3. Akt: Ein Parteifreund macht Kasse

Oppenheim
Oppenheim, Merianstraße 2: So lautet die Postadresse des Rathauses. Es ist zugleich die Anschrift des Planungsbüros von Rudolf Baumgarten, eines Parteifreundes von Stadtbürgermeister Marcus Held.

Männerfreundschaft im Rathaus

„Echte Fründe ston zesamme“ lautet ein bekannter Song der Kölner Kultband „Höhner“. Vielleicht ist es das, was die beiden Männer im Oppenheimer Rathaus verbindet. Das wäre zu schön! Allerdings ist es auch so, dass in ihrer Beziehung viel fremdes Geld fließt, nachweislich von dem einen zum anderen. Und das wirft doch recht düstere Schatten auf die intensive Verbindung.

Spot an – die beiden Männer sind: Marcus Held, SPD-Bundestagsabgeordneter in Berlin und Stadtbürgermeister in Oppenheim, wo er auch lebt. Und Rudolf Baumgarten, auch er ein SPD-Ortsbürgermeister, aber in der Nachbargemeinde Uelversheim, wo er lebt und ein Immobilienbüro betreibt.

Baumgartens zweiter Arbeitsplatz findet sich praktisch Seit’ an Seit’ mit dem lokalen Arbeitsplatz von Marcus Held: Im Oppenheimer Rathaus hat der Uelversheimer Bürgermeister sein privates Planungsbüro einrichten dürfen, incl. Firmen-Briefkasten an der Rathaus-Außenmauer. 28 Quadratmeter in Top-Lage für 210 Euro im Monat: Das Büro befindet sich im zweiten Obergeschoß, das man am besten über den unauffälligen Hintereingang erreicht: Eine enge Wendeltreppe geht’s hoch, 35 abgetretene Steinstufen, dann durch eine alte braune Holztür – und man betritt einen quietschig-orangefarben gestrichenen Flur.

Erste Tür rechts, Zimmer 06: Da sitzen laut Türschild der 2. Beigeordnete Helmut Krethe, der Bürgerbeauftragte Bernd Weiss und der Partnerschaftsbeauftragte Rüdiger Spangenberg. Direkt daneben: das Firmen-Büro des Unternehmers Rudolf Baumgarten. Er nennt seine Firma „plangUT“, das soll eine Abkürzung für„Planungsgemeinschaft für Umwelttechnik“ sein.

Der Aufsichtsrat, der voll abhängig ist

Nun mag es ja noch angehen, dass im Oppenheimer Rathaus freie und ungenutzte Büroräume vermietet werden, das bringt schließlich etwas Geld ins ausgedörrte Stadtsäckel. Es mag auch angehen, dass ein Bürgermeister für ein paar Euro seinem Amtskollegen aus dem Nachbarort ein warmes Plätzchen zum Arbeiten verschafft, man kennt sich schließlich, ist in der gleichen Partei, man vertraut sich offenbar, da müssen kritische Hintergedanken nicht unbedingt drängend sein.

Das Problem ist: Rudolf Baumgarten arbeitet als eigenständiger Unternehmer für die Stadt Oppenheim. Engagiert von seinem Amtskollegen Marcus Held, kriegt Baumgarten sehr viel Geld aus der klammen Oppenheimer Stadtkasse, damit auch von seinem Parteifreund Marcus Held, der die Rechnungen in der Regel abzeichnen muss. Da sollte man schon mal genauer hinschauen dürfen.

Hinzu kommt: Viele der Arbeiten, die Baumgarten in Oppenheim kostenpflichtig ausführt, könnten über die Verwaltung der Verbandsgemeinde erledigt werden – dafür zahlt die Stadt schließlich Monat für Monat eine Umlage. Das heißt: Baumgartens Jobs werden von den Oppenheimern zumindest teilweise doppelt bezahlt.

Es geht hier nicht um irgendeinen Klüngel oder etwas „Geschmäckle“. Das ist schon etwas mehr: Ein SPD-Bundestagsabgeordneter und -Stadtbürgermeister macht Geschäfte im Namen seiner Stadt mit einem Parteifreund aus dem Nachbarort. Da muss zwingend die Frage gestellt werden: Geht hier wirklich alles mit rechten Dingen zu?

Zumal in diesem Fall die Männerbande noch straffer geschnürt sind: Der Uelversheimer Rudolf Baumgarten sitzt als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Oppenheimer Wohnungsbaugenossenschaft GWG. Deren Vorstandsvorsitzender heißt: Marcus Held. Und das bedeutet: Baumgarten, der von Held jede Menge Aufträge bekommt, soll diesen Marcus Held als Vorstand der GWG (und im Übrigen auch als Alleingeschäftsführer der HGO, einer einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der GWG) beaufsichtigen. Wie aber soll eine unabhängige Aufsicht über einen Vorstand funktionieren, wenn der Aufseher von eben diesem Vorstand beruflich voll abhängig ist?

