Wackelt die Rathaus-Koalition in Oppenheim? In der lokalen CDU, so scheint’s, haben die Enthüllungen im Oppenheim-Skandal erste, noch ganz vorsichtige Denkprozesse angestoßen. „Wir werden nach der Sommerpause eine Mitgliederversammlung einberufen. Dann werden wir diskutieren, und zwar absolut ergebnisoffen, wo wir stehen und wie es weitergeht“, erklärte jetzt CDU-Vorsitzender Peter Pfau. Zur Causa Held will er sich ansonsten vorerst nicht weiter äußern: Man halte sich bewusst mit Stellungnahmen und Verlautbarungen zurück, bis die Vorwürfe überprüft und offiziell bewertet worden seien.
Die kleine Partei der Christdemokraten gibt derzeit kein sonderlich gutes Bild in der Öffentlichkeit ab. Dr. Marco Becker, der die auf vier Mitglieder geschrumpfte CDU-Fraktion im Stadtrat leitet, betont zwar: Er sehe sich im Stadtparlament an die Koalitionszusage gebunden, das sei für ihn eine Frage des politischen Anstands und der Fairness. Doch es ist natürlich auch ihm nicht entgangen, dass der Zusammenschluss der beiden ungleichen Fraktionen von etlichen CDU-Mitgliedern längst verflucht wird:
Die SPD verfügt mit zwölf Sitzen über eine satte Mehrheit im Stadtparlament, weshalb kein Außenstehender einen tieferen Sinn in der Koalition erkennen kann. Das Rathaus-Bündnis war 2014 zwischen der SPD und dem seinerzeitigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Krethe abgesprochen worden, ohne dass zuvor die CDU-Mitglieder befragt worden wären. Hartnäckig hält sich seither der Vorwurf, die Christdemokraten hätten sich von der SPD einkaufen lassen. Denn Krethe wurde damals von SPD-Stadtbürgermeister Held umgehend zum ehrenamtlichen Beigeordneten ernannt, wofür er seither jeden Monat 801 Euro kassieren darf. Sein Fraktionskollege Rüdiger Pfannenberg bekam den Posten eines Beauftragten für Partnerschaften angetragen, was ihm Monat für Monat 450 Euro einbringt.
Inzwischen ist Krethe, einst offensiver Kritiker der lokalen SPD-Politik, zu einem loyalen Begleiter des Stadtbürgermeisters geworden. Er gefalle sich als „Helds Kofferträger“, wird in der Stadt kolportiert. Nicht zuletzt die anhaltende Kritik an seiner engen Nähe zum lokalen Verwaltungschef führte dazu, dass Krethe aus der CDU austrat. Als er dennoch Mitglied in der CDU-Fraktion bleiben und an deren vertraulichen Sitzungen teilnehmen wollte, schloss man ihn unlängst offiziell aus.
Solche Meldungen zehren am Selbstbild und -verständnis einer Partei, und das höhlt auf Dauer den Langmut und die Loyalität selbst der treuesten Mitglieder aus. Letzte Woche fand abends ein Treffen führender Oppenheimer CDU-Politiker statt. Offen kam zur Sprache, so erzählten Sitzungsteilnehmer hinterher, dass man in der CDU sehr darunter ächze, wie Stadtbürgermeister Held die Koalition in kaum noch zu ertragender Weise belaste – mit seinen Alleingängen, mit Millionenausgaben hinterm Rücken des Stadtrates und nicht zuletzt mit der nachträglichen Genehmigung von Grundstücksan- und -verkäufen im großen Stil, was der Stadtkasse hohen Schaden zugefügt hat.
Fraktionschef Becker will derzeit in der Öffentlichkeit zu alledem nicht viel sagen. Nur so viel: Stadtplaner Baumgarten mache seiner Meinung nach einen guten Job, aber dass der Mann zusätzlich Maklercourtagen in sechsstelliger Höhe kassiert habe, „da war ich von Anfang an dagegen“. Dass einige Käufer städtischer Grundstücke Provisionen zahlen mussten und andere nicht, „das ist schon sehr bemerkenswert“. Und zum städtischen Kauf des Gradinger-Grundstücks noch dies: Dort traten bekanntlich die Eheleute Menger als Makler auf (Menger war Vorgänger von Marcus Held als Stadtbürgermeister und ist heute Ehrenbürger der Stadt): „Das wussten wir nicht! Der Name Menger wurde uns im Stadtrat nie genannt.“ Es sei für ihn in keiner Weise akzeptabel, „dass der Name Menger offenbar vorsätzlich nicht kommuniziert wurde“.
Beckers Fazit: „Das, was ich weiß, gefällt mir natürlich gar nicht.“ Gleichwohl plädiere er dafür, die Koalition fortzusetzen, „bis uns eindeutige Erkenntnisse vorliegen“. Einer seiner Parteifreunde hat dagegen seinen persönlichen Meinungsbildungsprozess schon abgeschlossen; er sagt: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“