6. Akt: Fake News made in Oppenheim
Die Wahrheit ist das erste Opfer
Auf der Internetseite des Deutschen Bundestags findet sich über den SPD-Abgeordneten Marcus Held ein Halbsatz, der starke Symbolkraft hat für all das, was die Menschen in und um Oppenheim derzeit mit ihrer politischen Führung erleben:
Held sei, so steht da zu lesen, „seit 2004 Stadtbürgermeister, seit 2009 Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim…“
Das ist nicht ganz korrekt – wie so vieles andere auch, was derzeit an Informationen und Nachrichten in Oppenheim kursiert. Fake News nennt man das neudeutsch, was in dem rheinhessischen Städtchen sogar von offiziellen Stellen verbreitet und sodann von den Medien ungeprüft weitergegeben wird, absichtlich verbreitete Falsch-Nachrichten also, die nur einen Sinn ergeben: Sie sollen vom Fall Marcus Held und den Geschäften des Stadtbürgermeisters ablenken, die von anonymen Autoren in einem Dossier aufgedeckt wurden.
Die Wahrheit ist, wie so oft, auch im Oppenheim-Skandal das erste Opfer. Und daran wirkt an vorderster Front neben dem Hauptbeteiligten Marcus Held auch sein Parteifreund und Verbandsgemeindechef Klaus Penzer mit.
Oppenheim: Kein Geld, aber hohe Repräsentationskosten
Die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ hat letztens die kommunalen Finanzen der beiden Kommunen Nierstein und Oppenheim verglichen, die Ende 2009 fast gleichauf lagen. Das Ergebnis ist interessant:
Nierstein (8200 Einwohner) baute seine Kassenkredite stark ab – auf 1,8 Millionen. Steuern mussten dafür nur geringfügig erhöht werden. Man habe Baugebiete ausgewiesen, die Infrastruktur verbessert, intensiv Zuschüsse eingeholt – und massiv gespart, sagte Stadtbürgermeister Thomas Günther (CDU) der Zeitung.
In Oppenheim (7300 Einwohner) stiegen dagegen die Kassenkredite im gleichen Zeitraum auf 16,3 Millionen Euro. Grund- und Gewerbesteuer wurden zwar erhöht, aber Einsparpoteniale gebe es kaum, wird Stadtbürgermeister Held zitiert. Sein Vorschlag: „Bei hochverschuldeten Kommunen müsste so etwas wie ein Schuldenschnitt angedacht werden.“
Die Stadt Oppenheim erhöhte in ihrem Etat 2017 die Ausgaben für ihre drei Beigeordneten (pro Monat je 801 Euro), drei Beauftragten (450 Euro) und für den Stadtbürgermeister (2186 Euro) auf nunmehr 94.000 Euro. Für Repräsentationen wurden vor zwei Jahren noch rund 9000 ausgegeben; in diesem Jahr stehen dafür 20.000 Euro bereit.
Nicht zuletzt leistet sich die Stadt – was für Städtchen dieser Größe schon mehr als ungewöhnlich ist – einen Mitarbeiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Online. Mit der Presse sprechen darf der Mann aber nicht, das behält sich Marcus Held ausdrücklich vor, weshalb er die Jobbeschreibung seines Mitarbeiters präzisiert: Der sei kein Pressesprecher; sondern „ein Mitarbeiter, der Presse macht und über das, was die Stadt tut, berichtet, zum Beispiel auf der Homepage“.
Eine bittere Niederlage vor Gericht
Wir müssen, um die wahren Abgründe der aktuellen Desinformationskampagne besser erkennen zu können, ein wenig ausholen:
Marcus Held, der Oppenheimer Stadtbürgermeister, war tatsächlich mal, wie in seiner Bundestags-Biographie nachzulesen ist, Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim. Die aber gibt’s nicht mehr, sie ging 2014 in die neue Verbandsgemeinde Rhein-Selz auf, womit Held seinen Job los war.
Der aufstrebende Jungpolitiker wollte damals unbedingt weitermachen, und auch Klaus Penzer, der Bürgermeister der alten wie der neuen Verbandsgemeinde, hätte seinen Parteifreund gerne als Stellvertreter behalten. Das Problem: Von Rechts wegen stand der Job dem CDU-Mann Michael Stork zu.