Damit das klar ist: Ob alles rechtlich korrekt verläuft, nur das interessiert. Von politischer Ethik und unternehmerischer Moral wollen wir hier erst gar nicht anfangen zu reden…

Die Unterschriften unterm Ingenieurvertrag: Links Bürgermeister Marcus Held, rechts Rudolg Baumgarten.
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Aus dem Planer wird ein Makler

Richtig merkwürdig erscheint die Rolle des Duos Held/Baumgarten bei der Vermarktung des Baugebiets Krämereck-Süd. Wir haben bereits beschrieben: Die Stadt managte den eigentlich problemlosen Ankauf der Grundstücke nicht in Eigenregie, sondern unter Zwischenschaltung des Immobilienbüros „G-A-J GmbH“. Das kassierte für seine Dienste nahezu zweihunderttausend Euro aus der Stadtkasse.

Im zweiten Schritt wurden die brachliegenden Grundstücke als Wohn- und Gewerbegebiet ausgewiesen. Bauplätze und Straßen wurden in einem Bebauungsplan eingearbeitet – Verwaltungsalltag ist das. Federführend bei der Planung von Krämereck-Süd: Rudolf Baumgarten mit seinem Büro „plangUT“.

Na gut, das mag man noch alles für normal befinden. Ist zwar schon ein kleines Bisschen anrüchig – zwei SPD-Bürgermeister, beide sitzen für die SPD im Verbandsgemeinderat Rhein-Selz, beide haben ihr Büro im Rathaus Oppenheim, und dann kriegt der eine vom anderen einen schönen Planungsauftrag…

Geschenkt das alles, wir gehen an dieser Stelle mal davon aus, dass der Auftrag zur Überplanung von Krämereck-Süd ordnungsgemäß ausgeschrieben, vergeben und bezahlt wurde.

Im nächsten Schritt mussten die städtischen Grundstücke an den Mann oder an die Frau gebracht werden. Auch das wäre eigentlich kein Problem gewesen: Es hatte sich in der Stadt und auch in der weiteren Umgebung längst herumgesprochen, dass in Oppenheim Bauland von der Stadt angeboten wurde. Medienberichte, Plakatwerbung und nicht zuletzt das Internet hatten die Kunde breit gestreut.

Es wäre ein Leichtes gewesen, die Grundstücke direkt zu verkaufen. Aber so läuft’s nicht in der von Marcus Held regierten Kommune. Interessierte Käufer bekamen Vertragsentwürfe von der Stadt Oppenheim zugeschickt, in denen eine Maklerklausel stand. Danach musste ein Käufer zwei Prozent des Kaufpreises als Provision zahlen, und zwar an Rudolf Baumgarten in Uelversheim. Genau: Das ist der selbe Rudolf Baumgarten, der im Rathaus neben Marcus Held sein Büro „plangUT“ betreiben darf und sich dort Stadtplaner nennt. Unter der Anschrift seines Privathauses betreibt er in Uelversheim angeblich ein Immobilienbüro. Angeblich deshalb, weil: Die Firma ist praktisch nicht präsent. Zwar hat Baumgarten die Domain www.immosrb.de (für Immobilienservice Rudolf Baumgarten) reserviert, dahinter findet sich aber bis heute keine Homepage. Das berechtigt zur Vermutung, dass Baumgarten als Makler nicht sonderlich aktiv  ist.

Durch dieses schmiedeeiserne Tor, dann die Turmtreppe hoch – das ist der schnellste Weg zu Baumgartens Büro.
Parteifreund
Zimmer 08: An der quietschig-orangefarbenen Wand im Rathausflur hängt das Schild zur Firma "plangUT".
Der Briefkasten am Rathaus: Der obere ist für die Post an die Verwaltung, der untere für die Privatfirmenim Rathaus.

Zwei Prozent Provision – manchmal

In Oppenheim stören solche Details nicht weiter. Als die Grundstücke in Krämereck-Süd verkauft wurden, trat bei den Notar-Terminen in der Regel Marcus Held als Vertreter der Stadt auf, die Verträge wurden unterzeichnet – und schwups: Jedesmal klingelte es bei Rudolf Baumgarten in der Kasse. Meistens fünfstellig. Die Käufer mussten zahlen. Regelmäßig.

