sie ist Ausdruck des typischen Interessenkonflikts, der die von Held zelebrierte Mehrfachbesetzung von Ämtern innewohnt:
- Als Stadtbürgermeister muss er dafür sorgen, dass die klamme Stadtkasse möglichst wenig belastet wird. Also: alle Kosten der HGO aufbürden!
- Als Geschäftsführer der Haus- und Wohnungsbaugesellschaft HGO muss er sich ausschließlich vom Unternehmensinteresse leiten lassen. Also: die Kosten der HGO so gering wie möglich halten und in größtmöglichem Umfang bei der Stadt belassen!
Für die erste Verblüffung sorgte bereits, als er die Makler-Courtage von der HGO übernehmen ließ: Die hatte er als Stadtbürgermeister ohne Autorisierung durch den Stadtrat beim Zwischenerwerb des Gradinger-Objekts akzeptiert und an die Ehefrau seines Amtsvorgängers Erich Menger überwiesen. Dass er die knapp 35.000 Euro dann der HGO zuschob, ist möglicherweise Ausdruck von Helds (untauglichem) Versuch, die eigene Pflichtverletzung ungeschehen zu machen. Aus Sicht eines ordentlichen Kaufmanns (der er als Geschäftsführer der HGO zu sein hat) ist die von Held vorgenommene Abwälzung in keiner Weise nachvollziehbar, wenn nicht gar unternehmensschädigend.
Und jetzt? Soll die HGO, vertreten durch ihren Geschäftsführer Marcus Held, allen Ernstes weitere Abbruchkosten im sechsstelligen Bereich hinnehmen? Und so für die Fehlkalkulation des Stadtbürgermeisters Marcus Held gerade stehen?
Oder bleibt die Stadt – ohne Deckung durch Landeszuschüsse – im Risiko? Erleiden gar beide – HGO und Stadt – Vermögensnachteile?