Held erkannte die Aussichtslosigkeit seiner Kandidatur gerade noch rechtzeitig: Er verzichtete im letzten Augenblick. Die lokale Zeitung schrieb damals von einem „überraschenden Rückzug“ und nannte als seine Begründung, was angesichts der unzähligen Ämter und Posten des Politikers heute recht burlesk klingt: Er, Held, wolle nicht den Eindruck erwecken, alle wichtigen Posten an sich zu reißen.
Klaus Penzer jedoch wollte bei der Auswahl seines Stellvertreters nicht so schnell beigeben. Er versuchte sogar widerrechtlich, die Position von Stork zu untergraben: Er nahm ihm den Titel „Erster Beigeordneter“ und stufte ihn auch finanziell herunter.
Der CDU-Mann klagte dagegen vor Gericht und setzte sich am Ende durch – eine mehr als peinliche Schlappe für das Duo Penzer/Held. Stork, der Erste Beigeordnete, gilt seither als der meist gehasste CDU-Mann unter den SPD-Granden in Oppenheim und Umgebung. „Er hat es gewagt, Penzer und Held Paroli zu bieten. Das haben sie ihm nie verziehen“, sagt ein Kenner der kommunalpolitischen Szenerie in Rheinhessen.
Mit diesem kleinen Exkurs in die jüngere Vergangenheit nähern wir uns einer Erklärung für die fehlerhafte Bundestags-Meldung: Hier diktierte wohl der Wunsch die Formulierung im Lebenslauf. Darüber hinaus darf man sie sicher auch als Ausdruck eines tief sitzenden Schmerzes über die damalige politische Schlappe werten: Inzwischen belustigen sich selbst Held-Freunde darüber, dass das Gefühl unerfüllten beruflichen Strebens bei dem Berufspolitiker noch immer derart drängend sei, dass es über eine fehlerhafte biographische Notiz hinaus bis in das kommunalpolitische Leben der Stadt Oppenheim hinein wirkt, und zwar stärker denn je:
Ein Scheiterhaufen vor dem „Rondo“
Als jetzt das Dossier publik wurde, in dem mit Papieren aus dem Oppenheimer Rathaus und aus der Verwaltung der Verbandsgemeinde dem Stadtbürgermeister dubiose Geschäftstätigkeiten unterstellt werden, legten Held und Penzer an – und nahmen ihren „Lieblingsfeind“ (ein SPD-Stadtverordneter) ins Visier. Der Verwaltungsbeamte Stork bekam kurz vor Toresschluss – seine Amtszeit läuft Ende Juni dieses Jahres aus – eine geballte Ladung verbalen Schrots ab.
Klaus Penzer überschüttete seinen Stellvertreter zudem öffentlich mit einer Brühe aus Verschwörungstheorien und Fake News, dass selbst der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“ – die gemeinhin als ziemlich Bürgermeister-freundlich eingestuft wird – richtig übel wurde:
„Die politische Klasse von der Verbandsgemeinde Rhein-Selz gibt derzeit ein erschreckendes Bild ab“, notierte der lokale Chefkommentator Ulrich Gerecke unter der Überschrift „Vergiftet“. Hinter jeder Aussage „steckt politisches Kalkül, es geht um Deutungshoheit und Machtfragen. (…) Das Klima ist hoffnungslos vergiftet, der Politikbetrieb kreist fast nur noch um sich selbst, und der normale Bürger dürfte über all das nur noch den Kopf schütteln“.
Man kann’s dem Redakteur nicht verdenken, dass er recht unkonkret blieb und keine Namen nannte: Er muss mit den Hauptprotagonisten des Oppenheim-Skandals vermutlich noch einige Zeit zusammenleben, da scheint Zurückhaltung nicht unangebracht. Aus der Warte des unabhängigen Beobachters ist es allemal leichter, die Fakten zu benennen:
Klaus Penzer war’s, der sich als Inquisitor von Oppenheim betätigte und vor seinem Verwaltungsgebäude einen Scheiterhaufen aus Anwürfen und Unterstellungen errichtete, um den missliebigen Stellvertreter am Ende von dessen Dienstzeit öffentlich hinzurichten:
Er ließ über die „Allgemeine Zeitung“ verbreiten, das eigentlich nur drei Personen aus seiner Verwaltung für die Verbreitung des Dossiers – und damit für eine vermeintlich strafrechtlich relevante Veröffentlichung behördeninterner Papiere – in Frage kämen. Dann nannte er aber nur einen Namen: Den seines Stellvertreters. Michael Stork.