Keine Regel ohne Ausnahme. Mehrere gab’s in diesem Fall – Beispiele:

  • Bei Frau S., deren finanzieller Glückssträhne wir ein eigenes, das nächste Kapitel widmen, stand keine Maklerklausel im Vertrag. Beim Grundstücksgeschäft mit dieser Frau trug Marcus Held nachweislich ausgesprochen weite Spendierhosen.
  • Als die HGO, die Haus- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft (Geschäftsführer: Marcus Held) der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaft GWG  (Vorstandsvorsitzender: Marcus Held) ein Grundstück in Krämereck-Süd erwarb, verzichtete die Stadt Oppenheim (vertreten durch Stadtbürgermeister Marcus Held) ebenfalls auf eine Maklerklausel.
  • Ein potentieller Käufer muckte schon im Vorfeld auf: Er wollte die Maklerklausel nicht akzeptieren. Marcus Held beschied ihm daraufhin, es handele sich nicht um eine Courtage im klassischen Sinne, sondern um ein „pauschaliertes Beraterhonorar“. Da schwieg der Käufer, um wenig später beim Notartermin zuzuschlagen: Es handle sich um den Versuch, eine Scheinleistung abzurechnen, wetterte er, und das könne durchaus strafbar sein. Der Notar erkannte offenbar den Ernst der Lage, jedenfalls strich er widerspruchslos die Maklerklausel. Das dürfte auch den ausnahmsweise in Vertretung des Stadtbürgermeisters handelnden Stadtbeigeordneten Frieder Reichert überzeugt haben: Der unterschrieb diesen Kaufvertrag im Namen der Stadt, diesmal halt ohne Maklercourtage.

Mal abgesehen davon, dass eine Maklerklausel, der keine echte Leistung gegenüber steht, rechtlich wirklich sehr bedenklich ist: „Einseitige Vergünstigungen“ kann sich sicherlich ein freier Unternehmer leisten. Aber für eine Stadtverwaltung sind sie ziemlich ungewöhnlich und vor allem sehr erklärungsbedürftig. Eine Frage an Marcus Held, auf deren Beantwortung nicht nur die Rechnungsprüfer warten.

Die anonymen Verfasser des Dossiers, die den Oppenheim-Skandal publik gemacht haben, fanden noch einen weiteren Punkt zum Nörgeln: In den Kaufverträgen waren auch die Erschließungskosten aufgenommen worden. Das sei nicht üblich, merkten sie an, die würden Käufern normalerweise gesondert in Rechnung gestellt. Hier aber seien sie als Käufer-Kosten im Vertrag aufgeführt, was zur Folge habe, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Notar- und Grundbuchkosten, für die Grunderwerbsteuer sowie nicht zuletzt für die Maklercourtage erhöhte.

Im Klartext: Die Käufer der Grundstücke wurden von der Stadt bzw. vom Stadtbürgermeister ein weiteres Mal geschröpft, damit sich Andere die Taschen füllen konnten.

Rudolf Baumgarten: Ich sage nichts

Rudolf Baumgarten, der ehrenamtliche SPD-Ortsbürgermeister von Uelversheim, der hauptberuflich in Oppenheim für seinen Parteifreund Marcus Held arbeitet, will zum Oppenheim-Skandal nichts sagen. Er bekam eine Liste Fragen übersandt mit der Bitte, sie zu beantworten, reagierte jedoch nicht. Auf telefonische Nachfrage erklärte er dann, es werde nichts sagen, „außer vor Gericht“. Dann legte er auf.

Mit der doppelten Lizenz zum Abkassieren

Der Rechnungshof hat schließlich noch einen weiteren kritischen Punkt entdeckt, der für die Stadt sehr teuer gewesen sein (oder noch werden) könnte: Die Makler-Tätigkeit von Rudolf Baumgarten fußte auf einem „Erschließungsvertrag“ vom 24. März 2015, mit dem Stadtbürgermeister Marcus Held das Immobilienbüro Baumgarten ordnungsgemäß beauftragt hatte, die Oppenheimer Grundstücke in Krämereck-Süd zu vermarkten. Als Gegenleistung, so war darin vereinbart, sollte die Stadt zwei Prozent Provision an den Makler zahlen.

Hoppla: Die Stadt sollte Baumgarten für seine Dienste bezahlen? Aber der hat doch seine Maklercourtage schon von den Käufern kassiert! Haben wir da etwas falsch verstanden?

Nein, so läuft’s in Oppenheim unter der Regentschaft von Marcus Held. Auch hier sieht der Rechnungshof erheblichen Klärungsbedarf: Einerseits mussten laut den Kaufverträgen die Käufer eine Maklercourtage an Rudolf Baumgarten zahlen. Der aber hatte zugleich und zusätzlich Anspruch auf ein Erfolgshonorar von der Stadt. Das kann die Stadt Oppenheim teuer zu stehen kommen: Im umständlichen, gleichwohl unmissverständlichen Juristendeutsch des Rechnungshofes heißt es: „Eine Verpflichtung der Käufer, mit befreiender Wirkung für die Stadt, die von dieser aufgrund des Erschließungsvertrags geschuldete Provision an Herrn Rudolf Baumgarten zu zahlen, war damit nicht verbunden.“ Baumgarten könne seine „aus dem ,Erschließungsvertrag’ resultierenden Honoraransprüche gegen die Stadt“ jederzeit geltend machen.

