Ein Ex-General soll für Frieden in Oppenheim sorgen

Wird ein hochdekorierter Generalleutnant a.D. der Luftwaffe das neue Stadtoberhaupt von Oppenheim? An diesem Freitagabend erklärte er sich bereit, die Verantwortung zu übernehmen: Walter Jertz, 72 Jahre alt, wird bei der Bürgermeisterwahl im Juni antreten – als Kandidat eines überparteilichen Bündnisses, zu dem sich führende Mitglieder von AL, CDU, FDP, Grüne, ein bekannter SPD-Mann sowie Parteilose zusammengefunden haben.

Die Mail wurde in der Nacht zum Samstag vom Oppenheimer SPD-Rebell Torsten Kram verschickt, es war exakt 22.38 Uhr:

„Wir haben uns heute darauf verständigt, Walter Jertz als parteiunabhängigen Kandidaten für die anstehende Urwahl zum Bürgermeister der Stadt Oppenheim vorzuschlagen. Jertz ist aus unserer Sicht bestens für dieses Amt geeignet. Er bringt die notwendigen Fähigkeiten für die anstehenden Aufgaben und dringenden Herausforderungen mit. Er ist in dieser außergewöhnlichen Situation für uns der Richtige. Er ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Er ist in der Lage, glaubwürdig die notwendigen Prozesse anzustoßen und umzusetzen. Er wird gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den gewählten Vertreterinnen und Vertretern zum Wohle unserer Stadt wirken.“

Die Entscheidung fiel an diesem Freitagabend, nach gar nicht langer Diskussion und vor allem einstimmig: Das überparteiliche Bündnis, das wir auf dieser Webseite bereits kurz vorgestellt hatten, hatte sich diesmal bei  Christina Bitz in den Räumen des früheren Milch- und Käseladens Mindnich getroffen: Torsten Kram (SPD), die Parteivorsitzenden Raimund Darmstadt (AL) und Stephanie Steichele-Guntrum (FDP), Franz-Josef Kolb (CDU), Demo-Organisator Axel Dahlem und Walter Jertz (beide parteilos) – und eben Christina Bitz, die Fraktionschefin der Grünen im Rat der Verbandsgemeinde. CDU-Chef Peter Pfau war beruflich verhindert, aber telefonisch zugeschaltet.

Diese Frauen und Männer hatten sich bei den Montags-Demos gefunden: Sie verbindet der Wunsch, die politischen Verhältnisse in der Stadt zu befrieden und wieder in normale Bahnen zurückzuführen. Ihre erste Forderung – Rücktritt von Skandal-Bürgermeister Marcus Held – ist erfüllt. Die weiteren Überlegungen: Wenn im Juni ein neuer Stadtbürgermeister gewählt wird, müsste ein gemeinsamer Kandidat auf jeden Fall frei von jedweden Verbindungen zum Held-System sein. Er müsste für möglichst viele Oppenheimer wählbar sein, er sollte angesichts der zu erwartenden schwierigen Aufgaben auf jeden Fall eine führungsstarke Persönlichkeit sein, möglichst mit Verwaltungserfahrung.

Gesucht also: Ein Kärrner auf jeden Fall. Eine Lichtgestalt zugleich.

Walter Jertz erfüllt diese Anforderungen offenbar. Und: Er ist Ur-Oppenheimer, kennt die Stadt, fühlt sich ihr verbunden, er hat zuletzt mitgelitten, als der Oppenheim-Skandal wie ein Eitergeschwür aufplatzte. Er war regelmäßiger Teilnehmer der Montag-Demos.

Sein Leben im Zeitraffer: Kindheit und Jugend in Oppenheim, Abitur vor rund 50 Jahren am Neusprachlichen Gymnasium. Pilotenausbildung bei der Luftwaffe: Jertz flog den „Starfighter“ und später den „Tornado“.

Wir hatten auf dieser Webseite geschrieben, dass ihm eine Nähe zur Sozialdemokratie nachgesagt werde. Er meldete sich umgehend: Diese Formulierung habe er „mit ein bisschen Verwunderung“ zur Kenntnis gekommen, schrieb er. „Als General war es mir stets ein Anliegen, nicht einer Regierung, sondern einem Parlament zu dienen. So habe ich 1995 als erster Befehlshaber den mit einem Bundestagsmandat versehenen bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte auf dem Balkan geführt – unter einem CDU-Verteidigungsminister. 1999 hat mich ein SPD-Verteidigungsminister zum militärischen Sprecher der NATO im Kosovokonflikt gemacht.“

2002 wurde Jertz Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos in Köln: Ihm unterstanden rund 32.000 Soldaten, 8000 zivile Mitarbeiter sowie 460 Kampf- und rund 180 Transportflugzeuge der Luftwaffe.

2006 trat er in den Ruhestand. Und kehrte in seine alte Heimat zurück, nach Oppenheim.

Jertz, der mit zahlreichen Orden und Medaillen geehrt wurde, ist bekannt als Verfasser militärischer Publikationen – aber hat auch Kinderbücher geschrieben: Zwei Märchen der Freundschaft („Kommst du mit nach Afrika?“ und „Erzähl mir mehr von Afrika“) stammen aus seiner Feder: Er habe die Bücher, sagte er mal, zuallererst für seine Enkelkinder geschrieben.

Jetzt wurde er auch mit dem Satz zitiert: „Ich würde mir wünschen, dass wir in Oppenheim auf einen Weg zur Gemeinschaft zurückfinden, auch wenn’s steinig wird.“ In der Pressemitteilung des überparteilichen Bündnisses heißt es: „Walter Jertz ist parteiunabhängig, überparteilich anerkannt und in Oppenheim aufgewachsen und so mit der Stadt und ihrem Gemeinwesen bestens verbunden. Er handelt aus Überzeugung für Oppenheim.“

Die Bürgermeister-Wahl soll Anfang Juni stattfinden – der erste Hut liegt jetzt im Ring. Die Parteienvertreter in dem überparteilichen Bündnis werden ihren Vorschlag jetzt in ihre Gremien tragen: Die müssen natürlich ihre Zustimmung geben, mit Widerspruch aber ist kaum zu rechnen.

Ob die Oppenheimer SPD einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Die zwölfköpfige Stadtrats-Fraktion hat sich in zwei Lager gespalten. Aussagen der bisherigen Fraktionsvorsitzenden Stephanie Kloos, man könne nach dem Rücktritt von Marcus Held wieder gemeinsame Sache machen, entsprachen wohl eher ihrem persönlichen Wunschdenken: Das lehnten die anderen „Abtrünnigen“ rundweg ab. Zum neuen Vorsitzenden der abgespaltenen SPD-Fraktion wurde Jörg Steinheimer gewählt.

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