Auf Nachfragen des Zeitungsredakteurs musste der Chef der Verbandsgemeinde einräumen, dass er für seine Behauptung keinerlei Beweise habe. Vielmehr gebe es nur „Mosaiksteine für einen Verdacht“. Und, immerhin, zwei Zeugen, die gesehen hätten, dass Stork am Kopierer gestanden habe…
Auf Grund einer solch dünnen Verdachtslage einen Mitarbeiter öffentlich zu brandmarken, ist, wie die „Allgemeine Zeitung“ korrekt erkannte, „ein in der rheinland-pfälzischen Kommunalpolitik einmaliger Vorgang“; der Redakteur hätte auch schreiben können: in der deutschen Nachkriegs-Verwaltungsgeschichte. Penzer hatte mit der öffentlichen Nennung eines Namens den normalen Gang von Ermittlungen verlassen und sich, wieder einmal, in rechtliches Abseits manövriert: Seine Äußerungen dürften einer Vorverurteilung gleichkommen – was den Verdacht einer falschen Verdächtigung und vorsätzlichen Verleumdung nahelegt, und was dann auch ein krasser Verstoß gegen die Fürsorgepflicht wäre, zu der jeder Dienstvorgesetzte rechtlich verpflichtet ist.
Angesichts des juristisch äußerst heiklen Verhaltens von Stork-Chef Penzer macht sich sogar die Zeitung Sorgen um den Mann: Der gehe das Risiko ein, verklagt zu werden, schrieb sie.
Klaus Penzer: Ich sage nichts
Klaus Penzer, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde, will keine Stellungnahme zum Oppenheim-Skandal abgeben. Vom Autor dieser Webseite bekam er einen ausführlichen Fragen-Katalog zugesandt mit der Bitte um Beantwortung bis zum 19. Mai. Penzer schrieb zurück, was etwas verwirrend und wohl auch verwirrt klang: Er habe den Journalisten mit einem Oppenheimer Bürger gesehen, „Sie verstehen, dass mir die Seriosität und Vertrauenswürdigkeit von Journalisten sehr wichtig ist“.
Antworten schickte er, trotz erneuter Bitte, keine. Die Frist zur Beantwortung ließ Penzer verstreichen – wohl kaum aus Zeitgründen: Am selben Tag informierte er einen Redakteur der „Allgemeinen Zeitung“ ausführlich darüber, dass eine interne Untersuchung Indizien zutage gefördert habe: Der Kreis der verdächtigen Personen, die behördeninterne Unterlagen aus seiner Verwaltung für das Dossier herausgegeben hätten, könne „erheblich eingeschränkt“ werden. Drei Personen stünden laut Penzer im Fokus, er nannte der Zeitung nur einen: Michael Stork, seinen Stellvertreter.
Auf eine telefonische Nachfrage, wann mit der Beantwortung der Fragen gerechnet werden könne, reagierte Penzer endgültig abweisend: Er sage nichts, weil er nicht wisse, wie das anschließend ausgelegt wird. „Wenn hier was positiv läuft, dann interessiert sich keine Sau dafür. Aber wenn was Negatives zu veröffentlichen ist, dann wird in den Krümeln gesucht.“ Er habe jetzt den Rechnungshof im Haus, den Datenschützer, „ich habe auch noch meine normale Arbeit – da habe ich keine Zeit für Fragen. Ich warte das Ergebnis des Rechnungshofes ab, und dann werden wir in den Gremien beraten, wie das zu bewerten ist.“
Eine letzte Nachfrage war noch möglich: Er habe den Namen Michael Stork genannt, den Mann damit konkret beschuldigt…
Penzer reagierte äußerst unwirsch: „Ich habe niemanden beschuldigt, ich habe nur Indizien genannt, und wie man das auslegt, ist nicht mein Problem.“ Er habe nichts gegen Stork, aber der Mann sei Sachbereichsleiter, und wenn aus dessen Bereich Unterlagen an die Öffentlichkeit kommen (Penzer: „Gut, nicht alle, aber 15 von 20“), dann müsse er dafür gerade stehen.
Stork bleibt trotz derartig schwerer Anmache – zumindest äußerlich – bemerkenswert ruhig. Er wolle nicht mehr gegen seinen Vorgesetzten klagen, sagt er, er sei des juristischen Streitens überdrüssig, und seine Zeit in der Verbandsgemeinde sei ja auch bald um. Er sehe in Penzers Attacken eine „versuchte Ausbootung und politische Ausgrenzung“, auch einen Racheakt, weil er damals sein gutes Recht vor Gericht gegen den Verwaltungschef erstritten habe.