Wir formulieren’s hier mal ganz schlicht: Der Immobilienmakler kassierte eine Provision von den Käufern. Laut Vertrag kann er trotzdem noch einmal von der Stadt Oppenheim Geld verlangen. Der Mann hat die doppelte Lizenz zum Abkassieren! Nicht schlecht!

Marcus Held, so der Rechnungshof, soll das jetzt mal genau erklären.

Marcus Held: Der Rudi macht einen tollen Job

Dass der Stadtbürgermeister von Oppenheim seinen Amtskollegen im nahen Uelversheim schätzt, dürfte außer Frage zu stehen. „Der rote Hengst von Uelversheim“ nenne man den Baumgarten, erzählt Held im Gespräch ganz offen und lacht sich eins. Echte Buddies eben…

Aber im Ernst: Warum kriegt der Mann ein Büro im Rathaus – und warum kriegt er regelmäßig Planungsaufträge zugeschustert, wenn die Stadt Oppenheim für solche Arbeiten bereits eine Umlage an die Verbandsgemeinde zahlt? Und dann die Abrechnung in kleiner Stückelung: Das ist doch absolut intransparent, oder? Und warum durfte Baumgarten als Makler doppelt kassieren: einmal Provision von den Käufern und dann auch noch von der Stadt?

Marcus Held antwortet: Mit der Verlagerung von städtischen Verwaltungsaufgaben an die Verbandsgemeinde wurden Büros im Rathaus frei, die habe man vermietet. Nicht nur an die „plangUT“ von Baumgarten, sondern auch an die DMT GmbH, die für die Untergrundsanierung engagiert wurde, und an die MAP Consult GmbH, ein Unternehmen zur Stadtsanierung. Held: „Mieteinnahmen tun der Stadt besser als Leerstand.“ Baumgarten zahle für sein 28-qm-Büro 210 Euro im Monat.

Er habe mit Baumgarten, den er als erfahrenen Stadtplaner schätze, ganz ordnungsgemäß einen Dienstleistungsvertrag geschlossen: Wenn Bau- oder Planungsarbeiten anfallen, „dann macht der Rudi das“. Dass die Stadt Oppenheim damit für Arbeiten bezahle, für die sie zugleich eine Umlage an die Verbandsgemeinde entrichte: „Das ist klar, aber mir geht’s um Bürgernähe.“ Wenn die Stadt Baumaßnahmen bei der Verbandsgemeinde anmelde, dauere die Ausführung oft ziemlich lange, „das ist unzumutbar für den Bürger“.

Er habe dann „den Rudi“ auch mit der Vermarktung der Grundstücke in Krämereck-Süd beauftragt, „weil ich wollte, dass da alles problemlos läuft“. Dass eine Maklercourtage zu Lasten der Stadt im Vertrag stehe, habe er gar nicht realisiert. Das Vertragsformular stamme von der Verbandsgemeinde, das habe er nicht auf solche Details geprüft. „Mir war immer klar, dass nur die Käufer zahlen müssen. Der Rudi hat von der Stadt nicht einen Cent verlangt.“ Bei zwei Prozent, die der Makler bekommen habe, könne man auch nicht von einer Maklercourtage reden, so Held, „das war nicht mehr als eine Bearbeitungsgebühr, vor allem, wenn man bedenkt, was der Rudi dafür alles geleistet hat“.

Wenn einige Käufer von der Courtage befreit wurden, dann sei das Baumgartens Entscheidung gewesen. Zum Beispiel habe er verzichtet, wenn er den Käufer persönlich kannte, und natürlich auch bei der GWG und HGO, „da sitzt er schließlich im Aufsichtsrat“.

Genau, die GWG, das ist noch so ein Baumgarten-Thema: Der Mann sitzt im Aufsichtsrat bei der Baugenossenschaft und soll den Vorstand kontrollieren, also Marcus Held, von dessen Wohlwollen er als Unternehmer wiederum abhängig ist. Ist unter solchen Umständen ein Aufsichtsratsmandat nicht reine Farce? Marcus Held kann die Frage überhaupt nicht verstehen: „Selbstverständlich nicht! Der Rudi macht einen tollen Job.“

Hier geht’s zum vierten Akt im Oppenheim-Skandal:

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