Jetzt wissen wir’s genau – so geht das also in Oppenheim: Eine Hand wäscht die andere. Oder: Krieg ich was von dir, kriegst du was von mir – mindestens ein freundliches Schulterklopfen, bei Bedarf, vielleicht, darf’s auch etwas mehr sein…
An diesem Samstag (29.07.) durften wir live, sozusagen in der ersten Reihe, wieder ein prächtiges Beispiel für die jovial-vertrauliche Kumpelhaftigkeit einiger Genossen in dem rheinhessischen Städtchen miterleben: Die „Allgemeine Zeitung Landskrone“ veröffentlichte einen Leserbrief, der – Überraschung! – ein Loblied auf Marcus Held sang. Die Überschrift in dem Lokalblatt („Unwürdig“) sollte nicht irritieren: Sie bezieht sich natürlich nur auf jene, die den Stadtbürgermeister und sein geschäftliches Treiben kritisieren. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Leserbrief:
„Nein, Herr Stadtbürgermeister Marcus Held, MdB, wird nicht zurücktreten, wie von einigen Zeitgenossen im Zuge der Ermittlungen gegen ihn wegen Verdachts der Untreue gefordert wird. Dazu hat er keinen Anlass. Diesen Leuten sei gesagt, dass strafrechtliche Ermittlungen zur Sache ausschließlich von der Staatsanwaltschaft und der Polizei sowohl in belastender wie auch in entlastender Hinsicht geführt werden. (…)
Anlass, und zwar zur Mäßigung aus oben genannten Gründen, haben meines Erachtens sogenannte Gutmenschen und Scharfmacher, die in einer nicht gekannten Welle des Hasses und der selbstgerechten Verfolgung des Menschen Held und seiner Familie die Bürgerschaft in zwei Teile reißen. In ,für ihn’ und ,gegen ihn’. Solche Mitmenschen vergiften das gesellschaftliche Klima Oppenheims. Zudem ist es überaus unchristlich und für gebildete Menschen, die sie sein wollen, unwürdig. Ich appelliere an alle aufrechten BürgerInnen; ,Steht auf, wenn Ihr Oppenheimer seid.’ (…)
Ich stehe zu meinem Stadtbürgermeister, einen besseren und weitsichtigeren für das bisherige Wohl und die Zukunft dieser Stadt kann ich mir zurzeit nicht vorstellen.“
Geschrieben hat diesen Leserbrief, auf dessen Resonanz nunmehr gespannt gewartet werden darf, ein gewisser Rainer Kress aus Oppenheim.
Man könnte gegen seine Argumentation einwenden, dass eine Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann Ermittlungen einleitet, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Straftat vorliegt, und dass die Justiz bei der Aufnahme von Ermittlungen gegen einen Bundestagsabgeordneten ihre Gründe ganz bestimmt doppelt und dreifach gecheckt haben dürfte.
Man könnte Herrn Kress auch daran erinnern, dass der Rechnungshof, diese unabhängige und unbestechliche Behörde in Speyer, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Stadtbürgermeister angeregt hat, und zwar, weil sich schon zu Beginn einer Sonderprüfung die Verdachtslage gegen Held gravierend verdichtet gezeigt hat.
Man könnte inhaltlich all das und noch einiges mehr vortragen, das wird aber vermutlich nichts bringen, denn: Hier schrieb kein unabhängiger, der Stadt Oppenheim in ehrlicher Sorge zugewandter Bürger. Hier schrieb, wie gesagt, Rainer Kress. Der hätte sich ruhig selbst outen können: Man kennt ihn recht gut in Oppenheim – als treubraven Gefolgsmann von Marcus Held.
Kress, natürlich Mitglied der SPD, ist seinem Stadtbürgermeister in parteilicher Treue eng verbunden, und vor allem wohl auch in tiefer Dankbarkeit. Denn Held hat mal in aller Öffentlichkeit ein Loblied auf den Mann gesungen, nachzulesen in einer etwas älteren Ausgabe der „Allgemeinen Zeitung Landskrone“: „Leute wie Rainer Kress sind ganz nach dem Geschmack von Marcus Held“, schrieb die Zeitung nach einen Neujahrsempfang in der Landskronhalle. Und sie zitierte den Stadtbürgermeister, der Kress vor den versammelten Genossen als großes Vorbild dargestellt hatte: „Wir brauchen schließlich Neubürger, die sich mit der Stadt identifizieren.“
Inzwischen sitzt Rainer Kress im Vorstand der SPD Oppenheim (Vorsitzender: Marcus Held). Und schreibt jetzt also solche Liebes-Leserbriefe an die Öffentlichkeit und sicher auch ganz im Sinne seines Stadtbürgermeisters.
Hätte er sich als Parteigänger zu erkennen gegeben, dann könnte man seinen Leserbrief mit „recht subjektiv, aber vermutlich ehrlich gemeint“ abtun. Weil Rainer Kress aber seine parteipolitische Verbundenheit zu Held verheimlichte, kann sein Leserbrief kaum als Weckruf eines besorgten Bürgers eingestuft werden.
Er klingt jetzt vielmehr nach billigem Dankeschön für alte öffentliche Lobhudelei.