Von einer „Hexenjagd“ in Penzers Verwaltung spricht unterdessen Raimund Darmstadt, einer der letzten lautstarken Widersacher gegen die lokale SPD-Herrschaft. Der AL-Ratsherr will in der Verwaltung der Verbandsgemeinde „ein unerträgliches Klima von Angst und Verdächtigung“ ausgemacht haben.
Der „Fall Klaus Penzer“ schreckte nicht zuletzt die lokale CDU auf. Die Partei, die in Oppenheim angesichts ihrer inneren Zerstrittenheit kaum noch als politische Kraft auszumachen ist und ihr Heil in einer völlig sinnfreien Rathaus-Großkoalition (SPD: 12 Mandate, CDU: 5, AL: 5; Stand Anfang Juni 2017) sucht, raffte sich, immerhin, zu der Erkenntnis auf: „Seit Tagen werden hier Nebenkriegsschauplätze inszeniert, um vom eigentlichen Sachverhalt abzulenken.“
Das, so darf man vermuten, ist tatsächlich der wahre Hintergrund der aggressiven Rufmord-Kampagne: Hier soll mit aller Gewalt abgelenkt werden vom Oppenheim-Skandal, vom Fall Marcus Held:
Angesichts der in dem Dossier aufgezeigten Verdachtsmomente gegen den Stadtbürgermeister, die mit zahlreichen Behördendokumenten untermauert werden, könnten die Verantwortlichen in Partei und Verbandsgemeinde wie auch in der Presse ja mal fragen: Was läuft da wirklich ab im Oppenheimer Rathaus? Was sind das für dubiose Verträge, die Marcus Held abzeichnet und die der Stadt viel Geld kosten?
Und auch: Was veranlasst einen Bundestagsabgeordneten der SPD, sich als Stadtbürgermeister dem schwerwiegenden Verdacht auszusetzen, dass er die Stadtkasse plündere?
Es sind Fragen, die einer Partei schmerzen. Aber die Antworten hätten vielleicht einen Heilungsprozess anstoßen können.
Die Ente vom enttarnten Anonymus
Allein, die Fragen werden nicht gestellt. Stattdessen konnte Marcus Held seine Gegenoffensive starten – mit Unterstützung der lokalen Medien:
Der erste Bericht, den die ortsansässige „Allgemeine Zeitung Landskrone“ über den Oppenheim-Skandal brachte, war weniger dem Inhalt des Dossiers geschuldet. Der Stadtbürgermeister hatte den Artikel initiiert, Held sei „über diese Zeitung selbst an die Öffentlichkeit“ gegangen, schrieb das Blatt. Die Redaktion bedankte sich im Gegenzug für ein derartiges Entgegenkommen mit der mitfühlenden Headline: „Jemand will mich zerstören“.
Eine Woche später ließ sich der Redakteur des „Nibelungen Kurier“ mit Marcus Held auf einem Sofa ablichten und schlagzeilte, ganz im Sinne des SPD-Politikers: „Ganz klar eine politische Attacke“. Hier tat Held kund, dass die wahren Täter nunmehr identifiziert seien, und der Redakteur fabulierte munter weiter, dass der Stadtbürgermeister jetzt Anzeige „gegen den nun enttarnten Anonymus“ erstatten wolle.
Das wiederum griff die „Allgemeine Zeitung“ auf, die unter der Überschrift „Bürgermeister Held kämpft gegen anonyme Anschuldigungen“ ziemlich exklusiv berichtete: „Unangenehme Post dürften in den kommenden Tagen zwei Rheinhessen erhalten: Sie könnten hinter den anonymen Vorwürfen gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held stecken“. Held wolle Anzeige erstatten, „doch zunächst sollen die zwei Personen von Helds Anwalt gehört werden“.
