„Panem et circenses“ ist ein geflügeltes Wort aus dem Lateinischen: „Brot und Spiele“ gab’s im alten Rom im Überfluss, Politiker wie Julius Caesar verschenkten große Mengen Getreide und veranstalteten Zirkus- und Gladiatorenspiele. Satt und zufrieden sollte das gemeine Volk sein, dann wählte es den jeweiligen Politiker – und machte keine Aufstände.
„Brot und Spiele“ auch in Oppenheim unter Marcus Held. Die Rechnungsprüfer haben ein eigenes Kapitel “Veranstaltungen“ in ihrem vorläufigen Bericht aufgenommen: Hunderttausende Euro gab Held in den letzten Jahren für die Belustigung „seines“ Volkes aus. Gleichzeitig versteckte er viele Ausgaben in den unterschiedlichsten Positionen des kommunalen Haushaltsplanes, obwohl doch eigentlich jeder ausgegebene Euro seinen festen Platz in dem Zahlenwerk zugewiesen bekommen müsste: So werden die wahren Kosten der städtischen Volksbelustigung bis heute geschickt verschleiert, selbst die Experten aus Speyer konnten sie trotz intensiver Prüfung nicht allesamt ermitteln.
Die finanzielle Völlerei sowie das auffällige Durcheinander bei der Buchführung veranlasste die Rechnungsprüfer zu einem Satz, der in einem normalen Unternehmen das Ende einer jeden Controller-Laufbahn einläuten würde:
„Die desolate Finanzlage der Stadt erfordert, dass der Umfang der tatsächlichen Aufwendungen zunächst vollständig erfasst und dann vermindert wird.“
Das klingt vielleicht harmlos, heißt aber übersetzt: Herr Held, bringen Sie endlich Ordnung in Ihre Buchführung! Und dann ist Schluß mit dem hemmungslosen Geldausgeben!
Acht Veranstaltungsblöcke listet der Berichtsentwurf auf und nennt dazu den jeweiligen städtischen Gesamtzuschuss aus den Jahren 2013 bis 2016:
Osterkünstler- und Weihnachtsmarkt: 34.042 Euro
Mittelaltermarkt: 12.648 Euro
Wäldcheskerb: 22.967 Euro
Rhein-Radeln: 78.885 Euro
Mini-EM/WM (2014): 17.733 Euro
Weinfest: 101.699 Euro
Katharinenmarkt: 1.862 Euro
Kinderspielfest (2013): 14.183 Euro
Macht zusammen 284.019 Euro. Aber das ist noch lange nicht die ganze Wahrheit: Immer wieder sei der Bauhof bei Veranstaltungen im Einsatz gewesen, so der Bericht des Rechnungshofes. Dessen Kosten wurden nicht den einzelnen Veranstaltungen zugeordnet, sie wurden auch nicht vollständig verrechnet – die Folge: Die wahren Aufwendungen seien „gegenüber den Entscheidungsträgern – insbesondere dem Stadtrat –, der Kommunalaufsicht und auch den Bürgern nicht vollständig und transparent dargestellt“ worden.
Und es geht noch weiter: Die Stadt gab für eine Vielzahl weiterer Veranstaltungen noch viel mehr Geld aus – für den „Stabaus“, für den Neujahrsempfang, für eine Oldtimer-Rallye, für die 1250-Jahr-Feier, für Weinritterschlag und für Weinbergsrundfahrt. Der wahre Aufwand sei nicht gesondert dargestellt worden, kritisieren die Rechnungsprüfer: Er versteckt sich irgendwo in den Tiefen des städtischen Haushaltsplanes.
So sind etwa im Kontext Weinritterschlag Ausgaben für Hotelübernachtungen, Bewirtungen und für Geschenkekörbe in vierstelliger Höhe entstanden; diese Kosten wurden ebenso schlicht wie intransparent unter dem Haushaltstitel „Unterstützung der Verwaltungsführung“ verbucht.
Andere auf Außendarstellung gerichtete Ausgaben, etwa für eine „Künstlerakquise und Projektbetreuung der geplanten Lichtinstallation im Kellerlabyrinth“, konnten unter der Position „Altstadtsanierung, Städtebauförderung“ aufgespürt werden.
Bei all diesem bürokratischen Kuddelmuddel im Oppenheimer Rathaus bleibt offen, ob es durch Unfähigkeit verursacht wird oder von dem Bemühen, bestimmte Ausgaben vorsätzlich zu verschleiern. Klar ist inzwischen nur, dass viel städtisches Geld ausgegeben wird, ohne dass ein Mindestmaß an Transparenz gewährleistet ist. Beispiel Rheinradeln, einer Großveranstaltung, an der maßgeblich InMedia beteiligt ist, die örtliche Werbeagentur des Fernsehmoderators Markus Appelmann, der über den Oppenheimer Stadtbürgermeister regelmäßig mit Aufträgen von der Stadt und der lokalen SPD versorgt wird:
Wiederholt versicherte Marcus Held in den letzten Jahren in aller Öffentlichkeit, dass seine Stadt für dieses Event kein Geld ausgebe, ja, dass sie noch nie auch nur einen Cent ausgegeben habe.
Auf seiner Homepage lesen wir zum Beispiel unter dem Datum vom 26. April dieses Jahres, dass das Rheinradeln 2017 „wie seit seiner Wiederbelebung 2008 keinen einzigen Steuercent“ gekostet habe.
Unter dem 17. September 2013 liest man das Held-Zitat: „Rheinradeln finanzieren wir bereits von Beginn an ohne öffentliches Geld.“
Alles Lüge oder was? Es sind Aussagen, die Held auf seiner eigenen Webseite publiziert. Die unabhängigen Rechnungsprüfer kommen zu einem völlig anderen Ergebnis…
Die Stadt, so schließen die Experten aus Speyer dieses Kapitel, habe ihre Aufwendungen für Veranstaltungen künftig nachvollziehbar (also prüf- und kontrollfähig) zu verbuchen und außerdem im wirtschaftlichen Ergebnis zu vermindern – „auf eine der Finanzlage der Stadt angemessene Größenordnung“.
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Alles nicht so schlimm: So lautet, zusammengefasst, die vorhersehbare Stellungnahme von Marcus Held zu diesem Thema. Die echten Kosten der Stadt für die Veranstaltungen seien weitaus geringer als von den Rechnungsprüfern angegeben: Man habe schließlich 184.560 Euro an Zuschüssen, Spenden und Sponsorengeldern eingenommen. Die Defizite seien also „deutlich niedriger“, die Deckung der Kosten liege bei 60 bis 65 Prozent.
Es sei schließlich auch darauf hinzuweisen, formuliert er weiter, „dass die Stadt Oppenheim sich als eine bekannte Festspielstadt auszeichnet. Insbesondere lebt die Stadt vom Weinbau und Tourismus. Kulturelle Veranstaltungen sind ein öffentliches Gut, Kulturförderung ist politisch gewollt.“
Wie sich dieses teure Selbstverständnis verträgt mit einer desaströsen Haushaltslage, in die er die Stadt mit seiner Politik hineinmanövriert hat: Das verrät Marcus Held nicht.