Die Wahrheit ist: Das waren Fake News made in Oppenheim. Fabriziert ganz offensichtlich von Marcus Held in Kooperation mit den lokalen Zeitungen. Denn Fakt ist: Bis heute gibt’s keinen einzigen konkreten Hinweis auf die anonymen Autoren des Dossiers
Wohl deshalb hat Marcus Held auch inzwischen beim Thema „Enttarnung“ den geordneten Rückzug angetreten. Als ihm der Autor dieser Webseite die Frage stellte: „Die Allgemeine Zeitung schrieb unlängst, Sie würden über einen Anwalt Strafanzeige vorbereiten wegen Verleumdung etc. Ist das inzwischen geschehen – und wenn ja: Können Sie etwas mehr dazu sagen?“ antwortete er: „Nach Rücksprache mit meinem Anwalt möchten wir hierzu aktuell keine Stellungnahme abgeben.“
Nach dem GAU kam das Erdbeben
Inzwischen wurde ja auch eine neue Verteidigungsstrategie entwickelt: Nicht mehr die angeblichen Verstöße Helds werden thematisiert. Vielmehr wird nur noch der Umstand angeprangert, dass jemand – ein Straftäter! – die Behördenpapiere an die Öffentlichkeit gebracht habe. In der Oppenheimer Presse gibt’s seither keinen „Fall Held“ mehr. Vielmehr konzentriert sie sich in ihrer Berichterstattung auf das Leck in der Verbandsgemeinde: „VG Leak“ – das scheint den Lokalredakteuren der wahre Skandal zu sein!
„Der GAU droht“, überschrieb die Zeitung Ende April einen Kommentar. Der „veritable Tiefpunkt“, den der Redakteur ausgemacht hatte, sei, dass „sensible Daten aus der VG-Verwaltung herausgelangt oder gar gezielt verbreitet worden sind“. Das wäre nicht nur ein Fall für den Staatsanwalt: „Es wäre eine Katastrophe in Sachen Vertrauen in Politik und Behörden“.
Acht Tage später, am 4. Mai, war der GAU offenbar passiert: „Erdbeben“ lautete jetzt die Kommentar-Überschrift. Vorsätzlich seien Grundstücksverträge und andere sensible Daten „durchgestochen“ worden, schrieb der Redakteur, „das habe „das Potenzial, ein politisches Erdbeben auszulösen“. Er nannte auch die Frage, die seiner Meinung nach die Menschen in Oppenheim jetzt umtreibe: „Sind die Daten der Bürger bei der VG noch sicher?“
Das gefällt, davon kann man ausgehen, den Entscheidern in Rathaus und Verbandsgemeinde, wo inzwischen der Satz die Runde macht: „Die Whistleblower können sich nur noch einen Strick nehmen – oder müssen auswandern.“
Wer sollte sie auch stoppen, die Macher von Oppenheim? Etwa die so genannte „vierte Gewalt im Staate“, die Journalisten bei der lokalen Zeitung? Wohl kaum:
Weinbruderschaft mit dem Chefredakteur
Marcus Held werden sehr gute Kontakte in die Redaktion der „Allgemeinen Zeitung“ nachgesagt, nicht von ungefähr: Er war ausweislich seines Lebenslaufs jahrelang als freier Mitarbeiter in der Redaktion tätig. Das verbindet.
In dem Dossier heißt es – und wird mit Rechnungskopien belegt –, dass die Stadt Oppenheim allein im letzten Jahr für weit mehr als 30.000 Euro Anzeigen in den Blättern des Rhein-Main-Verlags geschaltet habe, zu dem auch die „Allgemeine Zeitung“ gehört. Im darbenden Zeitungsgeschäft legte sich heutzutage kein Redakteur mehr mit einem solchen Kunden an, schon gar nicht, wenn dieser über exzellente Drähte bis in die oberste Redaktionsspitze verfügt:
Letztens erschien in der „Allgemeinen Zeitung“ der Artikel „Weinbruderschaft Rheinhessen heißt acht neue Mitglied willkommen“. Danach gehört jetzt auch Marcus Held diesem exklusiven Netzwerk von Unternehmern, Mandatsträgern und sonstigen Multiplikatoren an.
In der Aufzählung der neuen Mitglieder tauchte zudem der Name Friedrich Roeingh auf. Also auch er, der Chefredakteur der „Allgemeinen Zeitung“, hat sich die schwarz-gelbe Krawatte der Bruderschaft umgebunden. Weinselige Nähe scheint ihm selbst in diesen brisanten Zeiten der lokalen GAUs und Erdbeben wichtiger zu sein als gesunde journalistische Distanz.
Und spätestens seit Erscheinen dieses Artikels steht kaum zu erwarten, dass ein Redakteur der „Allgemeinen Zeitung“ die neue Bruderschaft zwischen Chefredakteur und Stadtbürgermeister mit kritischer Berichterstattung allzu sehr belasten wird.